Zeitungsleser

KOLUMNE Zeit

Die Zeit erscheint mit einer farbig gedruckten Beilage, die "Leben" heißt, in Berlin hergestellt wird und dazu beitragen soll, die Auflage zu erhöhen.

In der Osterausgabe der Zeit hieß "Leben" sogar "besser leben", und von den insgesamt 16 Seiten der Beilage sind 12 für 65 Fragen und Antworten aufgewendet worden. Für diese hat die Redaktion die jeweils passenden Experten bemüht, angefangen mit Edgar Otte, Fashion Director der deutschen Vogue. Er hatte die Frage zu beantworten, "welche zehn Kleidungsstücke und Acessoires muss eine Frau in dieser Saison im Schrank haben?" Dieses "muss" lässt erkennen, dass die Fragen an noch besser verdienende Zeit-Leser gerichtet sind.

Frage: "Wie spreche ich eine Frau an einer Bushaltestelle an?" Rolf Eden, Playboy, "Disco-King" (was das wohl ist?), antwortete: "Ich fahre sehr selten Bus, aber ich halte manchmal mit meinem Rolls an der Haltestelle und sage: "Sie haben's doch nicht nötig, Bus zu fahren, kann ich Sie wohin bringen?"

Frage: "Wie gibt es beim Fensterputzen keine Streifen?" Unsere Zugehfrau, sie kommt einmal in der Woche, putzt die Fenster, ohne dass es Streifen gibt und ohne dass sie von Peter Pick, Fensterreinigung, Berlin, belehrt worden wäre.

Frage: "Welche zehn Wörter sollten Sie aus Ihrem Wortschatz streichen?" Der "meistgelesene Stillehrer deutscher Sprache, Wolf Schneider", (ich habe ihn nicht gelesen!), listet zehn Wörter auf, beginnend mit "Aktivitäten" bis "Vergangenheitsbewältigung". Hm.

Gibt es überhaupt keine Frage, die mit meinem Alltag etwas zu tun hat? Doch: "Wie bohre ich gezielt ein Loch durch eine Kachel?" Wer eine Bohrmaschine mit verstellbarer Drehgeschwindigkeit hat, braucht diesen Ratschlag nicht zu befolgen. Ich aber werde "einen Streifen Tesafilm über die Stelle kleben, in die das Loch gebohrt werden soll". Bravo! Was für ein guter Rat, gegeben von Klaus Mettler, Seminarleiter bei der Deutschen Heimwerker-Akademie. Donnerwetter, wofür es doch Akademien gibt!

Die letzte Frage: "Was muss ich tun, damit mir nicht immer erst hinterher die richtige Antwort einfällt?" Für dieses Phänomen wäre die französische Redewendung "esprit d'oscalier" fällig gewesen, aber dafür reichte der Bildungsvorrat weder der Erfinder dieses Frage-Antwort-Spiels aus, noch der Antwort gebenden Psychologen Heinz-Joachim Feuerstein und Dieter Müller, Experten der "Focusing-Technik", mit der man "seine Gefühle besser verstehen lernen kann". Schwer zu sagen, was besser verstandene Gefühle mit intellektueller Präsenz zu tun haben.

Der Zeit-Leser konnte sich jedoch von dem Klatschkolumnisten Michael Graeter, hier Gesellschaftsjournalist genannt, darüber belehren lassen, wer "meine Tischdame sei, die Frau, die links oder rechts von mir sitzt?" Wissen Sie es? Das "bessere Leben" lesen!

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