Ministergärten

KULTURFÖRDERUNG Begießen allein nutzt wenig

In diesen trüben Tagen des Blätterfalls läuft der Staatsminister für Kultur, Michael Naumann, mit der Gießkanne umher. Liebevoll wässert er hier einen Barenboim in der Lindenoper mit 3,5 Millionen Mark zusätzlicher Geldspritze, mit 200 Millionen sorgt er dort für den Ankauf der Berggruenschen Kunstsammlung, die der Mäzen der Stadt Berlin auf zehn Jahre geliehen hatte. Es ist dies die wohl schönere Seite eines ministeriellen Berufslebens. Aber auch ein Gärtner aus Liebe muss außer Wasser spenden zuweilen ein wenig andere Landschaftspflege betreiben, wenn die Kulturen in Deutschland dauerhaft blühen sollen. Im Moment schaut es so aus, als ob Naumann ein barockes Gartenmodell bevorzugt, wie wir es in seinen schönsten Ausprägungen im Park von Potsdam-Sanssouci bewundern können. Hier ein wenig zurückschneiden, dort ein bissel gestaltend eingreifen.

Durch solcherart Mäzenatentum wertet man schließlich nicht nur sich, sondern auch sein vorher schlecht bestelltes Amt auf, das man 1998 unter Schröder zur Ausgestaltung bekommen hat. Durch die gezielten Geldofferten macht Michael Naumann Politik, die auffällt. Er zwingt durch derlei überraschende Generosität beispielsweise das Land Berlin zu einem zähneknirschenden Dankeschön. "Was jetzt passiert, markiert eine echte Wende der Hauptstadtkulturpolitik der Bundesregierung", sagte Kultursenator Christoph Stölzl in einem Zeitungsinterview. Gleichzeitig versuchte er, der Regierung eine Mitverantwortung für die leidende Opernwelt der Stadt einzureden. Dem Staatsminister muss man jedoch zugute halten, dass es in der Hauptstadt allemal nützlich ist, den dortigen Lokalpolitikern, denen durch Jahrzehnte subventionierten Handelns ein wenig die geistige Frische fehlt, die Geschäfte auch nur für einen kurzen Moment aus der Hand zu nehmen. Allzu häufig hat der Senat die vom Bund für die Unterstützung des Berliner Kulturlebens zur Verfügung gestellten Mittel als Füllmasse von Haushaltslöchern zweckentfremdet. Dadurch wird der Staatsminister, der die Kulturhoheit der Länder unlängst als Verfassungsfolklore bewertete, in die Lage versetzt, für seine jeweiligen milden Gaben den Adressaten selbst zu bestimmen. Kulturpolitik, ob vom Bund oder von den Ländern, wird man auf diese Weise jedoch nicht betreiben können.

Weshalb es dringend erforderlich scheint, das Portemonnaie für einen Moment in der Tasche zu lassen und ein wenig über den Inhalt dessen nachzudenken, was man künftig mitverantworten will. Wer Länderhoheit als Folklore missverstehen möchte, könnte vielleicht als nächstes die Asylgesetzgebung als Volkstanz beschreiben. In Zeiten konservativer Sehnsucht nach deutscher Leitkultur scheint es eher angebracht, jenen rationalen Diskurs über die Aufgaben der Kunst aufzunehmen, von dessen Notwendigkeit Michael Naumann gerade erst gesprochen hat. Wir denken dabei gern an den hübschen Spruch "Kultur ist schön, macht aber viel Arbeit". Schon Voltaire verstand den Fortschritt der Weltgeschichte als Kampf der Menschheit um Wissen und Bildung. In seinem anonym erschienenen Roman Candide oder der Optimismus, in dem der Held und seine Weggenossen stets Opfer der Zeitverhältnisse werden, lautet die Schlussbotschaft: Selbst nach dem Rechten sehen! Candide sagt: "Wir müssen unseren Garten bestellen." Aber das weiß der gebildete Minister natürlich selbst.

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