Täglich graben

JUGENDBÜCHER Louis Sachars bizarr-komischer Roman "Löcher"

Pech ist nichts Neues für Stanley Yelnats und seine Familie. Seit Generationen scheint sie davon verfolgt. Deshalb wundert sich niemand, dass Stanley vor Gericht landet, nur weil ihm die nicht gerade dezent stinkenden Turnschuhe eines berühmten Baseballspielers auf den Kopf gefallen sind, als er zufällig unter einer Brücke durchging. Die Richter glauben ihm nicht, dass er sie nicht geklaut hat.

Also landet Stanley in einem Besserungslager für Jugendliche, dem Camp Green Lake in Texas. Der Name, der eine Art Feriencamp in grüner Landschaft suggeriert, hat nichts mit der Wirklichkeit gemein. Von Wasser, See oder grüner Natur keine Spur. Stattdessen besteht Stanleys Aufgabe darin, zusammen mit den anderen Jungs täglich je ein Loch im ausgetrockneten See zu graben: fünf Fuß tief und fünf Fuß breit. Das Ganze läuft unter dem Motto Besserungsmaßnahme. Nicht gerade die besten Voraussetzungen für den dicklichen Stanley, der alles andere ist als ein harter Junge. Gegen die anderen Schwergewichte unter den Schwererziehbaren nimmt er sich wie ein Waisenknabe aus. Sadistische Aufseher und die furchteinflößende, die ihre Fingernägel mit Klapperschlangengift bestreicht, tragen auch nicht zu einer ausgelassenen Atmosphäre bei.

Aber Stanley entdeckt bald, dass es einen anderen Grund für die Löcher gibt. Ein vor Urzeiten verlorener Schatz soll hier im See vergraben liegen. Als Mitinsasse Zero, dem er nach anfänglichem Sträuben das Lesen beigebracht hat, wegläuft, flüchtet auch Stanley und folgt dem Freund ins unwegbare Gelände, um ihn zu retten.

Louis Sachar verwebt gekonnt Geschichten: Stanleys Geschichte, seine Erlebnisse im Camp und auf der Flucht mit den Erzählungen aus der Vergangenheit seiner Familie. Langsam offenbart sich eine Familiengeschichte, die von einem Fluch überschattet wird. Während Stanley unbewusst beginnt, sein Schicksal zu erfüllen, wird die zweigeteilte Handlung zusammengeführt - eingebettet in amerikanische Mythen, gepaart mit zeitgenössischen Themen und einer umwerfenden Komik.

Löcher, mehrfach ausgezeichnet, ist komisch, bizarr und unwiderstehlich. So unwiderstehlich wie die Hauptfigur mit ihrer Unbeirrbarkeit und Unschuld. Wie es Stanley Yelnats gelingt, den Fluch über seiner Familie zu bannen, das ist originell und amüsant. Ohne mit der Wimper zu zucken - nur aus der Ferne sieht man den Autoren schmunzeln - entwickelt Sachar diese unglaublichen Charaktere und spart nicht mit absurden Einfällen. Eine sehr amerikanische Art von Humor, die an John Irving erinnert, kombiniert mit Klarheit im Denken und in der Struktur. Und einem tiefen Verständnis von Freundschaft und großer Sympathie für Benachteiligte.

Louis Sachar: Löcher. Die Geheimnisse von Green Lake. Aus dem dem Amerikanischen von Birgitt Kollmann, Verlag Beltz Gelberg, Weinheim 2000, 296 S., 26.- DM

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