Viererbande gegen Coffee Club

UN-Reform Wieder einmal wird in New York über eine UN-Reform verhandelt, von der sich Deutschland einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat verspricht, allerdings ohne Vetorecht

Am New Yorker East River wird in dieser Woche wieder einmal gefeilscht wie auf dem orientalischen Basar. Es geht um Einfluss, Sitze und Stimmen im höchsten Organ der Vereinten Nationen. Nur ein Gremium der ob ihrer Machtlosigkeit häufig als „zahnlos“ gescholtenen Weltorganisation kann völkerrechtlich bindende Beschlüsse fassen und sie notfalls auch mit Gewalt durchsetzen – das ist der Sicherheitsrat. Seine 15 Mitglieder regieren in Fragen von Krieg und Frieden die Welt, zumindest laut UN-Charta sollten sie das tun. Allerdings müssen zehn von ihnen nach jeweils zwei Jahren den Sessel für andere Vertreter ihrer Regionalgruppe wieder räumen. Nur China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA dürfen als die fünf ständigen Mitglieder immer an Bord bleiben und können zugleich ihnen nicht genehme Entscheidungen per Veto blockieren.


Reformforderungen gibt es seit den Gründungstagen der Organisation im Sommer 1945, und von Anfang an kamen sie von den Benachteiligten und Unterrepräsentierten, die sich wohl Gehör verschaffen, aber nie durchsetzen konnten. Nur einmal gelang es den Entwicklungsländern im Jahr 1965, eine Erweiterung durchzusetzen. Nach langjährigen Vorbereitungsarbeiten sollte dann zum Jubiläumsgipfel 2005 der große Durchbruch gelingen. Der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan wollte die Vereinten Nationen ins 21. Jahrhundert lotsen, scheiterte aber an dem von der Bush-Regierung eigens als Zerstörer nach New York entsandten US-Botschafter Bolton, dessen über 700 Abänderungsforderungen das nahezu abgeschlossene Reformdokument faktisch pulverisierten.

Nun also ein neuer Anlauf. „Dies ist ein historischer Tag für die Vereinten Nationen“, lobt der Präsident der Generalvollversammlung, Miguel d'Escoto Brockmann aus Nicaragua, zum Auftakt. „Endlich können wir uns der Substanz dieser Reform zuzuwenden.“ Unter Leitung von Afghanistans UN-Botschafter Zahir Tanin geht es zunächst um die verschiedenen Kategorien der Mitglieder im Sicherheitsrat – also um ständige, nichtständige und möglicherweise semi-permanente – um die künftige Präsenz der Regionen und das umstrittene Vetorecht. Natürlich weigern sich die bisher Bevorzugten beharrlich, auf ihre Sonderrechte zu verzichten. Doch ändert das nichts daran, dass bereits im April die Größe des erweiterten Rates diskutiert werden dürfte, dessen Entscheidungen nach dem Wunsch vieler UN-Mitglieder transparenter und demokratischer werden sollen. Zahir Tanin pocht auf die Ernsthaftigkeit des Unterfangens: „Die Sicherheitsratsreform wird manchmal als Botschafterzeitvertreib für Cocktailparties abgetan. Wenn das jemals der Fall war, sind diese Zeiten definitiv vorbei.“


Verbal gibt es viel Zustimmung für die Reform, denn bisher spiegelt der Sicherheitsrat immer noch Machtstrukturen wider, wie sie der Zweite Weltkrieg hervorbrachte. Künftig soll das Gremium hingegen der veränderten Realität Rechnung tragen, was nach wie vor durch nationale Egoismen erschwert wird. Deutschland etwa hat sich seit längerem mit Japan, Brasilien und Indien zusammengetan. Die von Kritikern gern als „Viererbande“ titulierte Staatengruppe schlägt einen auf 25 Sitze vergrößerten Sicherheitsrat vor.

Das Modell der vier Reformer sieht neben der eigenen ständigen Präsenz zwei feste Mandate für afrikanische Staaten sowie vier rotierende Plätze vor. Im Gegenzug würden die Vier für 15 Jahre auf ein Vetorecht verzichten. Die Rivalen – angeführt von Argentinien, Italien, Mexiko, Pakistan und Spanien – haben sich im „Coffee Club“ zusammengefunden. Sie möchten die Konkurrenten am Aufstieg hindern und deshalb die jetzigen fünf ständigen Sitze unverändert lassen. Allerdings sollen sie durch 20 Plätze für jeweils vier Jahre ergänzt werden. Ein Modell der Afrikanischen Union schließlich fordert sechs neue ständige und fünf nichtständige Sitze. Jeweils zwei reklamieren die Staaten Afrikas für sich.

Zwar ist der deutsche UN-Botschafter Thomas Matussek optimistisch und hält die Aussichten für einen Kompromiss für „besser als jemals zuvor“, angesichts der Weltfinanzkrise werde überall von einer globalen Regierungsfähigkeit gesprochen. Doch wegen weiter bestehender Interessengegensätze werden wohl auch diesmal schnelle Ergebnisse ausbleiben.

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