The game goes on

Online-Glücksspiele Die WTO unterstützt organisierte Kriminalität

Antigua gewinnt gegen die USA. Ausgerechnet die Welthandelsorganisation WTO hat kürzlich den Sieg von David über Goliath bestätigt. Vor dem Dispute Settlement Body, dem Schiedsgericht der WTO, bekam der kleine Karibikstaat mit 68.000 Einwohnern Recht in der Frage des Online-Glücksspiels. Damit wurden die Vereinigten Staaten nach einem einjährigen Rechtsstreit verurteilt, weiterhin die vor allem von Steuerparadiesen betriebenen Internet-Casinos zuzulassen. Nach Ansicht der WTO hat Antigua zu Recht darauf bestanden, dass der Markt der Glücksspielanbieter nicht durch gesetzliche Bestimmungen eingeschränkt werden darf.

Für die SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Arbeitsgruppe Weltwirtschaft Sigrid Skarpelis-Sperk ist dies Unterstützung von organisierter Kriminalität, denn Online-Gambling dient häufig der Geldwäsche. Darüber hinaus ist der Schiedsspruch in doppelter Weise eine Neuheit: Zum ersten Mal hat die WTO über einen Streitfall entschieden, der das Medium Internet betrifft. Und erstmals, auch das ist noch nicht vorgekommen, wurde die Gesundheits- und die Rechtspolitik des mächtigsten Mitgliedsstaates direkten Beschränkungen unterworfen. Die USA hatten im vergangenen Jahr ein Gesetz gegen Online-Glücksspiele erlassen, weil diese Spielform eine besonders hohe Suchtkomponente enthält. Außerdem wollte man sich seitens der USA bei kriminellen Vergehen einen Zugriff auf ausländische Internet-Server sichern. Weil das aber schwer durchzusetzen ist, verfiel der Kongress auf den Ausweg, den Kreditkartenfirmen zu verbieten, mit Online-Casinos zusammenzuarbeiten. Darauf hat die Branche auch reagiert, allerdings ganz anders als vom Gesetzgeber erwartet: die neu eingeführten anonymisierten Zahlungssysteme sind von staatlicher Seite nicht mehr nachvollziehbar. So blüht das freie Spiel im virtuellen Raum. Nach einer im März 2004 veröffentlichten Marktstudie sind die Umsätze von heute sechs Milliarden Dollar im Vergleich zum Vorjahr um 43 Prozent gestiegen.

Spannend wird nun die Frage, ob die Vereinigten Staaten die Entscheidung der WTO hinnehmen oder nicht. Es gibt gute Gründe sich zu wiedersetzen. Nach einer Studie der Universität von Connecticut unterliegen 74 Prozent der Teilnehmer am Internet-Gambling der Gefahr, süchtig zu werden - im Vergleich zu herkömmlichen Glücksspielen (22 Prozent) ein extrem hoher Wert. Außerdem kann ein angemessener Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet bis heute nicht gewährleistet werden. Dementsprechend sind die Teilnehmer im Vergleich zu Casinos, die physische Präsenz erfordern, im Durchschnitt zwölf Jahre jünger.

Für Deutschland sind die Konsequenzen noch nicht absehbar. Der auf Glücksspiele spezialisierte Rechtsanwalt Martin Arendts meint, dass nationales Recht WTO-konform auszulegen sei: "Insoweit dürfte die Grundsatzentscheidung auch für Deutschland von erheblicher Bedeutung sein". Genau das befürchtet Skarpelis-Sperk: "Durch die Entscheidung, grenzüberschreitendes Glücksspiel als Dienstleistung einzustufen, die unter das internationale Freihandelsabkommen GATS fällt, werden die Kompetenzen der Parlamente und die nationale Souveränität unzulässig beschnitten." Von der EU ist keine Hilfe zu erwarten. Der Europäische Gerichtshof hatte kürzlich entschieden, dass ein Verbot von grenzüberschreitenden Wettdiensten die Niederlassungsfreiheit beschränkt. Das Spiel dürfte also weitergehen, nicht nur das Glückspiel, sondern auch das Spiel mit der Demokratie, das die WTO veranstaltet.

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