Welt der Elefanten

Kommentar Pascal Lamy wird WTO-Generaldirektor

Er hat die beiden französischen Elitehochschulen EC und ENA, die Kaderschmieden für Administration und höheren Staatsdienst, durchlaufen, seit 1969 eine Mitgliedskarte der Sozialisten und gilt als politisches Ziehkind von Jacques Delors. Als der 1985 nach Brüssel ging, um den Vorsitz der EU-Kommission zu übernehmen, wollte er Pascal Lamy als Kabinettschef an seiner Seite haben. In dieser Zeit dürfte der künftige Generaldirektor der Welthandelsorganisation, der am 1. September sein Amt antritt, endgültig zu seiner Programmatik gefunden haben - einer Mixtur aus dem Willen zur technokratischen Regulierung von Wirtschaft und dem Wunsch nach einem Welthandelsregime, das kaum protektionistischen Eingriffen unterliegt.

Mit diesem Credo konnte Lamy nun offenbar viele Regierungen des Südens überzeugen, weil er ihnen zugleich versicherte, als WTO-Chef auch die Widersprüche im Verhalten des Nordens aufzugreifen. Dessen Regierungen hofieren bekanntlich das Freihandelsprinzip oft und gern, wenn es darum geht, wirtschaftlich schwächere Länder zur Öffnung ihrer Märkte und zum Abbau von Schutzzöllen zu verpflichten. Sobald aber Produkte aus den Ländern des Südens europäischen Märkte zu erobern drohen, wie etwa Agrarerzeugnisse aus Nordafrika oder Textilien aus China, greifen Handelsmächte wie die EU zur protektionistischen Knute oder subventionieren die eigene Landwirtschaft und Agro-Industrie. Lamy hat diese Praxis der doppelten Standards häufig attackiert und damit besonders die Regierungen Lateinamerikas als Befürworter seiner WTO-Ambitionen gewinnen können. Allerdings sollte dabei nicht übersehen werden: Der vom designierten WTO-Generaldirektor versprochene Schub für die Exportindustrien des Südens bedeutet auch eine schädliche Zurichtung der Ökonomien dieser Länder. Dies begünstigt Monokulturen wie Brasiliens Sojaproduktion und verhindert eine Konzentration dieser Länder auf Branchen, die eigenen Bedürfnissen dienen.

Pascal Lamy ist alles andere als ein wirtschaftsliberaler "Internationalist", unterstützt er doch für die EU eine "préférence communautaire", die auf eine "Bevorzugung von Gemeinschaftsprodukten" im europäischen Handel hinausläuft. In einem Figaro-Interview, bei dem Lamy jüngst die Franzosen zur Annahme des EU-Verfassung ermahnte, war denn auch von einer globalisierten "Welt der Elefanten" die Rede, in der ein starkes Europa vonnöten sei. Eine Metapher, wie er sie 2001 gegenüber dem Wochenmagazin Express schon einmal verwendet hatte, um ein Bild von der nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA zu zeichnen, die "auf der einen Seite einen Elefanten wie die USA" aufzubieten habe, während auf der anderen "zwei wesentlich kleinere Tiere" zu finden seien: Kanada und Mexiko. Auf die Welthandelorganisation angesprochen, meinte er damals: "Bei der WTO gibt es 148 Mitgliedsländer. Alle sind gleichberechtigt, aber einige sind gleicher als die anderen."


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