Wer ist Liberty media

Medientagebuch Das Kabel-Monopol der Telekom wird von neuen Monopolisten übernommen

So, wie es nun kommt, war es wahrscheinlich nicht gedacht. In den letzten Jahren haben die Politik, die Medienwächter, die mittelständischen Kabelfirmen und die vereinigten Deregulierer die Telekom gedrängt, ihr Fernsehkabelnetz nicht nur für Internet und digitale Dienste zu öffnen, sondern vor allem: es gleich zu verkaufen. Es sollte, so will es die wirtschaftsliberale Ideologie, Wettbewerb entstehen, Konkurrenz und damit Innovation.

Die Konkurrenz ist jetzt da und hat Platz genommen. Nur die Idee mit dem Wettbewerb scheint nicht recht zu funktionieren. Verglichen mit der Marktmacht der neuen Kabelherren ist die Macht der Telekom, als man ihr noch übelsten Monopolismus vorwerfen konnte, geradezu bescheiden gewesen.

Denn künftig werden die Fernseh-Breitband-Kabelnetze von nur wenigen Unternehmen beherrscht. Eines davon ist die britische Firma Callahan, die das Kabelnetz von Nordrhein-Westfalen gekauft hat. Das Breitbandkabel in Hessen hat mit eKabel ein britisch-amerikanisches Konsortium übernommen, das sich selbst als eines der zehn großen Kabelunternehmen Europas bezeichnet. Der größte Hai aber im neuen Netzteich ist die amerikanische Liberty Media. Ihr werden wahrscheinlich bald die Regionalnetze in sechs Bundesländern gehören. Mit über zehn Millionen Haushalten wird sie 60 Prozent der Haushalte versorgen, die ans Telekom-Kabel angeschlossen sind. Wer ist Liberty Media?

Die amerikanische Liberty Media Corporation ist weltweit eines der führenden Medienunternehmen, aktiv in den USA, Südamerika, Europa und Asien. Gegründet wurde die Firma 1995 als Tochter des Kabelunternehmens TCI (Tele-Communications Inc.). 1999, als TCI von AT übernommen wurde, kam sie per Aktientausch zu AT Liberty Media funktioniert aber eigenständig und soll wegen Anforderungen der US-Kartellbehörde verkauft werden. Analysten schätzen das Unternehmen auf rund 90 Milliarden DM.

Geführt wird es von John Malone, ehemals Präsident von TCI und maßgeblicher Akteur in der US-Kabelindustrie. Beim Kauf der deutschen Netze tritt Liberty Media zusammen auf mit Gary Klesch (Klesch Company Ltd), einer Investmentfirma mit Sitz in London. Liberty Media /Klesch wollen 55 Prozent der Anteile an den deutschen Kabelnetzen kaufen und verfügen über eine Option von weiteren 25 Prozent minus einer Stimme. Der Deal soll bis Mitte des Jahres über die Bühne gehen. Insider sprechen von einem Preis von neun bis zehn Milliarden DM. Die Klesch-Company war übrigens auch am Verkauf des hessischen Netzes an eKabel als Vermittler beteiligt und hält einen geringen Anteil.

Wirklich bemerkenswert an Liberty Media ist aber nicht die schiere Größe oder finanzielle Potenz, sondern die Vielfalt der Beteiligungen. Galt bisher in der deutschen Medienpolitik, dass Netz und Nutzer getrennt sind, die Telekom also die Programme transportiert, die andere veranstalten, so agiert Liberty Media anders. Das Unternehmen ist auch an wichtigen Programmveranstaltern beteiligt: etwa an der News Corporation von Rupert Murdoch, an AOL-Time Warner und an dem auch hier verbreiteten Discovery-Channel. Außerdem hat Malone Anteile an den Verkaufskanälen QVC und HOT im Portefeuille, mischt beim US-Gerichtsfernsehen Court-TV mit und beim französischen Kabelkanal MultiThematiques.

Als drittes und gewiss nicht unwichtigstes Standbein schließlich hält das Unternehmen auch relevante Beteiligungen an Unternehmen der technischen Infrastruktur. Breitband-Internet-Dienste gehören ebenso dazu wie Anteile an Motorola, einem der wichtigsten Hersteller der für Digital- und Pay-TV unverzichtbaren Set-top-Boxen. Mit Motorola hat auch die eKabel inzwischen einen Vertrag über den Bau von Set-top-Boxen.

Kein Wunder, dass die Landesmedienanstalten aufgeschreckt sind. Hans Hege, verantwortlich für Digitaltechnik, sprach von einer "Machtposition, wie es sie bisher noch nicht gab". Lange hatten die Medienwächter die Telekom gedrängt, die Blockade der Kabelnetze aufzugeben, damit diese zu Breitbandnetzen ausgebaut werden könnten. Das dürfte mit den neuen Eigentumsverhältnissen auch gesichert sein.

Dass aber der Monopolist Telekom nunmehr durch Marktmacht abgelöst wird, die auf verschiedenen Ebenen der Medienproduktion agiert, hatten sie nicht erwartet. In einem ersten Positionspapier halten die Medienwächter zwar weiterhin fest, dass das Kabel der "Königsweg" in die Informationsgesellschaft sei. Sie warnen aber vor einer "Konzentration von Meinungsmacht", sehen den Wettbewerb gefährdet und sogar die europäische Medien-Identität: "Wenn die deutschen Kabelnetze ausschließlich von Unternehmen geführt werden, die vertikal konzentriert sind und eine Nähe zu amerikanischen Programmveranstaltern haben, kann sich dies auf die Chancen der Entwicklung europäischer Inhalte und Produktionen auswirken".

Noch ist nicht genau abzusehen, wie sich die Lage am Kabelmarkt entwickeln wird. Die Landesmedienanstalten setzen auf Dialog, winken aber auch schon sanft mit dem Kartellamt. Einige Forderungen sind auf dem Tisch. Zugangsregelungen seien nötig, damit Kabelgucker nicht nur jene Programme bekommen, die die Kabelfirma grade im Bouquet hat. Starker Bedarf bestehe nach einer technischen Plattform, die den Empfang aller auf dem Markt befindlichen Programme zulässt. Regionale oder konzernunabhängige Anbieter sollten gleichfalls Zugang bekommen.

Ohnehin ist noch nicht klar, wie im und mit dem Kabel Geld verdient werden soll. Das könnte auch der Grund dafür sein, warum in jüngster Zeit Gerüchte aufgetaucht sind, wonach der Deal mit Liberty Media noch einmal fraglich geworden sein könnte. Noch hat das Unternehmen kein Geschäftsmodell bekannt gegeben. In Nordrhein-Westfalen hat die Kabel NRW, die zu 55 Prozent Callahan und zu 45 Prozent der Telekom gehört, mit dem Kabelausbau begonnen. Schon wurde bekannt, dass in einigen Regionen ARD, ZDF und das dritte Niederländische auf andere Bandbreiten verlagert werden. In Hessen hat die eKabel die dritten Programme des Südwestrundfunks und des Bayrischen Rundfunks aus dem Band I verlegt, um Platz für Pay-TV und Internet zu schaffen; das Unternehmen hat auch angekündigt, darin künftig einen Schwerpunkt zu setzen.

Noch haben insgesamt keine TV-Programme aus dem Netz weichen müssen. Aber es lässt sich denken, dass die neuen Kabelherren Programmformen erfinden werden, mit denen sich Geld verdienen lässt - und dann werden andere Platz machen müssen. Die ARD-Intendanten haben inzwischen ein Positionspapier zum Breitbandkabel verabschiedet und darin gefordert, es müsse in allen Netzen einen einheitlichen Standard bei der Einspeisung geben und die öffentlich-rechtlichen Programme müssten als Pflichtprogramme unverschlüsselt durch die Netze geleitet werden. Sieht so aus, als wäre die Medienpolitik wieder einmal gefragt.

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