Sie nehmen alles in Kauf: Spott, Beleidigungen, Drohungen, Festnahmen und Gefängnis. Sie sind Journalistinnen in einem von Männern und Geistlichen regierten Land namens Iran. Deshalb tragen sie Tschador oder Kopftuch. Manche aus Überzeugung und manche, weil sie ohne Kopfbedeckung ihre journalistische Arbeit nicht ausüben dürfen. Trotzdem versuchen sie wie die Kolleginnen in anderen Ländern, ihren beruflichen Anforderungen gerecht zu werden. Keine leichte Aufgabe. Denn ihnen wird, im Gegensatz zu vielen ihrer Kolleginnen, das Grundrecht der Meinungsfreiheit grundsätzlich nicht gewährt. Die Korrektheit des Geschriebenen wird hauptsächlich nach zwei Kriterien bewertet: Islam und Politik im engeren Sinne. Selbst diese Maßstäbe werden willkürlich ausgelegt. Das Fatale ist, dass in diesem Land fast alles (nicht nur die gesellschaftlichen Themen und sozialen Probleme, sondern auch Sport oder Freizeitbeschäftigung) Berührungspunkte mit dem Islam und der Politik haben. Die Themen, die Journalistinnen in Frauenzeitschriften behandeln und die eine lange Zeit nach der Revolution von 1979 als relativ unpolitisch galten, sind nun auch keine Ausnahme mehr.
Dennoch ist es den iranischen Journalistinnen gelungen, den sozialen Wandel der letzten Jahre zu prägen. Ihr relativer Erfolg liegt an der starken Unterstützung der Frauen und Jugendlichen, die den Reformkurs des Präsidenten Khatami gegen die Hardliner vorantreiben. Denn in diesem Land prallen seit der islamischen Revolution widersprüchliche politische und soziale Modelle aus verschiedenen Jahrhunderten aufeinander: Ein demokratisch gewählter Gottesstaat kämpft für seine weitere Legitimation gegen die unkonventionell organisierte Bürgerrechtsbewegung. Die erste Gruppe behaart auf Umsetzung der göttlichen Gesetze. Die letztere strebt die offizielle Anerkennung der irdischen Menschenrechte an. Dass in dieser ungleichen Auseinandersetzung (zuungunsten der Reformen) vor allem die Frauenrechte ignoriert und vernachlässigt werden, macht den Kampf der Frauen schwieriger und komplizierter.
Wie kompliziert er ist, versteht man besser nach der Lektüre von Lise J. Abids gründlich recherchiertem Buch Journalistinnen im Tschador. Die Autorin hat viele Jahre über die Situation der im Mediensektor tätigen Frauen und die gesellschaftspolitischen Themen in der iranischen Frauenpresse detailliert recherchiert. Sie stellt fest, dass Feminismus (ein umstrittenes Thema) sehr oft in fast allen iranischen Frauenzeitschriften behandelt wird. Erstaunlich ist, dass eine heute als konservativ-konventionell geltende Zeitschrift wie Zan e ruz, übersetzt: Die Frau von heute Anfang der neunziger Jahre mit folgender Debatte anfing: Die Serie Adam und Eva - ein Paar ohne Überlegenheit war in dieser Zeit eine der am meisten gelesenen Seiten von Zan e ruz. In den Beiträgen wurden die auf Frauen bezogenen Suren im Koran "aus der Frauensicht" interpretiert und die im heiligen Buch betonte Dominanz des Mannes als seine Fürsorgepflicht und Verantwortung ausgelegt!
Lise j. Abid bezeichnet in ihrem Buch die Frauenzeitschrift Zanan als ein feministisches Magazin, obwohl sich die Redaktion dieser Publikation selbst nie als feministisch bezeichnet hat. Die Autorin stützt sich auf das Ergebnis einer durchgeführten Umfrage im Jahre 1995: 77 Prozent der befragten LeserInnen halten die Zeitschrift für feministisch. Obwohl Zanan für die Gleichheit von Frau und Mann eintritt, grenzt sie sich doch explizit vom westlichen Feminismus ab. "Die Redaktion argumentiert, dass Gleichheit ein fundamentales Prinzip des Islam sei, und wenn es Regeln gäbe, die der Gleichheit der Geschlechter entgegenstehen, so sei dies ein Produkt patriarchaler Verhältnisse, die nicht mit dem Islam zu tun hätten", zitiert die Autorin die Zanan-Redaktion.
Im letzten Kapitel setzt sich Lise Abid mit dem Thema: Die iranischen Frauenzeitschriften in den Augen ihrer LeserInnen auseinander. Basierend auf Fragebögen recherchiert sie die Frage, ob diese Zeitschriften die öffentliche Meinung zugunsten der Frauen beeinflussen und in der Folge zu gesellschaftlichen Veränderungen beitragen können. Der Autorin ist sich dessen bewusst, dass die Aussagekraft von Leserumfragen unter den gegebenen Verhältnissen beschränkt ist. "Eine repräsentative statistische Erhebung konnte von vornherein nicht das Ziel sein." Dennoch lässt die ausführliche Umfrageauswertung die Schlussfolgerung zu, dass die iranischen Frauenzeitschriften bis in die Familien hinein wirken, was in der Gesellschaft ein größeres Problembewusstsein für Frauenanliegen fördert. Ein Verdienst der Frauenzeitschriften ist, dass die Frauenthemen nun nicht mehr ausschließlich in den Frauenpresse, sondern in fast allen iranischen Medien diskutiert werden.
Lise J. Abid: Journalistinnen im Tschador- Frauen und Gesellschaftlicher Aufbruch im Iran. Brandes Apsel / Südwind Verlag, Frankfurt am Main 2001, 191 S., 29,81 DM
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