Strahlende Rhetorik

Schwedens Atompläne Nicht nur in Schweden, in vielen Ländern Europas wird über neue Atomkraftwerke diskutiert. Ist die Kernenergie wieder auf dem Vormarsch? Die Zahlen sprechen dagegen

Schweden will neue Atomkraftwerke bauen. Die Meldung schlug vergangene Woche ein wie eine Bombe. 30 Jahre lang hatten die Skandinaven über das Thema nicht mehr diskutiert. Überraschend kam die Ankündigung aus Schweden dennoch nicht. Denn in all den Jahren ist dort nur ein einziges AKW (Malmö) abgeschaltet worden, ansonsten rüttelten weder bürgerliche noch sozialdemokratische Regierungen an dem Weiterbetrieb der schwedischen Anlagen. Für den Neubau von Reaktoren und damit den Ausbau der Atomenergie setzen sich hingegen seit langem der schwedische Staatskonzern Vattenfall ein aber auch die deutsche Eon.


Das Hauptargument der Energiebetreiber - übrigens auch der gesamten Atomlobby in Deutschland - ist aber nicht mehr der Klimaschutz. Jeder weiß inzwischen, dass Uranabbau, Anreicherung und Brennelementefertigung keine CO2-freie Bilanz rechtfertigen. Das Hauptargument lautet nun Versorgungssicherheit. Die ist seit Russland den Gashahn abgedreht und damit in einigen osteuropäischen Ländern für drastische Energie-Engpässe gesorgt hat, wieder ganz oben auf der Agenda. In ganz Europa.

In Bulgarien beispielsweise, das zu 95 Prozent von russischem Gas abhängig ist, führte die unsichere Versorgungslage sogar zu heftigen Auseinandersetzungen um die Reaktorblöcke 3 und 4 in Kosluduj. 10.000 Menschen demonstrierten in Sofia lautstark für das Wiederanfahren der Reaktoren sowjetischer Bauart. Zwei Jahre nach dem EU-Beitritt kritisieren viele Bulgaren den hohen Preis, den das Land mit der Stilllegung Kosludujs zahlen müsse. Das Abschalten des veralteten Reaktors war im EU-Beitrittsvertrag verankert worden, Europaministerin Gergana Grantscharowa bemüht sich derzeit, den Vertrag gegen Wirtschaftsminister Petar Dimitrow zu verteidigen, der entschieden für einen Neustart des Uralt-Meilers eintritt. So gespalten wie die beiden Minister ist in Bulgarien auch die Bevölkerung.


Dennoch: Die Atomlobbyisten rechnen so sicher mit einer Renaissance der Kernkraft, dass sie Zahlen kursieren lassen, bis zum Jahr 2030 würden weltweit 400 neue Atomkraftwerke gebaut. Die Fakten allerdings sprechen eine andere Sprache. Gerade wurden in Japan zwei weitere Atommeiler aus den siebziger Jahren stillgelegt: Hamaoka 1 und Hamaoka 2. Nachdem schon im Jahr 2008 weltweit kein einziger neuer Atomreaktor ans Netz ging, ist damit die Zahl in Betrieb befindlicher AKW auf weltweit 436 gesunken. In Bau befinden sich 44 AKW. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren waren 440 AKW in Betrieb und 36 in Bau. Felix Matthes des Öko-Instituts kann deshalb höchstens eine „Renaissance der Ankündigungen“ erkennen. Und Matthes begründet auch, warum aus den Ankündigungen nicht viel mehr werden wird: Der einzige Hersteller von Reaktordruckbehältern in den OECD-Ländern, Japanese Steel Works, verfüge lediglich über eine Jahreskapazität von fünf Anlagen verfügt, das macht rund 100 bis 2030.

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