Im Felsgrund der Fiesheit

JUGENDBÜCHER Jules Feiffers absurd-komisches Märchen vom Lachen

Tom, der Jäger, ist ein eigenartiger Kerl. Eigentlich sollte er nach sieben Seiten wieder aus dem Buch verschwinden. Er war nur als Beispiel für einen mürrischen Menschen gedacht. Aber Tom hält sich nicht dran und mischt sich, anders als vom Autor vorgesehen, später wieder ein. Zwar hat er auch in anderen Büchern Unterschlupf gesucht, aber die waren ihm entweder zu vertrackt erzählt oder zu schlampig gezeichnet. Also blieb ihm nur dieses Buch eines gewissen Jules Feiffer, Der Fluch des Lachens.

So ironisch und verspielt beginnt Jules Feiffer seinen Roman. Es ist nicht die einzige Stelle, wo sich der Titel ad absurdum führt, weil man als Leser zeitweise vom vergnügten Lachen nicht wieder wegkommt. Mit unaufhaltsamer Heiterkeit und Frohsinn geschlagen ist Prinz Roger, der alle Menschen, die ihm begegnen, so schnell zum Lachen bringt, dass sie sich kugeln. Was zwar einerseits sehr schön ist, andererseits aber für einen angehenden König ziemlich unpraktisch.

Das fordert den Vater heraus, Wihissesdoch heißt er, weil er all seine Erste wurstmal versätzelt, pardon, seine Sätze erstmal verwurstelt. Der Vater also schickt den lachhaften Sohn auf die Piste zum Ernst des Lebens. Roger muss sich auf DIE SUCHE machen, ohne zu wissen, was er suchen und wo er es finden soll. Dabei kann er sich dank eines Zauberpulvers in allerlei Dinge, Gewächse und Tiere verwandeln, was für Abwechslung sorgt. Die Prüfstrecke aber spricht für sich: Wald ohne Wiederkehr, Tal der Tränen, Felsgrund der Fiesheit, Berg der Bosheit. Unterwegs trifft er Prinzessin Petulia, die Eigenartige, die so etwas ist wie sein Pendant. Auch auf ihre physische Präsenz reagieren die Menschen einschneidend: wer ihr ins schöne Antlitz blickt, versteinert. Nur Roger nicht, weil er sich, ganz prosaisch, zuvor schon in die Zofe Lady Sadie verguckt hat. Womit er am Ende auch sein Glück gefunden hat.

Ein philosophierendes Märchen also, eine Parabel über das Erwachsenwerden. Ziemlich harte Einsichten werden dem lachenden Prinzen da zugemutet. Dass aus Freunden unversehens Feinde werden können. Dass man irgendwann mal selbst Entscheidungen treffen muss. Dass man verhandeln muss, wenn der andere etwas haben will, was man selbst hat und man selbst etwas braucht, das der andere hat. Dass man, wie die Wahrsagerin Gelassene Gertrud lehrt, manchmal auch einfach nur abwarten muss, bis etwas wird.

Zum Glück geht über soviel Ernst des Lebens das Lachen nicht verloren. Einmal gerät Prinz Roger, in einen Adler verwandelt, ins Tal der Rachsüchtigen, wo jeder jedem etwas heimzahlen will. Da packt er die Kinder in die Klauen und fliegt mit ihnen in den Himmel,. was ihnen viel Spaß macht. Über dem Kinderlachen vergessen die Rachsüchtigen das Rächen. Jetzt wollen auch die Erwachsenen fliegen. Zum erstenmal sehen sie ihr Land von oben und finden es so schön, dass sie aufhören mit dem Heimzahlen. Es geht ihnen wie den Raumfahrern, die aus dem All einen anderen Blick auf den Blauen Planeten und seine zerbrechliche Schönheit bekommen haben.

Feiffers Buch hat also auch gedanklichen Tiefgang. Der Autor ist in den USA ein bekannter Cartoonist und das merkt man seiner Geschichte auch an. Sie ist vollgestopft mit Gags und Ideen, dass es einem manchmal schon zu viel wird. Sie hält, was sich sehr angenehm liest, einen ironischen Grundton. Der gipfelt im dramatischen Showdown am Ende. Da muss, unvermeidlich für ein ABENTEUER und eine SUCHE, Prinz Roger gegen seinen ehemaligen Freund Tom, den Jäger, kämpfen. Es wird der langweiligste Kampf der Kinderliteraturgeschichte, denn Tom ist viel zu tolpatschig, um irgendjemanden ernsthaft zu verletzen. Doch lässt der Autor auch da noch Gerechtigkeit walten und sorgt mit einer schönen Pointe dafür, dass Tom nicht als Witzfigur, sondern als ganzer Mann das Buch verlassen kann.

Und mit einem hübschen Einfall entlässt der Autor auch die Leser. Wer hat nicht schon, je näher es dem Ende zuging, in die letzten Seiten geblättert, um zu sehen, wie es ausgeht und wieviel noch bevorsteht. Könnte man nicht, sinniert der Erzähler, in Büchern wie auf Autobahnen auch Entfernungsschilder aufstellen? Deshalb heißt das vorletzte Kapitel einfach "Vorletztes Kapitel" und das letzte ist überschrieben mit "Noch sieben Seiten". So weiß jeder, wie er dran ist und kann neben der glücklichen Auflösung der Verwicklungen auch noch die letzte Weisheit fürs Erwachsenenleben mitnehmen: dass nichts kommt, wie es geplant ist und dass die ewige Sucherei danach, wo man im Leben eigentlich hin will, nicht aufhören wird.

Jules Feiffer: Der Fluch des Lachens. Mit Bildern des Autors. Aus dem Amerikanischen von Werner Leonhard. Verlag Gerstenberg, Hamburg 2000, 182 S., 24,80 DM

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