Wie andere Krimi-Serien auch, vermittelt C.S.I. - Den Tätern auf der Spur, selbst wenn man nur für den Moment hineinzappt, dem Zuschauer augenblicklich das Gefühl, zum Dabeibleiben genötigt zu sein. Schließlich will man wissen, wer´s war. Aber C.S.I. besitzt darüber hinaus etwas, das absolut modern scheint: die Konzentration auf das Forensische, die Spurensuche. "Verlassen wir uns auf die Dinge, die nicht lügen: auf die Beweise", ist ein Standardsatz der Hauptfigur Gil Grissom. Und in Trickaufnahme sieht man den Flug einer Kugel nach dem Durchschuss durch den Körper des Opfers - jetzt muss sie nur noch gefunden werden; dann wird man wissen, aus welcher Waffe sie kam, und bald deren Besitzer ermitteln können. Die Spannung von C.S.I. - die Ab
n C.S.I. - die Abkürzung steht für crime scene investigation - gilt der Herstellung der Beweiskette und weniger dem Täterprofil.Früher begann die Arbeit der Ermittler bei der Motivsuche und der Vergleich der Fingerabdrücke war nur ein Hilfsmittel am Ende. Heute hat sich dieses Verhältnis umgedreht. Verbesserte und neue Labortechniken haben die Krimiautoren zu neuen Dramaturgien inspiriert: DNS-und Faseruntersuchungen stehen am Anfang von Geschichten, in denen einzelne Haarschuppen, winzige Abschürfungen und das Reifenprofil eine wichtigere Rolle spielen als die Eifersucht. Was die Farbe des Autositzes erzählen kann, nimmt breiteren Raum ein als die hoch dotierte Lebensversicherung des Verdächtigten. Die Ablösung von Soziologie und Psychologie als Leitwissenschaften durch Chemie und Biologie ist damit im Fernsehkrimi angekommen.Den deutschen Serien wie Der letzte Zeuge, die diesen Trend bereits aufgenommen haben, hat C.S.I. jedoch etwas voraus: eine spezifische Coolness der Form. Und mit Coolness ist nicht nur Zeitgeist und Mode gemeint, sondern tatsächlich ein kaltes, "hartes" und abgeklärtes Moment, das sich in der bieder gesinnten deutschen Fernsehproduktion als sehr gewagt ausmachen würde.C.S.I. verlässt sich im Wesentlichen auf die vertrauten Strukturen von Erfolgsserien wie Emergency Room: Eine handvoll Profis gehen ganz in ihrem Beruf auf. Die persönlichen Geschichten der Figuren sind reduziert - äußerst selten sieht man sie "zuhause". In kunstvollem Minimalismus wird von gegenseitiger Zuneigung und Rivalität erzählt, was aber immer nur das Beiwerk für die im Mittelpunkt stehenden Fälle bildet. Der Zuschauer kommt auch völlig ohne das Wissen um Warricks Spielsucht, Nicks Verhältnis zu einer Prostituierten oder Sarahs Gefühle für ihren Chef Grissom aus. Man muss die Serie also nicht Woche für Woche in einer bestimmten Reihenfolge schauen, um "hineingezogen" zu werden. Die wachsende Vertrautheit mit den Figuren macht allerdings zahlreiche Details der Inszenierung - ein Blick, ein hingeworfener Satz - bedeutsamer und aussagekräftiger.Es ist also nicht die Erzählstruktur, die an C.S.I. so neu erscheint, auch nicht die Tatsache, dass die Fälle durch verschiedene Schichten und Milieus einer amerikanischen Großstadt führen, sondern eben jene besondere Düsterkeit und Kälte, mit der hier die Wüstenstadt Las Vegas als Hauptstadt der Skepsis in Szene gesetzt wird. Las Vegas steht für eine bestimmte - kapitalistische - Härte. Welche andere Stadt könnte besser die postindustrielle Phase des Kapitalismus symbolisieren, in der das "Börsenroulette" die einen reich und andere arm macht und Menschen mit Haut und Haaren zu Waren werden? Las Vegas wird in C.S.I. fast immer nur nachts gezeigt. Die Innenaufnahmen sind, auch wo sie am Tage spielen, in betont künstliches Licht getaucht und schaffen so eine Spannung zwischen dem "eigentlichen" Wüstenklima mit greller Sonne und den Arbeitsräumen der Ermittler. Womit auch ein Spiel mit dem Offensichtlichen und dem, was erst noch ans Tageslicht gebracht werden muss, betrieben wird. Wie überhaupt die Frage, welches Licht welche Spur sichtbar machen kann, stets neu variiert wird: Taschenlampen mit diversen Lichtfrequenzen sind samt entsprechender Brillen festes Inventar.Zum erfolgreichen Spurenlesen gehört aber nicht nur die Technik, sondern ein enzyklopädisches Wissen um die Verfasstheit dieser Welt: Die Aufgabe, eine zerschlagene Scheibe wieder zusammenzupuzzeln, um den Tathergang ermitteln zu können, kann nur bewältigt werden, wenn man weiß, dass Glas in Zinnwannen abgekühlt wird und deshalb die eine Seite unter UV-Licht fluoresziert. C.S.I. hat stellenweise den Belehrungscharme von Wissenschaftssendungen.Was die Ermittler aus ihren Laborwerten, aus der Betrachtung von Glassprung- und Reifenmustern zu Geschichten über Täterverwicklungen und Motive erweitern, zeigt die Serie dem Zuschauer schließlich eingeschoben als körnigen Super8-Film, der in seltsamen Kontrast zu den dynamischen Trickaufnahmen steht, in denen man Glasscherben und Kugeln ins Innere der Körper vordringen sieht. Die Polizei, wie wir sie sonst aus den Serien kennen, spielt hier kaum mehr eine Rolle. Es sind die "Forensiker", die die Täter mit ihren Beweisen konfrontieren. Und auch diese Schlussbegegnungen haben eine eigentümliche Kälte und Härte: Dem, was die Spurenermittler herausgefunden haben, kann nämlich kaum mehr widersprochen werden. Wie alle packenden Krimiformate ist C.S.I. eine Mischung aus bedrohlichen und beruhigenden Elementen. Wo die durchlässige Inszenierung der Körper, dieses Durchleuchten und Durchdringen die Vorstellung der eigenen Unverletzlichkeit und Integrität stark verunsichert, beruhigt gleichzeitig die Aussicht, dass noch so winzige Spuren ausreichen, um retrospektiv eine Geschichte zu erzählen. Das zumindest suggeriert die Serie: dass jemand an dieser Geschichte so lange arbeitet, bis sie erzählt ist, anders gesagt: einen Sinn ergibt. Wie um die Ausnahme die Regel bestätigen zu lassen, führte in einem Fall der letzten Staffel die Rekonstruktion des Tathergangs zu einer Geschichte ohne Sinn. Der vermeintliche Mord an einer Studentin stellte sich als verhängnisvolle Verkettung von Zufällen heraus. Aber auch das ergab ja noch eine Geschichte.C.S.I.; mittwochs um 20.15 Uhr auf Vox.