Ich wußte nie, wohin damit. Von Anfang an. Schon das erste Heft paßte nicht in meine Stapelordner. Die Seiten waren einen guten Zentimeter zu breit. Keine deutsche Industrienorm eben. Außerdem stand quer über die erste Seite als Erscheinungsdatum: circa Juni 1994. Und auf die Ausgabe 3 folgte die Ausgabe 3 1/2. Normal war das nicht.
Sicher, was ist schon normal bei einem (Achtung: Atem holen) komplett zweisprachigen, internationalen, femininistischen Zeitungsprojekt mit drei Redaktionen in drei Kontinenten. Überhaupt die Idee! Im uruguayischen Montevideo war sie plötzlich auf dem Tisch, um den herum sich Frauen aus 17 Auslandsprojekten der Frauenanstiftung(*) versammelt hatten. Ein Vehikel zur besseren Verständigung zwischen Lateinamerika, Afrika und Europa sollte her.
Das war 1993, zwischen dem Niedergang feministischer Mobilisierbarkeit in Westeuropa und dem Vertrauen auf weiteren Ausbau der Frauenpower im Süden. Bei einem Folgetreffen in Hamburg ging's schon ums Praktische: Wie arbeitet eine Redaktion, die in drei Kontinenten lebt? Was heißt das: unter diesen Umständen demokratisch zu entscheiden, welcher Artikel ins Heft soll und welcher nicht? Wer hat das letzte Wort beim Layout - Moment: Darf es sowas wie das letzte Wort geben? Wie bewältigt frau die unendliche Übersetzungslawine? Wer soll das bezahlen (Seitenblick auf die Frauenanstifterinnen)? Und wie soll das Ding heißen? »Circa«, »Face to face«, »Bésame mucho«, »Ahorita forever«? »Lolapress«, sprachlich nicht eindeutig zuordbar, machte das Rennen, denn klasse Lolas gibt's in der Geschichte zuhauf. »Lolapress« sollte auf spanisch und deutsch erscheinen, damit in zwei der meistgesprochenen Sprachen der Welt. Die Frauenanstiftung übernahm die Finanzierung (mit Mitteln des deutschen Entwicklungshilfeministeriums). Projektkoordinatorin ist nach wie vor Regina Michalik, die für die Wahl als Landesvorstandssprecherin der Berliner Grünen kandidiert.
Zwischen Montevideo, Windhoek/Namibia und Berlin rotierte die Redaktion fortan - bald des öfteren auch im geläufigeren Sinne des Wortes, trotz E-Mailanschluß, Fax und Telefon. Die Frauen aus Montevideo - langjährige Herausgeberinnen der uruguayischen Frauenzeitschrift »Cotidiano Mujer« - erwiesen sich als die Gewieftesten und Durchsetzungsfähigsten. Eine relative »La teinamerikalastigkeit« der Zeitschrift zieht sich bis heute durch. Die Redaktionsfrauen aus Windhoek gaben das Zepter bald an eine Frauengruppe in Johannesburg/ Südafrika weiter. Satellitinnen in Trinidad und Tobago/Karibik sowie in El Salvador kamen im Laufe der Jahre hinzu. Nur eine Redaktionsantenne in Asien fehlt trotz bekundeter Bemühungen - Beiträge aus diesem Kontinent erscheinen daher nur sporadisch.
Zweimal im Jahr kommt Lolapress aus einer uruguayischen, südafrikanischen oder deutschen Druckerei, in 4000er Auflage. Seit April dieses Jahres sogar dreimal jährlich mit 6000 Exemplaren. Eine Antwort auf steigenden Absatz? Regina Michalik rückt die Kriterien zurecht: »Feste Abonnentinnen? Wir haben nur 200. Aber das besagt nicht viel. Eine Auslandsüberweisung kostet meist mehr als das Abo. Und wo die Post schlecht funktioniert, holst du dir dein Heft lieber gleich in einem Frauenzentrum.« Es ist schwierig für Nordfrauen, Geld von Südfrauen einzutreiben, dennoch sollte die Zahl der zahlenden Leserinnen gesteigert werden.
Jedes Heft ist überraschend eigenwillig, die Handschrift der jeweils gestaltenden Redaktionsgruppe unverkennbar: witzig und gestalterisch am mutigsten die Hefte aus Uruguay, persönlich anrührender die afrikanischen und layoutmäßig am bravsten die deutschen Hefte. Lolapress will, das sagte schon das erste Editorial, Verwirrung stiften, feministisch undogmatisch provozieren, das soziale Unterschiede ignorierende »schwesterliche Wir« hinterfragen. Zu Anfang, 1994, war die Frage »Frauen und Macht« virulent: Was hat der deutsche Frauenstreik am 8. März gebracht? Auch das Thema »Migrantinnen und Macht« in der Nummer zwei nimmt Bezug auf eine deutsche Debatte. Gibt es eine typisch deutsche Beziehung zur Macht? Würden Südfrauen die Stiftung anders führen und unverkrampfter damit umgehen, jährlich 8 Millionen DM zu verteilen? Schließlich: Was für Schlüsse sind aus der Auflösung der Frauenanstiftung zu ziehen (Heft 2 und 3)? Das sind Themen aus dem Selbstverständigungsprozeß der Projektfrauen.
Aber damit hat es sich auch schon in Sachen Nabelschau. Die Zeitschrift kommt meist ohne einen ausgewiesenen Schwerpunkt aus, dennoch herrscht keine Beliebigkeit. Die feministische Debatte der 90er Jahre findet in Lolapress ihre Chronistin. Da stritten Befürworterinnen der großen UN-Konferenzen vom Sozialgipfel in Kopenhagen bis zur Frauenkonferenz in Peking mit Warnerinnen vor deren Funktion als Energieschlucker und Ablenkungsmanöver. Beim Schlagwort Globalisierung ging es um die fragwürdigen Chancen für Frauen. Die »Frauen als Täterinnen«-Debatte war ein Meilenstein und heftigst debattiert frau bis heute über die Ablösung des Feminismus durch die Genderdebatte. Homo- und Bisexualität in verschiedenen Kulturen, Gewalt gegen Frauen, Frauen in cyberspace und mailart - Lolapress hält so fest, was in den letzten fünf Jahren unter Feministinnen weltweit diskutiert wurde. Und macht von Schweden bis Uganda, von Sri Lanka über Mauritius bis Chile landesspezifische Kampagnen und Ereignisse zugänglich. Oder diskutiert feministische Grundansätze wie die kontroversen Thesen des Frauenbuchladens in Mailand. Immer parteiisch, subjektiv, mit Spaß dabei. »Wozu auch sonst das Ganze?«, heißt es fragend in der Selbstdarstellung. Vielleicht, weil es so etwas sonst nirgendwo gibt?
LOLAPRESS, international feminist journal, Koordination und Europaredaktion: Regina Michalik, Friedrichstr. 165, D- 10117 Berlin, Tel: 030-20450240, Fax: 030-20450241, e-mail:; Jahresabonnement: 20,- DM
(*) Eine der drei grünnahen Teilstiftungen, die inzwischen zur Heinrich-Böll-Stiftung fusioniert sind
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