Es vergeht kein Tag ohne neue Skandalmeldungen aus der Autowelt. Die Lage wird langsam unübersichtlich. Es ist Zeit zu sortieren.
Bis vor rund 18 Monaten konnten die deutschen Hersteller bei der Abgasreinigung tun und lassen, was sie wollten. Das Umweltbundesamt hatte es gemeinsam mit der damaligen rot-grünen Bundesregierung Ende der 1990er Jahre versäumt, bei der Festlegung strengerer Abgasnormen die notwendigen Details zu regeln. Behörde und Hersteller einigten sich darauf, dass die Normen strenger, die Ausnahmen aber großzügiger gehandhabt werden durften. Immer, wenn Gefahr für den Motor bestand – nicht für die Menschen wohlgemerkt –, durfte die komplizierte Technik einfach abgeschaltet werden. In der Regel funktionierten die Reinigungsanlagen daher nur, wenn der Motor warm und die Außentemperaturen bei rund 20 Grad lagen.
CSU-Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt konnte dann toben und wüten, er hatte aber keine Rechtsgrundlage, die Fahrzeuge zurück in die Werkstätten rufen zu dürfen. Durch den in den USA aufgeflogenen Betrug des VW-Konzerns sah sich nun auch die schwarz-rote Bundesregierung – es war noch die alte – genötigt, bei Neuzulassungen endlich durchzugreifen: die Herstellern müssen nun schriftlich bestätigen, dass keine Abschalteinrichtungen mehr verbaut werden und die Abgasreinigung immer und überall, nicht nur auf dem Prüfstand funktioniert.
Sie manipulieren weiter
Doch was machen die deutschen Hersteller? Zumindest Porsche, Audi und Daimler manipulieren die Anlagen weiter wie bisher – und haben sich jetzt nicht nur von den US-Amerikanern, sondern auch vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) erwischen lassen. Der mittlerweile amtierende Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kann und muss jetzt diese Fahrzeuge direkt in die Werkstätten zurückrufen lassen und mit dem generellen Entzug der Typengenehmigung drohen. Dann müssen die Fahrzeuge, auch wenn sie neu sind, erstmal aus dem Verkehr gezogen werden.
Es ist noch nicht klar, wie viele Neu-Fahrzeuge betroffen sind. Mutmaßlich noch jede Menge, denn das Ganze sieht nicht aus wie Zufall oder Fehlverhalten einzelner Manager. Es sieht nach systematischem Betrug aus.
Luftqualität? Die Städte wissen nichts Genaues
Denn es kommt ja noch besser: Bei der Messung der Luftgütewerte haben die Städte nicht nur Messstellen errichtet, sondern viele Ergebnisse auf der Basis von Herstellerangaben hochgerechnet. Messstellen existieren in der Regel nur an den stark befahrenen Aus- und Einfahrtsstraßen. Wie hoch die Belastungen mit Stickoxiden und Feinstaub im gesamten Stadtraum tatsächlich ist, wissen die meisten Städte gar nicht so genau.
Aber da kommen die Kommunen nicht länger mit durch. Mittlerweile hat sich die EU-Kommission dazu durchgerungen, die permanente Übertretung der zugelassenen Grenzwerte in Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof zu beklagen und die Einhaltung der geltenden Regelungen zu fordern. Hierauf hat sich das Bundesverwaltungsgericht im Februar 2018 berufen und nun sozusagen rechtsverbindlich erklärt, dass die Freiheit des Dieselfahrenden nicht über die Gesundheit der Stadtbewohner gehen kann und damit die Tür für ein Klagerecht auf politisches Tun geöffnet. Die Bürger haben also ein Recht darauf, dass die Städte endlich wirklich Umweltpolitik durchsetzen.
Für die amtierende Bundesregierung und für die Kommunen ist das Thema nicht neu; sie ahnten schon im Sommer 2017, dass Gefahr im Verzug war. Nach mehreren „Dieselgipfeln“ versandte die Bundesregierung Zuwendungsbescheide an Kommunen, damit diese dann Dieseltaxis und Dieselbusse durch Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb ersetzen konnten. Am Rande sei erwähnt: bereits vor knapp zehn Jahren hatte die Nationale Plattform Elektromobilität genau das gefordert. Jetzt aber gab es plötzlich Geld, das gar nicht da war, für Fahrzeuge, die gar nicht existieren, auf Basis von Verfahren, die gar nicht funktionieren und im Ergebnis keine Resultate gebracht haben.
Die Bild-Zeitung kämpft
Doch das scheint keinen wirklich zu stören. Wer in einem Geschäft eine Ware kauft und zu Hause feststellt, dass diese schadhaft ist, geht zurück, tauscht um oder bekommt sein Geld zurück. Nicht so in Deutschland. Die „Verbraucher sind irritiert“ schrieb die Bild und startete eine Kampagne: „Bild kämpft für Ihren Diesel“. Mal vom Abmahnverein DHU und den Experten des International Council on Clean Transportation (ICCT) abgesehen, scheinen Deutschlands Verbraucher- und Umweltschützer in einen Tiefschlaf gefallen zu sein. Denn die Autoindustrie kann ungeniert mit Deckung der Bundesregierung noch darüber diskutieren, wer eigentlich für den Schaden aufkommt. Die von der Staatsanwaltschaft Braunschweig dem VW-Konzern gerade aufgebrummte Strafe von einer Milliarde Euro ist ein leichtes Lüftchen gegenüber den Ansprüchen der betrogenen Kunden.
Was lehrt uns die Geschichte? Deutschlands Autoindustrie ist mittlerweile auf dem Niveau der Eisen-, Stahl- und Kohleindustrie angekommen. Nur durch umfassende staatliche Schutzmechanismen kann die Industrie am Leben erhalten werden. Die deutsche Regierung hat im Herbst 2017 die Einführung von E-Fahrzeug-Quoten verhindert und Anfang Juni 2018 die Festlegung ambitionierter Quoten für Erneuerbare an der gesamten Energieerzeugung verweigert. Die IG Metall warnt bereits vor den Folgen des Strukturwandels in der deutschen Autoindustrie und fordert staatliche Hilfen für den Erhalt von Diesel- und Ottomotoren.
Mit dieser Industriepolitik können wir nur hoffen, dass wir genügend Menschen finden, die unsere manipulierten Verbrennerfahrzeuge abnehmen. China hat übrigens schon abgewunken.
Kommentare 4
Je weiter die Plutokratie fortschreitet, desto mehr leidet die Öffentlichkeit -respektive, was also solche vorgeführt wird- unter Aussetzern.
Ob in Bezug auf den Kfz-Skandal oder z.B. derzeit darauf, daß deutscher Staatsanwaltschaft entfleucht, die Eltern eines gewissen Ali B. wegen Verdunkelung, Fluchthilfe, Strafvereitelung oder was auch immer für deren asoziale Schützenhilfe an juristischer Diktion vorgesehen ist, heranzuziehen.
Hinsichtlich VW ist wieder einmal Ablenkungsmanöver in peripherem Bereich bemerkenswert und typisch. Dabei ist der Sachverhalt doch sehr simpel.
Der Hersteller (und andere auch) war in neoliberalem Endloswahn, trotz immenser Gewinne versucht, die Gerätschaft zur Abgasreduktion einzusparen. Teile, die mit Preisen um 1500 EUR ausgewiesen werden, und den Hersteller wohl irgendwo gut unter 300 gekostet hätten.
Die betrogene Kundschaft hat nun sowohl Anrecht auf nachträglichen Einbau, sowie Kompensation für Unannehmlichkeiten und künftig erhöhte Betriebskosten. Ein Klacks für den Hersteller und seine vorausgegangenen, allein schon aus betreffenden Vehikeln hervorgegangenen, Profite.
Nichtsdestotrotz kann er auf dienliche Geister in seiner Industrievertretung namens Regierung und Staat rechnen, die nun abgesprochenes Laienspiel aufführen, um den Fokus vom Kern der Sache fernzuhalten und großkapitale Klientel mit dem ökonomischen Witz eines Softwareupdates durchzuschleusen, zugleich obligat in die Röhre guckenden, schutzbefohlenen Untertan sein täglich Bündel tragen lassend.
Kompliziert mutet die Angelegenheit lediglich an, wenn man der Möhre hinterherläuft. Dabei sind wir doch keine Esel; sind wir nicht.
wer taumelt da? export-weltmeisterliche waren-produzenten,
deren ware welt-weit geschätzt/abgekauft wurde.
deren verkäufe zu gewinnen und arbeiter-einkommen reichten.
eine feste größe im staatlichen steuer-einkommen.
wenn solche giganten taumeln,
beim stürzen womöglich andere platt machen,
sie als "system-relevant" erkannt + deklariert werden,
ist staatlicher not-dienst angesagt, ehe ein kollaps
wieder-belebung erfordert.
die krisis des patienten-giganten darf nicht verschärft werden:
leises sprechen und schonung ist angesagt.
operationen mit reha-anschluß sind tabu.
man verlegt sich aufs praktikable:
wo gesetze als böse drossel der arbeits-platz-spendenden unternehmen
identifiziert werden: was ist da zu tun?
aus sicht staats-/ wirtschaft-erhaltender politiker
ist gesetz-gebung zunächst mal: die politische absichts-erklärung
fürs allgemein-wohl etwas zum besseren zu lenken.
wenn die lenkung aber hakt, das um-lenken problematisch ist,
kommt man halt nicht dahin, wohin man anfangs wollte.
das gibt dann zoff mit leuten, die auf rechte pochen:
die brauchen gutes schuh-werk für den rechts-weg,
denn aus-besserung von technischerm murks
ist nie mit schalter-umlegen zu erledigen.
im land der giganten ist an zwergen-aufstände nicht mal zu denken.
denn: die giganten sind d'schland, wir sind d'schland
und die politiker müssen recht und versagen tarieren:
für d'schland.
Hallo denkzone8,
warum schreiben Sie jeden Kommentar mit unnützen Leerzeilen? Es erschwert das Lesen, was, zumindest bei mir, dazu führt, dass ich mir Ihre Kommentare gar nicht mehr durchlese. Warum lassen Sie das nicht einfach?
Nicht nur bei Ihnen.