Stiller Ruhm

Sportplatz Kolumne

Franka Dietzsch und Betty Heidler haben Pech gehabt. Zwar sind beide Weltmeisterinnen der Leichtathletik-WM in Osaka geworden. Betty Heidler ist frischgebackene Hammerwurf-Siegerin und Franka Dietzsch nun dreimalige Diskus-Weltmeisterin. Aber außerhalb Deutschlands und der Fanszene ihrer Sportgenres werden sie wohl immer Franka Who? Und Betty Who? bleiben.

Diskus- und Hammerwerfen gehören zwar zu den Traditionssportarten, im globalen öffentlichen Bewusstsein spielen sie jedoch kaum eine Rolle. Deshalb bedeuten Leichtathletik-Weltmeisterschaften für die Werfer viel: Sie können sich ausschließlich bei Großereignissen wie Olympia, Welt- und Europameisterschaften mit ihren gehenden, laufenden und springenden Kollegen wirklich gleichberechtigt fühlen. Zumindest in punkto Publikumsanwesenheit. Denn üblicherweise stellen gerade die Diskus- und Hammerwerfer bestenfalls das Rahmenprogramm. Wenn sie zu Leichtathletik-Meetings überhaupt eingeladen werden, müssen sie ihre Wettbewerbe oft schon beginnen, während die Zuschauer gerade erst ins Stadion kommen. Und das nicht nur, weil ihre Sportgeräte das Potenzial haben, andere Athleten schwer zu verletzen, sondern auch, weil die meisten Leichtathletik-Fans das Werfen nur dann interessant finden, wenn es um Titel oder Medaillen für ihre jeweiligen Länder geht.

Das Pech der Diskus- und Hammerwerfer ist: Ihre Sportarten bieten wenig Spannung und Action. Taktische Geplänkel und die direkte Konfrontation mit der Konkurrenz gibt es kaum. Im Unterschied zu den Läufern, bei denen das Publikum in jeder Rennphase weiß, wer vorn liegt, fehlt bei den Werfern der unmittelbare Vergleich. Die Markierungen auf dem Rasen erlauben zwar eine grobe Einordnung der eben erzielten Werte, genau wird sie jedoch erst durch die folgende Messung ermittelt, und in vielen Fällen wird auch erst dann über Sieg und Niederlage entschieden.

Den Weitspringern ergeht es zwar ähnlich, aber wenigstens bieten sie dem Publikum die Möglichkeit, "mitzumachen": Kein Springer verzichtet heute mehr darauf, vor seinem Sprung die Zuschauer deutlich auf den Rhythmus hinzuweisen, in dem er seine Schritte bis zum Absprungbalken zu setzen gedenkt - und diese klatschen daraufhin begeistert mit. Wer nicht mit direkter Spannung oder Einbeziehung des Publikums punkten kann, sollte wenigstens Sexappeal bieten - will er oder sie der Aufmerksamkeit des Publikums sicher sein.

Doch in die obligatorischen bauchfreien Trikots und figurbetonten Hosen gesteckt, sieht eine Werferin bestenfalls wie eine stämmige Frau in zu engen Klamotten aus. Die Chancen, aufs Playboy-Cover zu kommen, wie Kathi Witt und Regina Halmich, dürften gering ausfallen. Oder wie Kitesurferin Kristin Boese, Wasserballerin Theresa Klein und die Slalomkanutin Jenny Bongardt, die - als Vertreterinnen von Randsportarten - gerade in diesem Monat auf dem Titel zu sehen sind.

Vielleicht sind Franka Dietzsch und Betty Heidler gar nicht traurig, nicht als Playmate zu reüssieren. Wenigstens in Deutschland haben die Sportlerinnen Glück im Unglück: Sicher wird ihr Erfolg niemals so viel Anerkennung gewinnen wie der Sieg eines Sprintstars. Doch sind ihre Disziplinen hier nicht ganz so unbekannt wie in den meisten anderen Ländern, und die eine oder andere Werbekampagne dürfte Dietzschs und Heidlers Meisterschaft wenigstens landesweit glänzen lassen.


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