Es war ein überraschend deutlicher Sieg, der dem Newcomer Rafael Correa am 26. November bei den Präsidentenwahlen gelang. Mit mehr als 56 Prozent der Stimmen konnte er Álvaro Noboa, den autoritären Bananenunternehmer und reichsten Mann Ecuadors, geradezu deklassieren. Correa ist jung, dynamisch und glaubwürdig, bezeichnet sich als Freund von Hugo Chávez in Venezuela und stammt aus keiner der etablierten Parteien des Landes, sondern der sozial engagierten, akademisch gebildeten Mittelschicht. Bei seinen ersten Statements nach seinem Triumph meidet er innen- wie auch regionalpolitisch konfrontative Formeln, bleibt als Ökonom aber bei seiner harschen Kritik an der bisherigen neoliberalen Politik in Ecuador und Lateinamerika überhaupt.
"Ecuador hat in den vergangenen 15 Jahren kein Wachstum aufzuweisen, die Ungleichheit ist noch gewachsen, die Arbeitslosigkeit hat sich verglichen mit den neunziger Jahren verdoppelt - trotz einer massiven Emigration unserer Landsleute", lautet Correas Fazit, dem niemand widerspricht, wohl aber den sich daraus ergebenden Folgerungen. Während die internationalen Finanzinstitutionen und Ecuadors Rechtsparteien durch einen umfassenden Freihandelsvertrag die Wirtschaft des seit sechs Jahren "dollarisierten" Andenstaates völlig öffnen wollen, denkt Correa an Kurswechsel. Den Freihandelsvertrag TLC mit Nordamerika lehnt er ab und hält daran auch nach den Wahlen fest, würde doch das Abkommen die eigenen Produzenten von Reis, Mais, Milch und Weizen einem ungleichen Wettbewerb mit hochsubventionierten US-Farmern aussetzen. Obwohl immer noch ein Drittel der Ecuadorianer von der Landwirtschaft lebt, gibt es keine staatliche Agrarpolitik mehr - mit Ausnahme der Exportförderung für Blumen, Mangos und Krabben. Correa will mit dieser Praxis brechen: durch Kredite, Beratung, mehr Marktzugang. Selbst eine Agrarreform wird nicht ausgeschlossen, die in Ecuador seit Jahren auf dem Index steht.
Die natürlichen Ressourcen, besonders die Erdölreserven, würden es für den 13 Millionen Einwohner zählenden Andenstaat durchaus erlauben, eine aktive Wirtschaftspolitik zu betreiben. Correa hatte das bereits während seiner kurzen Amtszeit als Wirtschaftsminister nach dem Sturz des Präsidenten Gutiérrez (s. Übersicht) versucht. Als sich das Establishment dem energisch widersetzte, verließ er nach 106 Tagen das Kabinett wieder, um eine neue Bewegung zu gründen: Die Alianza País, die eine "Bürgerrevolution" proklamiert und sich den dafür nötigen finanziellen Spielraum verschaffen will.
Rafael Correa ließ bereits wissen, sein erstes Dekret nach der Vereidigung am 15. Januar werde der Ausfuhr von ecuadorianischem Öl zur Raffinierung nach Venezuela gelten. Ecuador verfügt über unzureichende technologische Standards und musste bislang sein Rohöl vorwiegend über private Mittelsmänner abgeben, die dafür saftige Provisionen kassierten, und dann die teuren Derivate zurückkaufen. Der designierte Präsident verfügt auch über entsprechende Angebote aus Brasilien wie Chile und spricht mit Blick auf einen solchen Verbund gern von der "Wiedergeburt eines Bolivarischen Traums" - von einem Kontinent der Integration und Prosperität. Diese Vision kontrastiert allerdings - für Ecuador im besonderen, doch ebenso für andere Staaten der Region - mit der Realität eines auf die USA und die EU konzentrierten Handels. Ohnehin könnte wegen der regionalen Asymmetrien ein vorzugsweise auf Südamerika zugeschnittener Freihandelsvertrag gerade für kleine Nationen wie Ecuador unangenehmere Folgen haben als der TLC mit den USA.
Sein Dekret Nr. 2 hat Rafael Correa gleichfalls schon im Schreibtisch, die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung, die mit dem landeseigenen Parteienfilz aufräumen soll, der seit Jahren nicht nur die Wahltribunale, sondern auch das Verfassungsgericht beherrscht und damit jeden Reformansatz erstickt. Correa erschien vielen Ecuadorianern gerade deshalb glaubwürdig, weil seine Alianza País keine Kandidaten für die Parlamentswahlen im Oktober aufgestellt hatte, was nun freilich mit der Konsequenz verbunden ist, dass der linke Präsident gegen eine rechte Mehrheit im Parlament regieren muss. Zudem werden seine Gönner aus dem bürgerlichen Lager, die ihn im zweiten Wahlgang unterstützten, um eine Präsidentschaft Álvaro Noboas zu verhindern, zu Mäßigung und Kompromissen drängen.
"Der neue Präsident braucht eine repräsentative soziale Kraft als Basis - mit den Indígena-Organisationen, Gewerkschaften und Hochschulen, die tatsächlich einen Wandel verteidigen wollen", meint Victor Granda für die Sozialistische Partei, die von Anfang an hinter Correas Kandidatur stand. Sollte der künftige Staatschef so etwas wie eine anti-neoliberale Wende riskieren wollen, wird er sich einem feindseligen, möglicherweise bis zum Äußersten entschlossenen Kongress gegenüber sehen und auf außerparlamentarischen Beistand angewiesen sein. Andernfalls dürfte sich auch Rafael Correa in die Phalanx ecuadorianischer Präsidenten einreihen, von denen sich seit 1996 keiner über die volle Amtszeit hinweg behaupten konnte. Doch sind die Chancen für einen gravierenden Politikwechsel so günstig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. In den USA scheint die neue demokratische Mehrheit im Kongress weniger Gefallen an den Freihandelsdogmen zu finden als bislang die Republikaner. Und es existiert ein kontinentales Umfeld, das sich politische Mündigkeit nicht länger verbieten lässt. In Staaten wie Venezuela, Bolivien oder Brasilien werden Armut und Ungleichheit als eine Herausforderung empfunden, die gewählte Regierungen nicht zu beklagen, sondern zu überwinden haben.
Ecuadors gescheiterte Präsidenten
wegen Amtsmissbrauch vom Kongress abgesetzt (linkes Wahlbündnis PSP/MUPP)
* Partido Renovador Institucional Acción Nacional
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.