Konzessionen" bei der Präsentation der eigenen Vorstellungen zur "Zukunft der Arbeit" habe man schon machen müssen, räumt Peter Wilke ein, der offizielle Beauftragte der deutschen Gewerkschaften (DGB wie DAG) für die "Expo 2000" in Hannover. Da die "Industriepartner" in erheblichem Maße Geld beigesteuert hätten - "bester rheinischer Kapitalismus", so Wilke weiter - fehle das Thema "Arbeit und Ökologie" zugegebenermaßen vollständig. Doch die Konzessionsbereitschaft der Gewerkschaften konnte das nicht schmälern: "Wir wollten dabei sein, wo es um ein Signal für die Zukunft ging", rechtfertigte Wilke jüngst beim "Gesellschaftspolitischen Forum" der IG Metall die Wandlung des Interessenvertreters zum Adabei. Auch wenn letztendlich inha
nhaltlich nur hängen bleiben werde: "Ja, die Gewerkschaften waren auch dabei."Für ihre Verhältnisse haben die für den Auftritt kräftig was springen lassen. Zehn Millionen nannte Wilke Anfang des Jahres. Inzwischen rechnen sich die Gewerkschaften ihren Expo-Auftritt wieder billiger: Selbst hätten sie "dank der Akquise von Drittmitteln" - dank der Gönnerschaft von Sponsoren - nur 4,2 Millionen zusammenkratzen müssen. Dafür durften sich sieben hauptamtliche Mitarbeiter ausdenken, wie Gewerkschaften als "moderne, zukunftsorientierte Organisationen" dargestellt werden könnten - allerdings nur zu Ausstellungszwecken. Denn außerhalb des Expo-Zaunes ist die Praxis ganz anders: Der niedersächsische DGB muss auf Beschluss des Bundesvorstandes (wie alle anderen Landesbezirke) 20 Prozent seiner Ausgaben streichen, bundesweit sollen 60 der insgesamt 264 Stellen hauptamtlicher Mitarbeiter wegfallen.Während sich der Landes-DGB darum sorgen muss, wie in den nächsten Jahren noch Gewerkschaftsarbeit in Aurich, Einbeck und Lüchow-Dannenberg organisiert werden kann, kümmern sich die Kollegen aus dem Expo-Büro darum, einen Teil der zehn Millionen Mark für "Talk around the world" - eine "weltweite Talkshow" - am 3. und 4. Oktober auszugeben. Denn einer der Höhepunkte auf der Expo soll ein "Globaler Dialog" zum Thema "Arbeiten im 21. Jahrhundert - Nachhaltiges Wirtschaften und Soziale Verantwortung" sein. Dessen Abschluss ist laut "Konzept" des Expo-Büros eine "Platform of the future, auf der junge Menschen aus allen Kulturen die zentralen Botschaften des Globalen Dialoges an die Weltgemeinschaft darstellen." Moderatorin für die geplante Fernsehaufzeichnung dieses und neun weiterer "Globaler Dialoge" wird Sabine Christiansen sein. Das Unternehmen der "Leiterin der zur Zeit erfolgreichsten Gesprächsrunde im deutschen Fernsehen" (so die Expo-Werbeschrift) erhält dafür 1,5 Millionen, wofür die ehemalige Stewardess jeweils anderthalb Stunden auftreten wird. Dabei dürfte ein Stundenlohn herausspringen, den Gewerkschafter als vorbildlich empfinden werden.Nicht alle Beschäftigten waren so vom Glück verfolgt: Während der Expo-Vorbereitung lagen Bauarbeiter bei 5,33 Mark Stundenlohn - für die Beschäftigten während der Schau jedoch sehe das alles viel besser aus, weiß Expo-Beauftragter Wilke. Denn die Gewerkschaften haben einen Tarifvertrag geschlossen, der "super" sei. Partner ist die Expo-Tochter der Zeitarbeitsfirma Adecco, die ihre Beschäftigten an Firmen auf der Expo ausleiht. Der Tarifvertrag sieht nicht nur Stundenlöhne zwischen 13,50 Mark (für Küchenhilfen) und 26 Mark (Pavillon-Manager) vor, sondern legt auch die Einstellung einer "Interessenvertretung" durch Adecco fest - öffentlich als "Betriebsrat" vorgestellt. Dessen Rechte allerdings sind begrenzt, da eine reguläre Wahl aufgrund der kurzen Dauer der Expo nicht stattfand. Eine Folge des unsicheren Status: Bei der Auswahl der etwa 1.700 Beschäftigten, die Adecco bislang wegen ausbleibender Besucher entlassen hat, war es daher "weitestgehend nicht möglich, die Kündigungen nach sozialen Kriterien vorzunehmen", gesteht die Firma selbst ein. Gesichert hat sie sich allerdings den für die Werbung nützlichen Titel "Produktpartner für Personaldienstleistungen". Den ließ sich das Unternehmen (Umsatz 1999: 750 Millionen in Deutschland) 15 Millionen Mark kosten.Um das Thema "Zukunft der Arbeit" bemühten sich gemeinsam neben Adecco, DGB und DAG auch noch Berufsgenossenschaften, Arbeitgeber und deutsches Handwerk. Sie präsentieren in einer Arena das "Welttheater Arbeit" - ein "großes allegorisches Panorama menschlicher Arbeitswelten als Multimedia-Choreographie des Tanzschöpfers Frédéric Flamand". Dem europaweit anerkannten Theatermacher geht es um eine "symbolische Darstellung von Solidarität, Teilhabe und Gemeinsinn". Flamand lässt in einer elliptischen Arena - Durchmesser 55 Meter an der längsten und 25 Meter an der breitesten Stelle - auf unterschiedlichen Ebenen bis zu neun Meter hoch auf Laufstegen und vor Videoleinwänden und Monitoren abwechselnd in zwei Teams jeweils 42 Tänzer auftreten - sechsmal am Tag, sieben Tage die Woche. So gelten für die Ensembles, die eine "Zukunft der Arbeit" symbolisch darstellen sollen, äußerst zeitgemäße Bedingungen: Die übermäßige Belastung in der Riesenarena führte inzwischen zu 21 verletzungsbedingten Ausfällen allein in einem Team. Pech überdies für die Tänzer: Für sie gilt kein Tarifvertrag, da sie keine Adecco-Leiharbeiter sind; für ihre Gehälter steht nur das zur Verfügung, was nach einer Geldverteilungskaskade über mehrere Subunternehmer noch übrig bleibt: Die Expo 2000 Hannover GmbH als Gesamtveranstalterin beauftragte mit der Umsetzung des Themenparks die "Bietergemeinschaft Das deutsche Handwerk", die angeblich rund 400 Subunternehmer einschaltete, die selbstverständlich alle an der Ausstellung verdienen wollten. Die Produktion der Tanzperformance übernahm die Firma de Otter de Vries Live Communications (O V). Anfangs zahlte das Unternehmen den Tänzern monatlich nur 2.500 Mark brutto, wie diese der Gewerkschaft IG Medien berichteten, an die sie sich wandten, als die Krankenstände rapide stiegen.Nicht erfreut sein darüber wird Birgit Breuel, die Expo-Generalkommissarin, die bekanntlich "Kleckerkram mit sozialem Klimbim" (Günter Grass) nicht ausstehen kann. An ihrer Seite hatte Dieter Schulte jüngst beflissen den Gewerkschaftsauftritt angekündigt, um zu beweisen, dass seine Organisation zu Recht den Titel "Förderpartner der Expo" zuerkannt bekommen hat und IG Metall-Chef Klaus Zwickel wohlverdient einen Platz im Aufsichtsrat der Weltausstellungsgesellschaft besetzt - selbst auf reduzierte Eintrittspreise für Arbeitslose haben die Gewerkschaften nicht bestanden.