Als der Schriftsteller Ernst Wiechert 1938 auf Betreiben von Goebbels in das Konzentrationslager Buchenwald kam, half ihm ein kommunistischer Straßenbahnfahrer aus Saarbrücken, die Hölle zu überleben. Wiechert hat ihm und anderen Mithäftlingen gleicher Denkungsart in seinem kurz nach dem Krieg erschienenen Bericht Der Totenwald ein dankbares Denkmal gesetzt. Das Buch kam 1947 beim Berliner Aufbau-Verlag heraus und durfte später jahrzehntelang in der DDR nicht erscheinen, weil Wiechert eine Unperson war. Vielleicht hätte der Autor auch heute Schwierigkeiten, sich an seine kommunistischen Leidensgenossen öffentlich zu erinnern. Gerade haben Berliner Kommunalpolitiker von CDU und SPD laut darüber nachgedacht, einige nach kommunistischen Widerstandskämpfern benannte Straßen historisch zu entsorgen, also umzubenennen. Es geht um Karl Kunger, Ernst Schneller und Alfred Grünberg, die sämtlich während des Zweiten Weltkrieges unter dem Fallbeil starben. Man scheint ihnen vorzuwerfen, dass sie keine Chance hatten, im Nachkriegsdeutschland ihre politische Läuterung vom Kommunismus zu vollziehen. Wie beispielsweise Robert Havemann, der sein Nazi-Todesurteil überlebte, in den fünfziger Jahren vom Stalinisten zum Systemkritiker wurde und heute ohne jedes Bedenken zu Recht für sein tapferes Leben geehrt wird. Was haben die anderen verbrochen, dass man ihnen die öffentliche Ehre abspricht? Und was von den Politikern so natürlich in Abrede gestellt wird. Auch der Filmemacher Konrad Wolf, dessen Name die Potsdam-Babelsberger Filmhochschule trägt, soll, wenn es nach dem Willen des Brandenburger Kulturministers Wolfgang Hackel (CDU) geht, aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwinden. Hackel findet ihn "international nicht bekannt genug". Vielleicht hält er Leni Riefenstahl oder Marika Rökk für bekannter und deshalb zu einer Namensgebung besser geeignet. Stoff für Blamagen gibt es reichlich. Es scheint, dass in Deutschland wieder um Dinge gestritten wird, die seit Jahrzehnten unstrittig waren. So hat die Vorsitzende der Vetriebenenverbände, die Bundestagsabgeordnete der CDU, Erika Steinbach, dieser Tage mitgeteilt, sie fände es unbedenklich, wenn namhafte Parteifreunde wie der CDU-Fraktionsvorsitzende im Parlament von Baden-Württemberg öffentlich die erste Strophe des Deutschlandliedes singen. Mitglieder der Jungen Union in Berlin zeigen CDU-Provinzlern stolz den Prenzlauer Berg mit den Worten:"Das hier ist die Danziger Straße, die hieß mal Dimitroff. Die haben wir abgeschafft. Wer Ostpreußen nicht mehr kennt, kann es hier wieder kennenlernen." Mal abgesehen, dass die historischen Kenntnisse der Jungkonservativen eher vage sind, weil Danzig in Westpreußen lag, scheint es logisch, dass geköpfte Kommunisten so ein Geschichtsbild stören. Und dass sie keinen Platz mehr im Gedächtnis der Stadt benötigen. Kunger, Grünberg und Schneller ebenso wie Wolf oder Dimitroff, der beim Reichstagsbrandprozess Göring ins Schwitzen brachte.
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