Problemfilm is over, für den Moment. Migration und Integration sind in dieser Saison Komödienmaterial, und zwar aus migrantischer Perspektive. Drei Varianten laufen gerade im Kino, jede schlägt einem auf ihre Art das ideologiekritische Besteck aus der Hand: Saudumm die eine, freundlich und brav die andere und viel mehr gewollt als gekonnt die dritte.
Die Mamba ist eine deutsch-österreichische Agentenklamotte, ihr Titelheld ein pummeliger, aber sehr kompetenter Killer mit Stimmhöhen- und Doppelgängerproblem. Sein Ebenbild, ein tollpatschiger Sounddesigner belutschistanischer Herkunft, gerät verwechslungshalber in die Wirren der Auftragsmordszene und die Fänge einer balzwütigen Agentin namens Sherazade (Melika Foroutan). Gespielt werden der Killer und sein Double vom eigentlich begabten österreichischen Kabarettisten Michael Niavarani. Fürs deutsche Publikum hampelt Christoph Maria Herbst glücklos durchs Bild. Kein Witz zündet, auch dann nicht, wenn er bei den Marx Brothers geklaut ist.
Regisseur Ali Samadi Ahadi (Salami Aleikum) und Niavarani liefern, was die Welt nicht gebraucht hat: einen würdigen, von keinem aufgeklärten Gedanken angekränkelten Nachfolger von Didi Hallervordens Didi – der Doppelgänger. Eine wirklich grausame Sache.
Weiter nach Hamburg. Hier will Hatice (Idil Üner) eines sicher nicht: einen Türken als Mann. Zwar wirkt Stefan hinreichend deutsch, kurz vorm Besuch von Hatices Familie aber offenbart er überraschend seine möchtegerntürkische Seele: Der „Vaterrock“, in den sie beim Besuch schlüpft, stehe ihr besser als der kurze.
Ja, aber
Da fliegt er raus, und Hatice, mit 34 fürs Heiraten überfällig, steht wieder ohne Mann vorm Reihenhaus in Salzgitter. Für den Vater, Patriarch mit goldenem Herzen, kamen einst nur Türken in Frage, nun nähme er jeden. Anpassung der ersten Generation an die Gastlandkultur heißt hier: Der Vater findet sich ab und grillt stoisch die Lammwurst im Garten. Die Mutter moduliert den Konflikt im Privaten, als Herrin in Hinterzimmer und Küche. Und in der zweiten Generation wird gegen die Herkunftskultur durch einerseits Überanpassung ans Deutsche, andererseits Gehorsam gegenüber dem inneren anatolischen Dorf rebelliert. Wobei das Dorf immer mal wieder als projizierte Bonsai-Mischpoke Gestalt annimmt und, nur zum Beispiel, vorehelichen Sex unterbindet.
Einmal Hans mit scharfer Soße (NDR, Arte) ist nicht angelegt als die Tragödie, die gerade so ausbleibt, sondern als penetranter Versöhnungswunsch mit immer absehbar glücklichem Ausgang. Heraus kommt eine Erzählung, die an allen Ecken und Enden Kompromisse produziert: Kopftuch ja, aber als Modestatement. Gleichberechtigung ja, aber wenn im Restaurant die Rechnung geteilt wird, ist das dann doch kulturloses „deutsch bezahlen“. Gegen Patriarchat, Zwang und Regel und Vorschrift wird nicht rebelliert, es geht um Strategien der Modifikation.
So könnte Ali, der neue Mann für Kultur und Medien in Hatices Zeitschriftenredaktion, der sein, auf den es hinausläuft: Er tritt smart und weltläufig auf, kennt aber das Problem mit dem anatolischen Dorf, das man in der deutschen Großstadt nicht loswird. Regisseurin Buket Alakus setzt das ohne künstlerische Ambitionen in Szene, nach Hatice Akyüns recht autobiografischem Buch, das die Drehbuchveteranin Ruth Toma (Solino) auf fernsehfilmtauglich poliert hat: eine konsenswütige mittelschichttürkische Anpassungsfantasie.
Willkommen bei Habib (SWR) schließlich sucht in Stuttgart subtilere Realismusregister, findet sie aber nicht. Habib ist ein Herkunftsverdränger, an einem charmefreien Flecken der Stadt zwischen Hochhaus und Verkehr hat er seinen Imbiss. Die idyllische Türkeimalerei an der Wand ist hinter einer Backsteintapete zum Verschwinden gebracht – und so oder ähnlich trampelt das Buch auch sonst durchs Feld migrantischer (und nichtmigrantischer) Signifikanten. Dafür ist es vollgestopft mit Haupt- und Nebenschicksalen wie Döner mit alles.
Vorsicht, Spoiler
Der Sohn hat Frau, Geliebte, Kind, Schulden, liebt aber den Sonnenaufgang über Stuttgart. Außerdem fällt ein Erfolgsunternehmer (Thorsten Merten) die Karriereleiter herunter und klettert dann auf eine Laterne hinauf. Am Ende seines Crashkurses in Demut serviert er in Habibs Lokal Döner. Gerade noch gefehlt hat ein alter Herr mit Tochterproblem. Der stirbt (Vorsicht, Spoiler!) rechtzeitig fürs herzergreifende Schlussbild, das der oft herausragende Kameramann Bernhard Keller ins warme, leicht milchige Licht taucht, das im Film herrscht, ihn aber nicht rettet.
Dreimal heiteres Deutschländerkino mit Hängen und Würgen. Schlimm und bieder mit Fernsehfilmfördergeldambitionen. Schlimmer und dümmer mit Kommerzabsicht im Herzen. Hätte nie gedacht, dass ich mal sage: Ich will den verquälten Problemfilm zurück.
Die Mamba Ali Samadi Ahadi Österreich/ Deutschland 2013, 96 Min., Start: 3. Juli Einmal Hans mit scharfer Soße Buket Alakus Deutschland 2013, 96 Min., bereits angelaufen Willkommen bei Habib Michael Baumann Deutschland 2013, 115 Min., bereits angelaufen
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