Markus Beckedahl ist eigentlich kein großer Fan von Petitionen. Aber jetzt hat er doch noch eine gestartet. Der Internet-Aktivist warnt darin vor einem „Zweiklassennetz“ und sieht „die Meinungsfreiheit und Vielfalt in Gefahr“. Was ist passiert? Die Bundesregierung hat ihre Position zur sogenannten Netzneutralität veröffentlicht, weil das Thema gerade auf europäischer Ebene verhandelt wird. Das Prinzip der Netzneutralität besagt eigentlich, dass im Internet alle Datenpakete gleich schnell befördert werden – und sich niemand auf Kosten der anderen ein Sonderrecht kaufen kann. Vor dem Internet sollen alle gleich sein und gleich schnell surfen können. Doch die Regierung will die Bürger täuschen. Sie spricht unentwegt von Netzneutralität und bastelt derweil an deren Abschaffung.
Aber auch die Kritiker liegen falsch, wenn sie sich an das Prinzip der Netzneutralität klammern. Stattdessen sollten sie darüber nachdenken, wie sich ein Grundrecht auf freien Internetzugang für alle Menschen anderweitig sicherstellen lässt. Und ob das Netz mit all seinen Datenleitungen weiterhin privaten Konzernen gehören sollte.
Die Regierung ist von solchen Überlegungen weit entfernt. Kanzlerin Angela Merkel irritierte vielmehr die Öffentlichkeit vor wenigen Tagen bei einer Veranstaltung des Vodafone-Konzerns. Die Süddeutsche Zeitung berichtete, Merkel habe sich dort für die „Abschaffung der Netzneutralität“ ausgesprochen, selbst die Deutsche Presse-Agentur – immer um vorsichtige Formulierungen bemüht – spricht von einer „Aufweichung des Prinzips“. Doch es war angeblich ganz anders, wie man am Folgetag in der Bundespressekonferenz hörte. Frage des Journalisten: „Warum ist die Kanzlerin gegen Netzneutralität?“ Antwort des Regierungssprechers: „Die Kanzlerin ist nicht gegen Netzneutralität.“
Neusprech der Regierung
Aber wie hätten die Journalisten das wissen sollen? Merkel selbst hatte doch davon gesprochen, dass künftig fahrerlose Autos und die Telemedizin „berechenbare Qualitätsstandards“ benötigten. „Deshalb brauchen wir beides, das freie Internet und das qualitätssichere Internet für Spezialdienste.“ Bestimmte Dienste sollen bei der Datenübertragung also Ausnahmerechte bekommen, die Botschaft ist eindeutig. Im Koalitionsvertrag steht zwar, dass die Netzneutralität im Gesetz verankert wird. Damit das Regierungshandeln aber nicht zu offensichtlich dagegen verstößt, hat sich die Koalition nun ein Täuschungsmanöver ausgedacht: Es gibt ab sofort zwei Systeme, ein Spezialnetz und ein „offenes Internet“. Die Netzneutralität soll nur für Letzteres gelten. Die Journalisten müssen sich an den Neusprech erst noch gewöhnen.
Am Tag der Pressekonferenz hat die Regierung auch ihre Position zu den europäischen Verhandlungen über Netzneutralität bekannt gegeben. Netz-Aktivisten sehen sich in ihren Befürchtungen bestätigt: Inhalteanbieter wie Youtube könnten sich zu Spezialdiensten erklären, sie zahlen dann bei den Netzbetreibern für eine schnellere Datenübertragung und geben die Kosten an die Nutzer weiter. Die Folge: Nur wer Geld hat, kann Videos gucken. Der Verein „Digitale Gesellschaft“ kritisiert, dass die vorgeschlagene Definition der Spezialdienste sehr weit gefasst sei. Man sollte diese einschränken: Nur wenn es technisch nicht möglich ist, bestimmte Angebote über das offene Internet zu erbringen, dürfen diese als Spezialdienst gelten. Grundsätzlich kämpft der Verein aber für eine echte Netzneutralität.
Aber ist so eine Position verantwortbar, wenn sie die Entwicklung der Telemedizin behindert? Darf man schnellere Datenübertragung verbieten, wenn Operationen über das Internet durchgeführt werden und es um Leben und Tod geht? Markus Beckedahl, der in der „Digitalen Gesellschaft“ aktiv ist, verweist darauf, dass das Netz vor allem „auf den letzten Metern nach Hause“ überlastet sei. Es gehe also in erster Linie um die Leitungen zu den Privathaushalten und nicht um die großen Kabel für die Telemedizin. Zudem sollte für besonders sichere Verbindungen über physikalisch getrennte Leitungen nachgedacht werden, sagt Beckedahl. Nicht auszudenken, was passiert, wenn ein Router im normalen Internet ausfällt und deswegen eine lebenswichtige Operation schiefgeht.
Trotzdem liegen Beckedahl und seine Mitstreiter falsch: Es mag sein, dass die Netzneutralität für die Telemedizin nicht unbedingt aufgehoben werden muss. Zudem könnte man sicher eine Regel finden, die sicherheitskritische Dienste bevorzugt, besonders zahlungskräftige Anbieter aber nicht. Dennoch: Etwas Markt ist nicht verkehrt. Ohne Netzneutralität könnten passionierte Computerspieler gegen Aufpreis noch bessere Bilder bekommen, wenn sie wollen. Und wer das Internet nur nutzt, um E-Mails zu schreiben, kommt billiger davon. Faire Kostenteilung, so sieht das Verursacherprinzip aus. Die Sorge vor höheren Kosten nach dem Ende der Netzneutralität ist unbegründet: Die Gesamtkosten für den Netzbetrieb bleiben schließlich gleich, sie werden auf die Nutzer umgelegt. Was sich ändert, ist die Aufteilung: Wie viel Geld zahle ich für den Onlinezugang, wie viel für Datenmenge und Geschwindigkeit?
Oft wird die Netzneutralität am Beispiel eines Straßennetzes veranschaulicht: Bisher können alle gleich schnell fahren, bald könnte es Überholspur und Stau geben. Doch dieses Bild ist nicht ganz richtig, schließlich gibt es bereits jetzt schnelle und langsame Internetleitungen, man denke an den Unterschied zwischen Stadt und Land. Es gibt also – um im Bild zu bleiben – heute schon ganz verschiedene Straßen. Die Frage ist, ob es unterschiedliche Autos geben soll, die je nach Ziel verschieden schnell fahren. Mancher braucht vielleicht einen flotten und teuren Pkw, die andere ist möglicherweise mit einem langsamen Wagen zufrieden. Was ist daran so schlimm?
Zweiklassennetz? Schon da!
Natürlich muss man aufpassen, dass die Ungleichheit nicht zu groß wird, dass ein guter Internetzugang nicht für ärmere Leute unerschwinglich wird. Das Problem wäre dann aber nicht die fehlende Netzneutralität, sondern die ungerechte Geldverteilung. Selbst wenn man den Internetzugang zu einem Menschenrecht erklärt, auf den jeder einen Anspruch hat wie auf Ernährung, ist das noch etwas anderes als Netzneutralität. Brot gibt es auch in unterschiedlicher Qualität und zu unterschiedlichen Preisen. Der Staat muss dafür sorgen, dass alle Menschen satt werden, aber einen Einheitspreis für Brot muss er nicht festlegen.
Was ist mit der Pressevielfalt? Fehlt alternativen Nachrichtenportalen das Geld, um ihre Inhalte schnell an die Nutzer zu liefern? Sie könnten einfach eine datensparsame Webseite anbieten. Das wäre wohl das geringste Problem – verglichen mit den ungleichen finanziellen Möglichkeiten, durch Eigenwerbung auf sich aufmerksam zu machen und so Leser zu locken.
Auch Datenschutzbedenken dürften sich ausräumen lassen. Schließlich müssen nicht alle Datenpakete geöffnet werden, bevor sie auf die Überholspur geschickt werden. Ein kurzer Signalcode zu Beginn der Übertragung genügt. Ein Brief kommt schließlich auch mit einer Briefmarke aus.
Und wenn vor einem Zweiklassennetz gewarnt wird, muss man über den schleppenden Breitbandausbau in ländlichen Regionen reden. Noch immer fehlt vielerorts das schnelle Internet, die digitale Spaltung ist Realität. Solange aber private Firmen zuständig sind, wird sich daran nicht viel ändern. Sie bauen nur dort aus, wo es sich lohnt. Daher muss der Staat die Netze übernehmen. Das wäre mal eine gute Forderung für die Internet-Aktivisten.
Hinweis: In einem Satz wurde ein Halbsatz ergänzt, um zu verdeutlichen, dass es bereits jetzt für Internetnutzer die Möglichkeit gibt, verschiedene Internetzugänge mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten zu kaufen. Das Neue wäre, dass die Geschwindigkeit auch vom Internetangebot abhängt, das genutzt wird: "Die Frage ist, ob es unterschiedliche Autos geben soll, die je nach Ziel verschieden schnell fahren."
Kommentare 17
Tut mir Leid, Herr Werdermann, aber bei diesem Artikel haben Sie sich wohl in einigen der ganz langsamen Windungen ihres persönlichen Neurales Netzes verirrt. Ihre Konklusion geht in die Richtung: Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht! Nun, auch diese Überzeugung darf man selbstverständlich vertreten.
Ansonsten ist ihre Aufreihung von Gedanken - Argumentation kann man dies eher nicht nennen - von bemerkenswerter Unkenntnis der Informations- und Telekommunikationstechnologien, ihrer gesellschaftlichen Implikationen, der datenschutzrechtlichen Prinzipien, von Marktmechanismen, rechtlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Randbedingungen von Infrastruktur-Verstaatlichung und dem Sinn verfassungsmäßig verbriefter Rechte geprägt. Keine Sorge, Sie sind in guter Gesellschaft, in der Bundesregierung versteht auch kein Mensch etwas davon.
Vielleicht, sollten wir Ihre Ideen einfach mal auf einem anderen Experimentierfeld ausprobieren.
Meinungsfreiheit, wozu solch ein Grundrecht, die meisten haben doch sowieso nichts Wichtiges zu sagen. Außerdem gibt es Menschen, die ohne Stimmbänder geboren werden, müssen wir nicht erst denen helfen, bevor wir anderen erlauben dürfen, ihre Meinung zu äußern. Wer genug Geld hat, kann sich ja eine Zeitung kaufen und schreiben, was er will.
Unverletzlichkeit der Wohnung, wozu, wer nichts zu verbergen hat, braucht doch keine Angst vor der Polizei zu haben. Solange es Menschen gibt, die kein Dach über dem Kopf haben, können andere nicht einfach auf solch ein Recht bestehen. Verdient einfach mehr Geld, schafft euch Wachen, Hunde, Selbstschussanlagen an, dann kommt auch keiner bei euch rein.
Sie sehen, lieber Herr Werdermann, dass sich diese Form des uninformierten Populismus beliebig abstrus fortsetzen lässt. Es geht nicht um ein paar bebrillte Nerds und Onlinegamer es geht um eine Grundrechtsdiskussion und die sollte man wohlinformiert führen.
Sehr geehrter Herr Werdermann, leider zäumen Sie hier das Pferd von hinten auf. Netzneutralität hat nichts mit dem Unterschied zwischen dem E-Mail-schreibenden Renter und dem Dauer-Gamer zu tun. Diese unterschiedliche Nutzung lässt sich (wie im Mobilfunk üblich) in den Verträgen bereits jetzt ganz einfach nach Datenvolumen und Geschwindigkeit staffeln.
Bei Netzneutralität geht es darum, dass sich ansonsten Google mit seiner üppigen Portokasse immer und überall die beste Übertragungsgeschwindigkeit für Youtube-Videos reservieren kann. Wie soll aber jetzt ein neues Video-Startup jemals zu einem Konkurrenten werden, wenn dessen Videos nie die Geschwindigkeit von Youtube erreichen können? Weil sie wegen fehlender Netzneutralität künstlich ausgebremst werden?
Bereits jetzt wird bei den Verträgen unterschieden, aber die Differenzierung wäre ohne Netzneutralität noch größer. Also Gamer, die eine noch schnellere / sicherere Verbindung brauchen als heute üblich, könnten die dann kaufen.
Und das Video-Startup muss halt ein gutes Konzept haben, das Youtube voraus ist. Wobei man sich natürlich fragen kann, ob es überhaupt so viele verschiedene Videoplattformen geben muss, oder ob nicht eine öffentlich finanzierte Plattform reichen würde. Und dass Netzneutralität die Startups ausbremsen würde, naja. Ich frage mal so: Wie soll jetzt ein neues Video-Startup jemals zu einem Konkurrenten werden, wenn dieses Unternehmen nie soviel Werbung schalten kann wie Youtube? Und wer sagt denn, dass Startups nicht wie Google auch etwas Geld in eine höhere Übertragungsgeschwindigkeit investieren? Sie haben dann die gleichen Kosten wie Google und die gleiche Qualität. Und müssen sich durch irgendwas anderes von Youtube unterscheiden.
Erstens: Das beste Konzept hilft aber auch nichts, wenn man Google gegen sich hat. Angenommen, man würde es versuchen, dann müsste man also viel Qualität möglichst verlustfrei durch langsame Leitungen pressen. Dazu braucht es neue Algorithmen. Für neue, bessere Algorithmen braucht es gute Leute. Gute Leute kosten gutes Geld. Angenommen man hätte beides, dann müsste man diese Algorithmen in Software gießen und danach an die Nutzer verteilen, damit sie davon profitieren können. Das sieht dann so aus: Eine Seite, die ich nicht kenne, bittet mich, ein Plugin zu installieren, von dem ich noch nicht gehört habe. Klingt irgendwie ungeil, oder?
Zweitens: Ein öffentlich finanziertes Youtube? Ernsthaft? Von welcher Öffentlichkeit soll das bitte bezahlt werden? Der, die die Vereinten Nationen vertreten? Und die erheben dann eine YouTube-GEZ-Steuer? Oder zahlen dann die Staaten und wir hoffen mal, dass sie das Geld ohne Hintergedanken auf Einflussnahme bereitwillig abdrücken? Klingt auch nicht so geil, oder?
Also, Herr Werdermann, nochmal ganz von vorne. Bei der Diskussion um Netzneutralität geht es nicht darum, ob ihr Internetanschluss in der Redaktion schneller ist als der bei ihrer Oma hinterm Sofa. Es geht auch nicht darum, ob Ihre Großmutter einen schnelleren Anschluss will oder braucht.
Technisch betrachtet geht es um die Priorität, mit der Pakete je nach Herkunft oder Empfänger im Netz weitergeleitet werden. Sie können sich beim Freitag den schnellsten Server hinstellen und den teuersten Telekomanschluss leisten, wenn Google, Amazon und Bild Ihnen die Bandbreite im Netz wegkaufen, erfährt kein Mensch von Ihrem Artikel.
Marktwirtschaftlich betrachtet geht es um die Förderung von Monopolisten gegenüber dem Wirken von Angebot und Nachfrage. Der Onlinehändler mit Priorität im Netz verdrängt den kleinen Anbieter, bei dem die Eingabemasken mehrere Minuten zum Laden brauchen. Analog die Situation zwischen Bildzeitung und Freitag.
Gesellschaftlich geht es darum, ob wir eine Monopolisierung des Zugangs zu Informationen, Angeboten und Leistungen im Netz wollen, oder wir die Vielfalt im Netz als förderlich für unser Verständnis von Gesellschaft betrachten. Reichen uns EIN Nachrichtenportal, EIN Onlinehändler und EINE Sicht der Dinge, oder wollen wir doch eher selbst aus einer Vielfalt von Möglichkeiten auswählen können?
Politisch besteht gegenwärtig eine erhebliche Verwirrung hinsichtlich der Ziele, die unsere Gesellschaft im Internet verfolgen soll. Einerseits werden die Zerschlagung von Monopolen, Beispiel Google, und ähnliche Anti-Trust-Maßnahmen gefordert, gleichzeitig will man die Netzneutralität aufgeben und damit gerade diese Monopole stärken.
Sie sehen, es dreht sich um gesellschaftliche Grundsatz- und Grundrechtsentscheidungen, über die wir uns als Bürger eine informierte Meinung werden bilden müssen. Dazu hat Ihr Artikel aber noch nichts Wesentliches beigetragen.
Zum Vorschlag eines Staats-Internetzes: So etwas hatten wir einmal, es nannte sich Telekommunikationsmonopol. Wir haben auf nationaler und europäischer Ebene Gesetze beschlossen, die diesen Zustand beendeten und eine Rückkehr dahin ausschließen (zumindest ohne Revolution oder 3. WK). So Sie dies wollen, werden Sie ebenfalls eine Diskussion über Grundrechte führen müssen.
Deshalb meine Bitte, recherchieren Sie gründlicher, informieren Sie sich umfassender, auf dass wir den Unterschied zwischen Bildzeitung und Freitag noch wahrnehmen, solange Frau Merkel, Google und Co. dies noch gestatten.
Ja, Sie haben ja schon verschiedene Probleme für Startups beschrieben. Ich weiß nicht, warum ausgerechnet die Übertragungsgeschwindigkeit das entscheidende Problem sein soll. Vielleicht ist es sogar ein Vorteil, durch den sich die Konkurrenz von Youtube abgrenzen kann (das eingesparte Geld könnte sie bspw. in andere Dinge sprechen, die für manche Nutzer möglicherweise relevanter sind).
Und zum Themen öffentliches Youtube: https://www.freitag.de/autoren/felix-werdermann/die-lehren-aus-redtube
Das ist doch Quatsch, dass niemand von Artikeln auf freitag.de erfährt. Wenn hier riesige Datenmengen übertragen würden, würde es vielleicht ein bisschen länger dauern, aber dann würde sich der Freitag bemühen, die Datenmenge klein zu halten.
Und zum Internetanschluss bei meiner Oma hinterm Sofa: Darum geht es bei der Netzneutralität nicht, aber das wäre ein gutes Thema für die Leute, die sich Sorgen um Meinungsvielfalt machen. Es gibt nämlich Regionen in Deutschland, da können Sie nicht vernünftig Youtube angucken. Die Leute sind dann aufs analoge Fernsehen angewiesen, wo es bekanntermaßen weniger Sender gibt als im Internet.
Herr Werdermann, „dass niemand von Artikeln auf freitag.de erführe“ müsste es heißen. Ich versuchte, Ihnen ein fiktives, einfaches, klares Beispiel zu geben, um den Unterschied zwischen „Folgen der Abschaffung der Netzneutralität“ und Ihrer Forderung nach „schnellen Internetanschlüssen für alle“ zu verdeutlichen. Letzteres ist zweifelsfrei auch ein wichtiges Puzzleteil, hat aber mit dem Thema Netzneutralität rein gar nichts zu tun.
Es ist gerade einmal 20 Jahre her, da benötigte man zum Herunterladen von 1 MB an einem Firmenanschluss selbst abends leicht 10-15 Minuten, tagsüber konnten Verbindungsabbrüche daraus ein Vielfaches machen. Ich weiß, dass das vor Ihrer Zeit lag, glauben Sie es trotzdem. Niemand würde heutzutage ein Online-Angebot mit solchen Verzögerungen nutzen wollen, wenn es doch 100- oder 1000-fach schnellere Angebote gäbe. Genau dies lässt sich aber tendenziell nach Aufhebung der Netzneutralität erreichen. Während der Mediengigant Springer Ihnen dann den Artikel in 1-2 Sekunden anzeigte, warteten Sie bei Freitag.de nach Minuten immer noch darauf, dass das schöne Foto von der Datenautobahn zu Ende lädt.
Wenn Sie meinen, dass der schnelle Internetanschluss für alle wichtiger ist als Netzneutralität, dann schreiben Sie es auch so, selbst wenn es unrichtig ist. Diskreditieren Sie aber bitte nicht das Anliegen Anderer, die über entsprechendes Fachwissen verfügen.
Herzlichen Dank für diesen Korrekten Ausblick! Es trifft wahrscheinlich zu, dass es bereits Generationen gibt, die kein 54k-Modem mehr erlebt haben. Da konnte man sich händisch einen Kaffee kochen, bis die Seite hochgeladen war! Das Netz ist meiner Meinung nach eine Infrastrukturresource, die keine Unterschiede aufgrund monetären Bedingungen machen darf. Das gleiche passiert im Übrigen gerade auch mit der Autobahn (Maut) und ist im Energiebereich bereits gängig. Ich verstehe nicht, warum hier ein Aufschrei bzgl. dieser Regierungsabsichten ausbleibt! Es ist wohl die Bequemlichkeit die dazu führt sich mit solchen wirklich relevanten Dingen nicht ausreichend zu befassen. Ich hätte nie vermutet, dass unsere Republik sich nach der Wiedervereinigung immer mehr durch kapitalgelenkte Konzerne und machtorientierte Politikvertreter bestimmen lässt. Ich dachte eher, dass wir das Handeln unserer Regierenden mehr unseren demokratischen Vorstellungen unterwerfen können. Ich weiß kein Rezept diese Entwicklung noch umzulenken. Na dann, auf ins "moderne Mittelalter"!
Ich finds gut denn so wie es jetzt ist zahle ich für andere mit.
So funktioniert aber nun mal unsere wirtschaft! Egal auf welchen "markt" sie gehen wenn dort ein großer ist haben sie es immer schwerer.
Ehrm, leider muss ich den Artikel doch sehr beanstanden, weil der Autor offensichtlich nicht ganz das Problem verstanden hat.
1. Punkt: Youtube würde sich als Spezialanbieter einkaufen und die Kosten an die Kunden weiterleiten... Youtube ist kostenlos und wird es auch bleiben, da wird von Google (Muttergesellschaft) gar nichts an die Kunden weitergegeben.
2. Wir sprechen hier von der technischen Umsetzung an den Backbones, usw und nicht, vom ersten oder letzten Kilometer vom Server oder zum User und da wird es dann so oder so eng werden. Zumal man mehr eh viel mehr Angst davor haben sollte, wenn ein Auto überhaupt ans Internet angeschlossen werden soll. Wie vor ein paar Tagen berichtet wurde sieht man sehr schön, was passiert, wenn man ein Stahlwerk ans Netz anschließt...
3. Selbstverständlich hat das direkte Auswirkungen auf die Sichtbarkeit von Inhalten, da der meiste Traffic immer noch über Google generiert wird und eine gute Position dort immanent wichtig ist. Da die Position auch direkt von der Geschwindigkeit einer Seite korreliert, kann man sich ja vorstellen, was passiert, wenn die Datenpakete der Nachrichtenseite mit einer 5-sekündigen Verzögerung ausgeliefert werden. There is no better place to hide a dead body, then page 2 of google.
In diesem Sinn sollte man also nochmals sehr genau darüber nachdenken, ob man sich ein differenziertes Netz wünscht, oder doch eine Gleichbehandlung aller Beteiligten. Wobei eine Gleichbehandlung auch automatisch den Netzausbau fördern würde ;)
Wann war das Netz jemals neutral?
Ein Netz, in dem das Handy von Ihro Durchlaucht Merkel von Ihren Spießgesellen beim NSA abgehört wird, in dem Daten von Sony geklaut werden, in dem Obama von CyberKrieg spricht, kann niemals neutral gewesen sein; inzwischen faselt Obama beim Datenklau nicht mehr von CyberKrieg, sondern von Vandalismus - und sowas in einem neutralen Netz ...
Herr Werdermann, leider ist das zum Teil ganz großer Blödsinn, den Sie da von sich geben. Wie andere Kommentatoren schon schrieben, ist das vermutlich mangelnder technischer Kenntnis geschuldet.
Sie bedienen die Metapher der Straße (Datenautobahn) und stellen fest, dass es bereits jetzt unterschiedliche Straßen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten gibt. So weit, so richtig. Dass mit einem Systemwechsel jedoch nur unterschiedliche Autos, die unterschiedlich schnell fahren können, eingeführt werden sollen, ist falsch und eignet sich deshalb nicht als Bild. Die Datenpakete haben keinen eigenen Antrieb, sie selbst haben keinen Einfluss auf ihre Geschwindigkeit auf der Datenautobahn. Vielmehr gibt es ein technisches Tempolimit, das für alle Datenpakete gleichermaßen gilt. Was nun diskutiert wird ist, ob es für jene, die keine Extragebühr zahlen können, ein Tempolimit geben soll. Übertragen auf das Straßensystem bedeutet das, dass beispielsweise Spedition X auf der Autobahn 220 km/h fahren kann (volle Geschwindigkeit), weil sie eine Extragebühr entrichtet hat, und Spedition Y nur 120 km/h darf, obwohl die Straße 220 km/h hergeben würde. Das ist konsequent aus marktwirtschaftlicher Perspektive. Wären die richtigen Autobahnen privat, wäre es genau so. Von daher stimme ich der Forderung zu, dass die Datennetze in öffentlicher Hand sein sollten. Andernfalls braucht es die gesetzliche Vorgabe, dass alle Datenpakete gleich behandelt werden.
In ländlichen Gegenden entstehen immer häufiger kommunale Netzbetreiber, die versuchen die Lücken, die die Telekom beim Breitbandausbau hinterlassen hat, zu schließen. Bei der Diskussion um die Netzneutralität geht es aber nicht um die letzten 100 km, sondern um die großen Backbones die uns interkontinetal verbinden und um die europäischen Netze (z. B. der Telekom).
Bei der gesellschaftlichen Diskussion zur Netzneutralität geht es um Chancengleichheit. Ein Startup wird es schwerer haben, den Großen Konkurrenz zu machen, weil sie sich womöglich die Premiumleitung nicht leisten können. Stellen Sie sich vor, das Gymnasium würde Geld kosten. Das würde die individuellen Probleme der Gymnasien lösen, die Schulen bekäme mehr Geld und hätte weniger Schüler – perfekt für die Gymnasiasten. Andererseits würden die Kinder, deren Eltern die Schulgebühr nicht aufbringen können, zurückgelassen. Das wollen wir ja auch nicht.
Außerdem ist es eine kulturelle Frage: Das Internet als Netz aus Netzen war seit Anbeginn so konzipiert das alle Datenpakete gleich sind. Und das ist eine der entscheidenden Eigenschaften, die dafür gesorgt haben, dass es so ist, wie es heute ist.
Die Argumentation "Etwas Markt ist nicht verkehrt" ist so nicht korrekt. Die Abschaffung der Netzneutralität wäre das Gegenteil von Markt, sie würde Marktverzerrungen und Einstiegsbarrieren für Start-Ups schaffen, so wie es bereits in einigen Kommentaren erklärt wurde.
Um es mit der Auto-Metapher zu beschreiben: Schon jetzt haben Endkunden die Möglichkeit sich für einen schnellen Sportwagen oder einen langsamen Trabanten zu entscheiden. Provider differenzieren die Tarife nach Verbindungsgeschwindigkeit und (im mobilen Bereich) nach Datenvolumen. Eine Abschaffung der Netzneutralität entspräche aber der Kontrolle des Providers über die Geschwindigkeit des Fahrzeuges je nach ausgewähltem Ziel.
Wie müssen wir uns das vorstellen? „Sie wollen bei Aldi einkaufen? Dahin fahren sie nur mit Schrittgeschwindigkeit, denn Aldi hat keinen Exklusivvertrag mit uns. Wie wäre es denn mit Lidl? Die bezahlen uns [den Provider] dafür, dass wir die Kunden möglichst schnell anfahren lassen, zu deren Filialen dürfen Sie mit maximal möglicher Geschwindigkeit fahren!“
Wie so etwas wirkt können wir uns bereits heute im mobilen Bereich ansehen, wo T-Mobile einen Exklusivvertrag mit dem Musikanbieter Spotify abgeschlossen hat, dessen Datenverkehr nicht ins begrenzte Datenvolumen gezählt wird. Endkunden werden sich dreimal überlegen über einen anderen Dienst Musik zu streamen, sollte der Konkurrent auch noch so gut sein, wenn sie dies wertvolles Datenvolumen kostet.
Kurzum: Mit der Abschaffung der Netzneutralität können und werden sich große Unternehmen mit dem entsprechenden Kapital „Standortvorteile im Internet“ erkaufen und somit ihre Marktposition festigen. Für Start-Ups wären solche Exklusivverträge Markteinstiegsbarrieren, die ihnen das Mitmischen in der entsprechenden Sparte trotz eventuellen Technikvorsprungs erschweren. Ganz zu schweigen davon, dass die Provider wahrscheinlich ihre eigenen Dienste bevorzugt behandeln würden. Somit würden wir es den Internet-Providern überlassen, wie die Vielfalt im Internet von morgen aussieht und es besteht der begründete Verdacht, dass es das Angebot an Diensten im Netz eher Begrenzen, als Erweitern wird.
Zum Thema Gymnasien: Der Staat sollte dafür sorgen, dass alle Menschen eine gewisse Grundbildung bekommen. Aber das tut er nicht, indem er allen Bildungsangeboten den gleichen Preis zuweist, sondern es gibt immer noch teure berufliche Weiterbildungsangebote, das wäre auch schwer zu verbieten. Er garantiert eine gewisse Grundbildung und das sollte er auch beim Internetzugang tun. Alle Menschen sollten einen solchen Internetzugang haben, dass sie sich gut informieren können. Eine vernünftige Geschwindigkeit auf dem Land gehört dazu, irgendwelche Riesenmengen an Daten für komplexe Videospiele oder andere Anwendungen nicht (die kann man sich dann dazu kaufen, wenn man möchte).
Vielen Dank für den Hinweis mit dem Bild. Ich habe einen Hlabsatz ergänzt, um zu verdeutlichen, dass es natürlich jetzt schon verschiedene Geschwindigkeiten zu kaufen gibt, dass die Differenzierung dann aber größer wird.
Zu den Marteinstiegsbarrieren habe ich ja auch schon einiges in den Kommentaren geschrieben. Vielleicht kann man noch ergänzen, dass ein Vorteil von einem staatlichen Netzbetreiber auch wäre, dass es eine Trennung zwischen Netzbetreiber und Inhalteanbieter gäbe und die Telekom ihre Position als Netzbetreiber nicht ausnutzen kann, um ihre eigenen Dienste zu pushen.