Was du nicht siehst

Ausstellung In ihrer neuesten Schau rückt die Schirn Kunsthalle das Thema Geheimgesellschaften in den Mittelpunkt und entlarvt dabei den okkulten Charakter der Kunst selbst

Die Schirn Kunsthalle Frankfurt widmet sich dem Thema Geheimgesellschaften. Der Untertitel – Wissen Wagen Wollen Schweigen? – bleibt dabei selbst etwas rätselhaft. Die Schau will Geheimgesellschaften nicht entlarven, sondern setzt sich mit dem Paradox auseinander, dass ein Geheimnis nur dann existiert, wenn es wenigstens gerüchtehalber bekannt und öffentlich ist, aber zugleich sofort verschwindet, wenn es wirklich öffentlich wird.

Der Kunstbetrieb ist mit seinen Ritualen und seinen auf Insiderwissen beruhenden Geschäftspraktiken mit dem Okkulten verbunden. Und Kunst spielt, wie Geheimgesellschaften das tun, oft mit Symbolen und verborgenen Andeutungen und appelliert damit an die Neugier, Vorstellungskraft und Fantasie des Betrachters. Kunst, sagt man landläufig, kommt von Können; sie gründet aber im Geheimnis, auf jeden Fall im nicht restlos rational Klärbaren.


Die rund 100 Arbeiten von 52 Künstlerinnen lassen sich in zwei Gruppen unterteilen. Die erste macht existierende oder vergangene Geheimgesellschaften explizit zum Thema. Der italienische Künstler Luca Vitone etwa präsentiert auf einer fünf mal sechs Meter großen Fläche unter dem Titel Erinnerung an Italien. Grundlagen der Zweiten Republik Namen und die Herkunft von 962 Mitgliedern der Geheimloge „P2“ Lucio Gellis. Ihm und der Loge wurde ein Staatsstreich zugetraut, Gelli warb Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft, Justiz und Militär an – aber auch Mitglieder der Mafia. Die Tafel erinnert mit einem ironischen Satz an ein Kriegerdenkmal: „Im sechzehnten Jahr der Zweiten Republik widmet Italien diese Gedenktafel der Erinnerung an ihre besten Söhne den Begründern der Heimat für ihr Engagement und ihre Aufopferung.“ Zu den so „geehrten“ Mitgliedern gehören Silvio Berlusconi ebenso wie der berüchtigte Bankier Michele Sindonia oder hohe Beamte aus Polizei und Justiz.

Die Kunst als Geheimnis

Zu der Gruppe von Werken mit Bezug auf reale Geheimgesellschaften gehören Fotos von Sean Snyder unter dem Titel The Site. Die Fotos zeigen die erbärmliche Unterkunft, in der Saddam Hussein nach seiner Flucht von amerikanischen Soldaten aufgespürt wurde. Diese Werke leben – wie die Installation Der Gerichtsprozess gegen Henry Kissinger von Eva Grubinger – von den Texterklärungen, die die Kuratoren Cristina Ricupero und Alexis Vaillant den Bildern beziehungsweise Installationen zur Seite stellen. Ohne diese Erklärungen blieben die Werke stumm oder ominös wie ein nicht enthülltes Geheimnis.

Eine zweite Gruppe ausgestellter Werke zeigt ästhetische Varianten des Geheimnisses. Jenny Holzer präsentiert eine fast komplett geschwärzte Tafel, auf der einzig das Wort „waterboarding“ zu lesen ist. Der Betrachter kann an die Foltermethode in Guantanamo denken oder an die Praxis des Einschwärzens von Akten.

Viele Werke bleiben hier stumm. Steven Claydons Skulptur zeigt ein aus einer Wand herausragendes, blau bekleidetes Bein aus Bronze mit goldgelbem Fuß. Der Titel Obst scheint beliebig zu sein. Auch Tobias Zielonys Video aus zusammengeschnittenen Bildern der labyrinthischen Gänge einer Wohnsiedlung in Neapel weckt nur blasse Assoziationen an Irrgänge Piranesis und düstere Halbwelten des Verbrechens. Insgesamt eine etwas hermetische Ausstellung.

Geheimgesellschaften Schirn Frankfurt/Main. Bis 25. September. Der Katalog kostet 29,80

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