Verfehlte Begegnung

Typen Perser und Deutsche bleiben sich in Fahimeh Farsaies zähem Roman über die Irrungen und Wirrungen einer Einbürgerung deprimierend fern

Seit gut 20 Jahren lebt Roya, die Ich-Erzählerin dieses Romans, nun in Köln. An ihre Flucht aus dem Iran der Mullahs, die sie als kleines Mädchen erlebte, hat sie nur noch fragmentarische, aber bedrängende Erinnerungen. Ihr Vater Abbas - früher ein hochrangiger Offizier der persischen Armee und als Gegner Khomeinis ins Exil gezwungen - hält sich als Imbissbesitzer über Wasser, träumt von der Rückkehr in den Iran und kokettiert damit, Omar Sharif ähnlich zu sehen. Ihre Mutter Sima, die in Teheran als Lehrerin arbeitete, hat in Deutschland keine Beschäftigung gefunden, die ihrer Qualifikation auch nur annähernd entspräche, und sich deshalb vor allem um die Familie gekümmert. Roya studiert und hat einen deutschen Freund, ihr Bruder Reza geht noch aufs Gymnasium. Zumindest in der Generation der Kinder scheint die Familie in Deutschland angekommen. Das ist auch gut so, denn die Chancen, in den Iran zurückkehren zu können, schwinden kontinuierlich.

Wohl auch darum beschließt Royas Mutter eines Dienstags, Deutsche zu werden, was den energischen Protest ihres stolzen Mannes auslöst, der in einer doppelten Staatsbürgerschaft den Anfang vom Ende des familiären Persertums sieht, während die Kinder nicht recht verstehen, warum diese Frage die Eltern so bewegt. Sima bleibt stur und beginnt, sich auf das Gespräch vorzubereiten, mit dem in Nordrhein-Westfalen geprüft wird, ob Einbürgerungswillige über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache und Gesellschaft verfügen. Was die Sprachkenntnisse angeht, gibt es keine Probleme, doch rasch verzettelt Sima sich bei dem absurden und völlig unglaubwürdig anmutenden Bemühen, die deutsche Politik zu den Themen Einwanderung und Einbürgerung zu begreifen. Was sie da an Gesetzentwürfen, Absichtserklärungen und Ansichten von Vertretern der verschiedenen Parteien auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zur Kenntnis nimmt, erscheint Sima absolut widersprüchlich und undurchsichtig, und sie gerät in eine Verwirrung, die sich immer mehr zu einsamer Verzweiflung steigert.

Deshalb wechselt sie die Strategie und möchte nun durch ihren Nachbarn in deutsche Sitten und Traditionen eingeführt werden, die ihr bisher weitgehend unbekannt blieben. Das klappt ganz gut, und je besser Simas späte Integration in die deutsche Gesellschaft gelingt, desto unwichtiger wird für alle Beteiligten die Frage nach der Staatsbürgerschaft. Am Ende sichert Sima mit deutschen Naturfreunden eine Krötenwanderung ab. Von ihrer Einbürgerung ist da zwar noch mitunter die Rede, doch Sima betreibt sie nicht mehr konsequent.

So vielversprechend der Titel von Fahimeh Farsaies Roman ist, so enttäuschend ist die Lektüre. Die junge Ich-Erzählerin (die mit der 1952 in Teheran geborenen und seit 1983 in Deutschland lebenden Autorin und Journalistin nicht identisch ist) und die übrigen Mitglieder der Familie erscheinen eher als Typen, nicht als Charaktere. Von der Familie, dem deutschen Nachbarn und Royas deutschem Freund abgesehen, treten weitere Personen allenfalls als Stichwortgeber einer Handlung auf, die so undramatisch und vorhersehbar verläuft, dass die Lektüre recht langweilig gerät. Das liegt auch daran, dass die Autorin sich nur selten an Probleme der interkulturellen Kommunikation heranwagt, bei denen sich gerade für deutsche Leser viel über die persische Mentalität, über kulturelle Differenzen und unterschiedliche Wertvorstellungen lernen ließe - und darüber, wie mit solchen Differenzen produktiv umzugehen wäre.

Mit diesen Themen werden auch die komischen Aspekte der Kommunikationsschwierigkeiten verschenkt, so dass der Roman, der eine so schmissige wie aufklärende Tragikomödie der Missverständnisse hätte sein können, den Eindruck zurücklässt, hier sei die Möglichkeit, eine persisch-deutsche Begegnung zu beschreiben, ungenutzt geblieben.

Fahimeh Farsaie: Eines Dienstags beschloss meine Mutter Deutsche zu werden. Roman. Ulrike Helmer Verlag, Königstein/Taunus 2006., 260 S., 17,90 EUR


Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden