Von Schnäppchen und Häppchen

Reisejournalismus Auf der Tourismusbörse in Berlin kann man das innige Verhältnis von Reiseveranstaltern und Journalisten beobachten. "Freitag"-Blogger Günter Bartsch hat sich umgeschaut

Wer bislang daran zweifelte, dass die Wirtschaftskrise auch die Reisebranche treffen wird, muss auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin eigentlich nur die Pressekonferenz von Monaco besuchen. Dort soll laut Programm erklärt werden, wie das Fürstentum die „Ultra Rich“ gewinnen will. Doch von den Superreichen ist kaum die Rede. Vielmehr wird Tourismusdirektor Jean-François Gourdan nicht müde, die günstigen Hotelpreise zu betonen: Zwei Nächte im Fünf-Sterne-Hotel mit Flug schon ab 400 Euro. Schnäppchenpreis! "Nicht teurer als an der Côte d‘Azur“, sagt Gourdan. In bestem Planwirtschafts-Jargon erklärt er, wie Monaco die Krise bewältigen werde: mit einem „Fünfjahresplan“. Wie schlimm muss es um die Branche stehen?

Ein schwieriges Jahr werde 2009, hört man allenthalben. Die Hallen sind zwar ausgebucht, doch Branchenriesen wie TUI und Neckermann sind allenfalls mit Tochterfirmen oder regionalen Ablegern vertreten. Manche haben sich schon vor Jahren von der Messe verabschiedet.

Das mag gute Gründe haben: Abschlüsse muss man in Zeiten der Internet-Kommunikation nicht mehr auf der Messe machen. Die Kontakter, Käufer und Verkäufer der großen Unternehmen sind natürlich nach wie vor zugegen – nur sparen sich die Firmen eben den teuren Messestand.

Journalisten sind Teil des Geschäfts

Zahlreich erschienen sind - trotz oder gerade wegen der Krise - aber wieder die Journalisten, die Schlangen vor den Akkreditierungsschaltern sind lang. Obwohl, so genau weiß man nicht, ob man es hier wirklich mit Journalisten zu tun hat: Gerade spricht man noch mit einer bekannten Reisejournalistin, am nächsten Tag hat sie schon einen TUI-Anstecker am Revert.

Wie in kaum einer anderen Branche sind Reisejournalisten Teil des Geschäfts. Völlig selbstverständlich ist es in den meisten Redaktionen, dass „zu Recherchenzwecken“ Reisen angetreten werden, die von den Veranstaltern bezahlt werden. Das renommierte Reisemagazin Merian scheut sich nicht, auch Unternehmen, Kommunen und Verbände an bestimmten Publikationen mitschreiben zu lassen.

Die Vereinigung deutscher Reisejournalisten (VDRJ), die auf der ITB ihren Journalistenpreis verleiht, ist sich zudem nicht zu schade, sich von einem „Grand Hotel“ in der Schweiz zur Jahresversammlung einladen zu lassen. Im Gegenteil: Im VDRJ-Magazin Columbus wird ausführlich über Hotel und Region berichtet. Eine Hand wäscht die andere.

Golf und Wellness sind besonders beliebt

Selbst PR-Leute reagieren schon genervt, dabei ist die Bespaßung von Journalisten doch Teil ihres Jobs. Immer häufiger komme es vor, dass sich Leute für Pressereisen anmeldeten, die höchstens ein paar Zeilen bei einem windigen Webportal veröffentlichen und den Text auch noch aus der PR-Mappe rüberkopieren, klagt Simone Zehnpfennig, Pressesprecherin der Verbandsagentur Allgäu Marketing. „Golf und Wellness sind da besonders beliebt.“

Zehnpfennigs Chef Bernhard Joachim kennt die ITB anders: Als „Internationale Trinkerbörse“ sei sie lange verschriehen gewesen. Wenn man eine Winzerregion vertrat, begann man schon vormittags mit dem Weintrinken. Heute sei alles „geschäftsmäßiger“, auch das Ranwanzen der Journalisten. Voll sind vor allem jene Veranstaltungen, bei denen es kostenlos zu Essen und zu Trinken gibt. Und die finden natürlich verstärkt an den Fachbesuchertagen statt, damit keine anderen Besucher den Journalisten die Kanapees wegschnappen.

Den verwöhnten Reisejournalisten muss man schon etwas Besonders bieten, damit sie zur Pressekonferenz kommen. Tirol lädt deshalb auf den Funkturm – natürlich mit ordentlichem Tiroler-Speck-Frühstück. Da sitzen die Journalisten dann, mampfen und hören sich Vorträge über nachhaltige Urlaubsformen an. Auch eine Form der Recherche.

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