Der Verkehrsminister Peter Ramsauer hat kürzlich in Berlin angeregt, das Marx-Engels-Denkmal ins „sozialistische Reste-Zentrum“ nach Alt-Friedrichsfelde umzusetzen. Ramsauers Aufarbeitung dieses Teils der deutschen Geschichte erschöpft sich demnach in der simplen Gleichung Marx und Engels = DDR = Diktatur, die Lösung ist Entfernung der zersetzenden Elemente. Das kennt man. Aber nicht nur Ramsauer verhilft dem geschichtspolitischen Sound der Nachwendezeit zum Comeback. Die Brandenburger CDU-Vorsitzende Saskia Ludwig lässt derzeit mit einer Kleinen Anfrage erörtern, ob und wie viel DDR sich zwischen Senftenberg und Prenzlau über die Zeit gerettet hat. Die CDU in Hohen Neuendorf brachte kurz darauf einen Antrag zur Umbenennung des Ernst-Thälmann-Platzes durch.
Anlass für Ludwigs Umtriebe ist eine Forsa-Umfrage, derzufolge zwei Drittel der Brandenburger eine Auseinandersetzung mit der DDR für notwendig erachten. Für Ludwig bedeutet das, 24 Fragen nach der DDR-Symbolik im öffentlichen Raum zu formulieren. Mit diesem Katalog wird sie Aufarbeitung fordern, die wieder nur Abarbeitung sein wird, durch Umbenennung von Orten, die „von kommunistischen Namenspatronen und sozialistischen Helden der SED-Diktatur geprägt sind“.
Hohen Neuendorf ist Ludwigs Musterschüler. Die Eiche, die dort 1933 zu Ehren Hitlers gepflanzt wurde, steht künftig auf dem Müllheimer Platz, wie der Thälmann-Platz nun heißen wird.
Angetrieben wurde Frau Ludwig aber wohl eher durch die positiven Assoziationen zur DDR, die 73 Prozent der Brandenburger laut der erwähnten Forsa-Umfrage auch haben. Die politisch verkürzte Deutung hierzu heißt: verklärte Nostalgie, weil man den Bürgern nicht zutraut, zwischen politischem und sozialem Gedächtnis zu unterscheiden. Es wären aber traurige Massen, gäbe es in den sozialen Gedächtnissen keine positiven Assoziationen zum Leben in der DDR.
Wer sich erinnert, ruft Gespeichertes ab und verknüpft dieses mit seiner Gegenwart. Erinnerung braucht Anknüpfungspunkte. Die Erinnerungskultur der Nachwendejahre, deren wesentliches Merkmal es war, schnellstmöglich Abstand zur DDR zu gewinnen, hat Begriffe aus den Wortschätzen sowie Gebäude und Straßennamen aus den Stadtbildern radiert. Mitunter als Entwertung von Biografie empfunden, war es auch Verlust kultureller Identität. Wenn Konfrontation mit der eigenen und kollektiven Vergangenheit nicht möglich ist, weil die Anknüpfungspunkte verschwinden, wird als Nebenwirkung dieser „Aufarbeitungspolitik“ aus Erinnerung verklärte Nostalgie. Daran sollte man die Brandenburger CDU vielleicht erinnern, bevor sie wieder zu den geschichtspolitischen Mitteln der frühen Neunziger greift.
Beachtenswerter sind eh andere Umfragewerte: Brandenburg meint mehrheitlich, dass es den Menschen heute besser gehe, obwohl drei Viertel die Lebensleistungen der Ostdeutschen nicht ausreichend anerkannt sehen. Für fast die Hälfte vollzog sich die Einheit zu schnell, aber 86 Prozent bezeichnen sich heute als überzeugte Demokraten.
Wer das partout nicht wahrhaben will, hat viel zu tun: Laut Post tragen in den neuen Bundesländern noch etwa 400 Orte den Namen „Thälmann“, auf knapp 30 Straßenschildern steht „Lenin“, auf einem „Straße des 7. Oktober“. Sollte auf sie auch der Tarnmantel der Aufarbeitung fallen, bewirkte dies nur, dass die DDR im kollektiven Gedächtnis immer kuscheliger erscheint.
Kommentare 14
Ich rege mich nicht mehr auf, weil es dieses System für mich nicht mehr gibt. Für mich ist die BRD ein Irrenstaat!
Diese Strategie trägt für mich schon paranoide Züge. Seltsam ist es nicht, dass gerade diese Brandsätze aus der CSU kommen.
Gerade steht im Spiegel ein guter Artikel über den Radikalenerlass in der BRD. Hier wird eine Frau abgebildet die ein Schild um den Hals hängt worauf steht, "Ich bin eine Rote Ratte". Genau diese Politik wird von den Rattenfängern der CSU a la Dobrindt, Friedrich und eben Ramsauer gefahren. Ich bin froh, wenn die CSU in Bayern aus dem Landtag fliegt, dann sind auch diese üblen Gestalten nicht mehr in Berlin.
Nicht nur Ärgern, manchmal erfährt man auch Trost. Ich , Wessi, war 2010 in Wiek und fuhr durch eine Siedlung, plötzlich stand ich auf einer Straße (Weg), mit dem Namen von Max Reimann. Ich gab dem Rest der Familie einen kleinen,geschichtlichen Ablauf vor Ort und hoffe,daß diese Straße noch lange ihren Namen behält.
Für die CDU, die bei den Worten Sozialismus Panikatacken bekommt,war diese Vorgehensweise Standard. Noch einmal zum Trost, ich habe alle schwarzbaunen Innenminister überstanden und lebe noch.Die CSU hatte immer die Verwegensten.
Diese CDU/CSU hat in der BRD zur Bekämpfung der Nazimörderbanden nichts beigetragen,es waren immer klammheimliche Freunde.
Noch ein Trost, sogar der Verfassungsschutz,bringt sich gerade um.
Darum nicht ärgern,sondern weiter kämpfen.
Es is soo billig...es sind weiterhin Plätze, Straßen, Wege nach Kriegshetzern und -verbrechern von Rechts benannt, alle paar Jahre bewege ich mich in das örtliche Wahllokal (!) in einer Schule (!), die nach einem Naziideologen (!) benannt ist, ohne dass sich irgendjemand aufzuregen scheint, ganz im Gegenteil, man wird noch angegriffen dafür, dass man das bedenklich findet.
"Saskia Ludwig lässt derzeit mit einer Kleinen Anfrage erörtern, ob und wie viel DDR sich zwischen Senftenberg und Prenzlau über die Zeit gerettet hat."
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen!
Selbst wenn dabei Antworten herauskommen - was sollte darauf folgen? Freiheitlich-demokratische Agitatoren, die Undergrundzellen aufspüren und bekehren wollen? Ent-DDRfizierung? Na, wenn der CDU sonst nichts einfällt, um die Leute im Osten zu gewinnen ...
vor allem muss man sich hier mal das argument selber auf der zunge zergehen lassen:
die cdu muss eine andere "geschichtspolitik" machen, damit der ossi nicht ständig rückfällig wird.
ist das noch karneval oder schon demenz?
"Der Verkehrsminister Peter Ramsauer hat kürzlich in Berlin angeregt, das Marx-Engels-Denkmal ins „sozialistische Reste-Zentrum“ nach Alt-Friedrichsfelde umzusetzen. "
... "Die CDU in Hohen Neuendorf brachte kurz darauf einen Antrag zur Umbenennung des Ernst-Thälmann-Platzes durch."
Überhaupt interessant, wieviel Angst unsere Bourgeoisie doch noch vor der vor 20 Jahren verschwundene DDR zu haben scheint ... ?!
Erst hat sie den Lampenladen von Erich komplett abgeräumt und jetzt will sie auch noch "die Zwei" verschwinden lassen ... ... ?!!
Wenn es um "Geschichte" geht, müssen sie doch gerade da bleiben ... .
Die DDR ist verschwunden, die kann uns heute nichts böses mehr tun - aber der heutige "Irrenstaat"/Bananenrepublik - macht mir ganz andere Sorgen ... .
Das ist doch nur noch eine postdemokratische Schnorrer-Oligarchie und diese gibt sich gerade alle Mühe, uns vor die Wand zu fahren ... !!
Man sollte immer wieder daran erinnern, das viele CDU und FDP-Blockflöten noch heute hohe Parteiämter in den entsprechenden Parteien bekleiden!
Aber daran denken solche Idioten nicht. Das darf dann vergessen werden - auch wenn sie den DDR-Staat damals gestützt haben.
Willkommen im Tollhaus BRD. Dieser Vorgang der CDU zeigt mir eigentlich nur wie dumm Politiker doch sein können. Glaubt diese S.Ludwig im ernst mit der Änderung von Straßennamen könne sie die DDR aus den Köpfen der Menschen hinweg fegen?!
Na ja, in der Politik tummeln sich halt viel zu viele Möchtegerns, die ansonsten nichts auf die Reihe bekommen würden und zur wertschöpfenden Arbeit eh keine Lust haben.
Mich widern diese ganzen Schwachköpfen nur noch an.
Liebe Frau Ludwig,
falls sie es immer noch nicht begriffen haben...die Menschen in der DDR haben trotzt Diktatur und Einschüchterung nicht ihr Denken aufgegeben, sondern kritisch hinterfragt und das System durchschaut. Genau das lebt heute weiter. Denn das DENKEN können sie nicht verbieten. Da können sie noch so viele Straßen umbenennen. Die Menschen in der BRD sind nämlich auch längst aufgewacht und haben begriffen wie das Lügen-und Betrugssystem BRD funktioniert.
Ach ja...es ist auch interessant immer wieder zu beobachten wie Politiker den Rechtsextremismus befördern. Egal ob rechts oder links.
Wie hatte ich mal so schön in in der Zeitschrift Psychologie heute gelesen...
Der Staat schafft erst die Probleme um sich dann als Retter hinzustellen. So kann man auch versuchen politisch zu überzeugen.
Sorry, es muß natürlich nur Extremismus heißen
Der Kaffee hat noch nicht gewirkt :-)
…ein schöner Artikel dazu von ….
Gerhard Zwerenz
Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte
Sächsische Autobiographie in Fortsetzung | Folge 81
Der Stolz, ein Ostdeutscher zu sein
“Dieser Tage brachten ein paar mediale Eierköpfe wiedermal den hausbackenen Streit in die Schlagwerkzeilen, ob die DDR ein oder kein Rechtsstaat gewesen sei. Ein letztes Mal zum Mitbuchstabieren auch für Lese-Anfänger: Die DDR war kein Rechtsstaat, sondern ein angefangener, abgetriebener Linksstaat. Die Bonner Republik war ein rechter Staat in der Nachfolge des Dritten Reiches. Der Führer ging, zu viele seiner Generäle und Beamten blieben. Die DDR begann als Diktatur der siegenden Sowjetarmee und entwickelte sich zur Diktatur über das Proletariat, wie Trotzki die angestrebte, aber missratene Diktatur des Proletariats beizeiten nannte, bevor das Proletariat als Prekariat verstummte.
Vordem hatten deutsche Arbeiter in Wehrmacht- und Waffen-SS-Uniform die als Rotarmisten verkleideten russischen Arbeiter zu vernichten gesucht. In Wahlkämpfen und je länger die DDR vergangen ist desto lauter geben sich immer mehr tapfre Widerstandskämpfer zu erkennen. Hinzu kommen West-Knaben, die als beamtete Schriftsteller getarnt, ihre Leser mit Büchern malträtieren, indem sie mit diesen auf gefesselte Köpfe einschlagen, was als chinesische Folter bekannt ist. Inzwischen begreifen wir, Kommunisten sind Nazis, Hitler irrte, als er Thälmann erst jahrelang einsperrte und dann erschießen ließ, bevor der Gröfaz selbst zu einem Opfer des Kommunismus wurde“
Abgesehen von der Identitätskrise und Nostalgie-Heraufbeschwörung ist es mir nicht ganz klar warum man (jetzt, nachdem so viel Zeit ins Land gegangen ist) Thälmann in Ortsbezeichnungen abschaffen will. Bei Lenin oder der Straße des 7. Oktober würde es mir eher einleuchten. Thälmann ist letztlich ein Opfer der Nazis. Und steht auch stellvertretend für andere Menschen die aufgrund ihrer politischen Gesinnung (von der man halten kann was man will) ermordet wurden.
www.youtube.com/watch?v=AzBCiyDkXPw
... weil sie @dllxlld kein kalter Krieger sind und kein neuer Rechthaber!
Vielen Dank :)
Ich frag mich gerade ob ich aufgrund meines Kommentars auf der Beobachtungsliste des BfV gelandet bin. Das kann man als schlechten Scherz verstehen, muss es aber nicht...