Joschka Fischers Angriff auf die Partei struktur unmittelbar vor der Sachsen-Wahl scheint ein halsbrecherisches Ablenkungsmanöver gewesen zu sein. Im merhin geeignet, die Strategie hin zur FDP-isierung der Partei aus der Erklärung der Niederlagen der jüngsten Zeit herauszuhalten. Ein Symptom dafür, dass sich auch scheinbar Erfolgreiche noch nicht auf absolut sicherem Terrain wähnen, die Grünen also in zwei angeschlagene Lager zerfallen.
Jede Strömung muss ihr spezifisches Scheitern erklären: Die Realos gewinnen zwar keine Wahlen, haben aber innerparteilich gesiegt. Das macht ihre Situation kompliziert und für die Partei gefährlich. Es ist nicht einfach, einen Kurswechsel einzuleiten, wenn man, noch dazu als Teil der Regierung, die eigene pro
eigene programmatische Linie innerparteilich durchsetzen kann, aber - das lehrt das Beispiel der FDP - den linken Flügel doch braucht, um für den Wähler attraktiv zu sein. Dieser Flügel kann sein Überleben nicht nur auf polittaktische Vernunft gründen. Die Befürworter einer solchen Strategie müssen also einen Kurs finden, der ihnen nicht nur beiläufige Zustimmung, sondern auch auszählbare Stimmen bringt. Der Ausbruch der Krise wäre kaum noch zu verhindern, wenn bei den nächsten Landtagswahlen nicht wenigstens ein kleiner Erfolg erzielt wird, um unter dem Motto: ÂDas sind die ersten Früchte der neuen Strategie weitermachen zu können. Die Chancen dafür stehen mit Berlin nicht allzu schlecht.Die Linken aber konnten kein politisches Kapital aus dem Wählervotum gegen die konkreten grünen Politikangebote schlagen, sie mussten ihr eigenes - innerparteiliches - Scheitern verarbeiten. Anfang Oktober versuchten sie in Berlin, zum zweiten Mal nach dem Bielefelder Parteitag, Boden unter die Füße zu kriegen. Der erste Versuch vor einigen Wochen in Dortmund endete im Eklat. Nun diskutierte man über eine Zukunft innerhalb der Grünen.Und obwohl sie es auf den ersten Blick einfacher als die Realos haben - sie waren in den letzten Monaten ins Abseits gestellt und sind damit zunächst aus der Verantwortung für schlechte Wahlergebnisse entlassen - konnte der entstandene Freiraum für eine Aufarbeitung nicht genutzt werden. Statt die eigenen Positionen zu hinterfragen, wurde nur beklagt, dass man in der Partei nichts mehr zu sagen habe. (An-)Klage war vorherrschende Diktion der Reden. Die politische Kultur sei verkommen, hieß es. Die Realos hätten den produktiven Spannungsbogen zwischen den Lagern zerstört, indem sie den besseren Zugang zu Ämtern und Macht ausgenutzt hätten. Und dadurch sei ein Gleichgewicht zerstört, von dem die Partei gelebt habe.Die Aufforderung an das andere Lager, Machtpositionen nicht auszunutzen, kennzeichnet die Schwäche der Linken, ohne sie erklären zu können. Was sollen Politiker anderes tun, als für ihre Positionen zu streiten?Zwar bemühten sich einige Teilnehmer, kämpferische Reden zu halten und Klartext zu reden. Man wolle die eigene Professionalität stärken, einen besseren Medienzugang entwickeln, den Kontakt zu den Ânatürlichen Bündnispartnern außerhalb der Partei stärken, ernsthaft prüfen, ob Frauenrechte wirklich vertreten würden. Aber so richtig überzeugend war dieses ÂJetzt geht's los nicht. Dafür war zuwenig Erklärung, zuviel altbekannter Vorsatz in den Beiträgen. Rückwärtsgewandt war auch der Versuch einer Wiederbelebung der Geschlossenheit des linken Lagers, aus dem heraus dann die Mehrheitsbildung innerhalb der Partei soweit wie möglich nach links getrieben werden solle. Das klang nach Auferstehung des Babelsberger Kreises. Aber die mit diesem Namen verbundene Strategie funktioniert nur bei etwa gleich starken Lagern. Bei der jetzigen Kräftekonstellation könnte sich ein Dilemma ergeben: Die Linke in der Minderheit muss auf die Dauer inhaltliche Kompromisse gegenüber rechts machen - vor allem aber entsprechende Politik aktiv mittragen -, was dann am linken Rand Enttäuschungen und Abspaltungen zur Folge hätte. Längerfristig würde die Position der Linken durch Mitgliederschwund weiter geschwächt und die Kompromisslinie immer weiter nach rechts gerückt. Ein Teufelskreis. Dem man vor allem dann nicht entgehen kann, wenn links von den Grünen eine parteipolitische Alternative besteht.Allerdings war für die meisten Anwesenden die Alternative, Ârobuste Minderheit zu sein, keine Perspektive. Ein entsprechender Antrag wurde jedenfalls deutlich abgelehnt.Der Anspruch, einerseits die parteipolitische Entwicklung wirkungsvoll beeinflussen zu können, ohne andererseits an Zugkraft und Bindungsfähigkeit einzubüßen, lässt sich wohl nur über eine inhaltliche Erneuerung lösen. Diese Erkenntnis fand ihren Ausdruck weniger in den gesprochenen Beiträgen als vielmehr in der Abschlussresolution. Die Entwicklung einer linken Programmatik soll nämlich nicht nur den inhaltlichen Spannungsbogen der Partei wieder herstellen, der ihr Glaubwürdigkeit zurückgibt, sie soll auch, so der Vorsatz, das Lagerdenken überwinden. Ein Drittel der Resolution ist dieser Frage gewidmet. Die inhaltliche Debatte verlief allerdings in traditionellen Bahnen. Statt befruchtender Thesen oder überraschender Öffnungen findet man, unter anderem in den Ausführungen über die Haushaltspolitik, nur die üblichen Phrasen: Dass man nicht gegen Sparen sei, aber gegen eine technokratische Sparpolitik der sozialen Kälte. Diese undurchdringlichen Formelhaftigkeit signalisiert nicht Aufbruch, sondern Abarbeiten an einer Betonmentalität. Will man nun eine Verschuldung oder nicht? Wenn es den grünen Linken mit der Erneuerung der Programmatik wirklich ernst ist, dann sind sie hinter ihren eigenen Ansprüchen zurückgeblieben. Sie haben die Sprache der Blockbildung und damit die Blockbildung selbst nicht überwinden können.