Zeit für einen Führungswechsel

Medientagebuch Die alten Mächte haben beim Schutz der Menschenrechte versagt

Zum 60. Jahrestag der Deklaration der Menschenrechte müssten die Weltführer sich für das Scheitern von deren Einhaltung entschuldigen. 1948 nahmen die Vereinten Nationen eine Erklärung an, die heute nicht mehr Wert ist als das Papier, auf dem die Versprechungen gegenüber den unzählbaren Millionen von Menschen rund um die Welt gedruckt sind.

Der Bericht von Amnesty International 2008 zeigt ein düsteres Bild der Lage. Regierungen und bewaffnete Gruppen behandeln die zivile Bevölkerung in anhaltenden Konflikten einfach wie "Freiwild". Die Gewalt gegen Frauen greift um sich in allen Regionen der Welt. Der absolute Bann gegen Folter und Misshandlung ist untergraben.

Politischer Widerspruch wird in vielen Ländern unterdrückt. Journalisten und Aktivisten werden zum Schweigen gebracht. Hunderttausende von Flüchtlingen werden schutzlos in Stich gelassen. Trotz des einzigartigen globalen Wohlstandes werden Millionen Menschen in Armut vergessen. Die großen Konzerne stehen nicht gerade für die negativen Folgen ihrer Tätigkeiten auf die Menschenrechte.

Zu dieser Lage kommen noch die schweren Menschenrechtskrisen rund um die Erde, etwa in Darfur, Simbabwe, Gaza und Burma.

Die brennende Frage nach Aktionen dagegen wird zwar gestellt - aber wo sind die glaubwürdige Führung und der politische Wille? Die westlichen Regierungen habe ihre moralische Autorität als Champions der Menschenrechte verloren, nachdem sie bei sich selbst versagt haben, die Prinzipien zu respektieren, die sie bei anderen einfordern. Die US-Administration hat die Prinzipien der Menschenrechte im Namen des Krieges gegen Terrorismus missbraucht. Einige EU-Mitgliedsstaaten haben mit der CIA bei der Entführung, der geheimen Gefangenhaltung und beim illegalen Transfer von Gefangenen in Folter-Länder kooperiert. China vertritt die Auffassung, dass Menschenrechte eine interne Angelegenheit von souveränen Staaten seien und kein Thema der Außenpolitik. Auch Russland ist in Sachen Menschenrechte verhalten.

Da die geopolitische Ordnung von tektonischen Verwerfungen gezeichnet ist und die alten Mächte nicht in der Lage sind, ihre Menschenrechts-Versprechen einzulösen, kann man sich fragen: Wie sind die Aussichten für einen Führungswechsel?

Als eine gut etablierte liberale Demokratie mit einer ausgeprägten legalen Tradition in Sachen Menschenrechte und einer unabhängigen Gerichtsbarkeit hätte Indien alle Voraussetzungen eines Führungsmodells. Das Land muss aber stärker werden - bei der inländischen Durchsetzung der Menschenrechte und beim direkten Führungsanspruch auf internationaler Ebene. Länder wie Brasilien und Mexiko sind zwar stark beim Eintreten für die Menschenrechte international, aber schwach bei der Durchsetzung dieser Rechte im Inland. Südafrikas Kapazität, eine Führungsrolle in Sachen Menschenrechte zu übernehmen, wird gerade wegen seines Unwillens im Fall Simbabwe in Frage gestellt. Andererseits macht sich Australiens neue Regierung bemerkbar, die sich vorgenommen hat, eine eigene Tagesordnung über Menschenrechte aufzustellen. Der Weg ist zwar steinig, aber es gibt noch Hoffnungen.

Die Menschen weltweit, die man mit den uneingelösten Versprechen allein gelassen hat, treten entschiedener auf und verlangen Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit. Neue Führungen kommen in Schlüsselländern an die Macht. Neue Mächte entstehen auf der Weltbühne. Sie haben eine einmalige Chance, einen neuen Führungsstil in Sachen Menschenrechte einzuführen. Die Universelle Menschenrechtsdeklaration von 1948 ist nach wie vor gültig.

Irene Khan ist Generalsekretärin von Amnesty International

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