Träumen ist erlaubt - weil's nichts kostet

Bibliotheken Die Lage der öffentlichen Bibliotheken ist nicht gut

Wegen klammer Kassen sehen unsere öffentlichen Bibliotheken bange in die Zukunft: Ein Bibliotheksgesetz, nach dem ­Büchereien Pflichtaufgabe werden, könnt’s ein wenig richten, liegt aber – wie die digitale nationale Bibliothek – in weiter Ferne. Und trotzdem: Man darf ja wohl mal träumen, aus gege­benem Anlass.

Denn Museen haben ihre langen Nächte, Schauspielbühnen ihre Theaterfeste, und seit kurzem laden Bibliotheken zum „Treffpunkt Bibliothek“: Stadtbüchereien veranstalten Lese-Events; in den Wissenschaftsbibliotheken der Unis wird auf Podien diskutiert, und dazu via facebook getwittert.

Das Bibliothekswesen will das Image dunkler, stickiger Studierkammern weit hinter sich lassen: Das neue Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität in Berlin überzeugt mit großzügiger Architektur und lockt auch Nicht-Studierende – nämlich 10 Prozent aller Nutzer – in den schönen, hohen Lesesaal. Dresden kann stolz sein auf seine Stadtteilbibliothek medien@age, deren Angebot ausschließlich auf Jugendliche zuge­schnitten ist. Angesichts solcher Glanz­beispiele will man rufen: „Wenn’s doch immer so schön wär’.“

Aber nein! Der Gesamtblick auf die 10.021 öffentlichen und 834 wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland ist nicht schön. Erstmals hat der Deutsche Bibliotheksverband, der aus öffentlichkeitswirksamen Gründen zur genannten Kampagne lädt, dieses Jahr seinen „Bericht zur Lage der Bibliotheken“ verfasst, in dem er Mängel anmahnt: Nur jede dritte Kommune der Größenordnung bis 10.000 Einwohner unterhält in Deutschland überhaupt eine eigene kommunale Bibliothek. Medienetats werden gekürzt, Personal abgebaut.

Wenn in Zukunft die Haushalte der Städte und Gemeinden konsolidiert werden, fürchten Bibliotheken weitere Einschnitte, weil sie kommunalpolitisch – wie die Kultur generell – als freiwillige Leistung geführt werden. Die Bundesländer Hessen, Thüringen und Sachsen-Anhalt haben unlängst extra Bibliotheksgesetze verabschiedet. Eine Pflichtaufgabe definieren sie dabei nicht. Das fordert zwar der Bibliotheksverband, doch auch – oder gerade – diese Forderung bleibt nur ein schöner Traum. Und zwar solange, wie das finanzpolitische Problem, in dessen Folge die Kommunen immer weniger Geld erhalten, nicht grundsätzlich gelöst wird.

Die wissenschaftlichen Bibliotheken treibt unterdessen eine andere Sorge um: die Digitalisierung. In einzelnen Forschungsprojekten scannen die Uni-Bibs, Stabis und Labis jeweils Teile ihrer Bestände ein, mit dem Ziel, Bücher des 17. und 18. Jahrhunderts bald als digitale Downloads online verfügbar zu stellen. Während Google zusammen mit der Bayerischen Staatsbibliothek München daran arbeitet, alle Bestände aller Epochen zu erfassen, fehlt den übrigen Büchertempeln eine zentrale Koordinierung für die nationale „Deutsche Digitale Bibliothek“ (DDB).

Das kommerzielle Google-Projekt wird absehbar schneller vollendete Tatsachen schaffen. Und ist es nicht besser, Google macht’s jetzt kommerziell, als die Uni-Bibs nicht in 20 Jahren oder noch später? Solche Gewissensfragen wird die Kampagnenwoche den Besuchern kaum vermitteln. Jetzt ist erstmal „Treffpunkt Bibliothek“ angesagt.

Sven Scherz-Schade lebt und arbeitet als freier Kulturjournalist in Karlsruhe

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