Wenn das die Fische wüßten: Wigald Boning angelt im Fernsehen

Medientagebuch Die Grimmepreis-nominierte Sendung "Ein Fisch für zwei" mit Wigald Boning geht in die zweite Staffel. Lohnt sich das Wachbleiben? Eine Vorabkritik von Andreas Möller

Die große Stille am Wasser ist wieder da: Nachdem 3Sat-Moderator Frank Baumann in der ersten Staffel von Ein Fisch für 2 mit DJ Bobo und Jörg Kachelmann angeln ging, hat er sich vier neue Gäste eingeladen. Den Anfang macht heute Abend um 23.20 auf 3 sat der bekannte RTL-Samstag Nacht-Komiker Wigald Boning.

Baumanns Sendung ist 2009 für den Grimme-Preis nominiert gewesen, und das nicht zu unrecht. Das Konzept trifft den Nerv der Zeit, weil es ein Stück Medienrealität offenbart. Wo man seine Gesprächspartner erst zum Ansitz auf Karpfen zwingen muss, um Nachdenkliches zu hören, läuft etwas falsch in der Fernsehunterhaltung. Anti-Talk soll es sein, was der Zuschauer geboten bekommt, ein Gespräch ohne Hektik und schlechte Gags. Der Schweizer Baumann lebt den Müßiggang mit eidgenössischem Sinn für Entschleunigung vor. Da kommt einer wie Boning gerade recht.

Man mag darüber streiten, ob Angeln im Fernsehen funktioniert. Bekanntlich kann man sogar das Malen im TV genießen, wenn es von Bob Ross präsentiert wird. Es gibt Filme und Videomitschnitte von Anglern, die einem den Atem stocken lassen. Sie leben von der Aura des Unvorhersehbaren, die man sich bei einer professionellen Sendung schwer vorzustellen vermag.

Tropical Island

Doch das ist es nicht, was einem auch in dieser Folge von Ein Fisch für 2 gleich zu Beginn aufstößt: Es ist die Penetranz, mit der Baumann und Boning raushängen lassen, dass sie keinen blassen Schimmer vom Angeln haben. Und es ist dieser Ort: die Masoala-Halle des Zürcher Zoos, eine Art Madagaskar-Urwald in Miniatur, wo beide liegend und sitzend vor ihren Korkschwimmern ausharren. Als Kulisse eines Angelmorgens ist sie in etwa so brauchbar wie das brandenburgische Tropical Islands, die größte tropische Saunalandschaft Europas.

Wigald Boning in Shorts mit Sushi-Aufdruck zu erleben, um ihm eine unbekannte, vielleicht atavistische Seite zu entlocken, mag als Idee ganz launig sein. Aber der Ironie-Vorschuss ist schnell aufgebraucht. Die ganze Veranstaltung wirkt so klamaukhaft, als hätte man einen renitenten Teenager zum Zwiebelschneiden in die Kochsendung Alfred Bioleks verfrachtet. Die Gesprächstiefe beider Sendungen ist im Grunde genommen auch die gleiche. Wolfgang Niedecken, der in der ersten Staffel von Ein Fisch für 2 mit von der Partie war, hat diese Austauschbarkeit vorgeführt.

Während Saxophon-Legende John Lurie und Gäste wie Tom Waits, Jim Jarmusch oder Willem Dafoe im amerikanischen Original Fishing with John den Teufel taten, ihrem Gespräch künstlich Bedeutung einzuhauchen, macht Boning durch sein Geplapper alles nur noch schlimmer. Man erfährt, wie er eine Internet-Bekanntschaft namens Linda in Paris besucht. Dann doch lieber einem Fischer zusehen, wie er schweigend am Zürcher See steht, denkt man unweigerlich und schaltet ab.

Andreas Möller, Jahrgang 1974, lebt als Publizist in Berlin. In diesem Jahr erschien sein Debütroman Traumfang, Eine Geschichte vom Angeln (Ullstein), der die Wendezeit in Mecklenburg aus der Perspektive eines Anglers schildert.

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