Vom jüngsten Coup seiner politischen Gegner erfuhr Joao Alberto Capiberibe, Gouverneur des nordbrasilianischen Bundesstaates Amapá, in Paris. Dort sprach er gerade mit der französischen Regierung über sein Programm zur nachhaltigen Landesentwicklung (PDSA). Er sei abgesetzt, ließ ihn sein Parlamentspräsident telefonisch wissen. Nicht zum ersten Mal zieht die rechte Opposition alle Register, um "Capi" loszuwerden.
Bei seiner Ankunft am Flughafen der Landeshauptstadt Macapá wartete bald darauf ein großes Aufgebot, um den Bis-Dato-Gouverneur seiner Solidarität zu versichern. Unter ihnen Lula, Ehrenpräsident der Arbeiterpartei (PT), und Luiza Erundina, ehemalige Bürgermeisterin von Sao Paulo und inzwischen "Capis" Parteigenossin in der Sozi
Capis" Parteigenossin in der Sozialistischen Partei Brasiliens (PSB). Amapás Vize-Gouverneurin, Dalva Figueiredo, (PT) hatte das Impeachment-Verfahren gegen "Capi" zuvor schon für verfassungswidrig erklärt und kündigte ein Einschreiten der Generalstaatsanwaltschaft an. Capiberibe selbst weigerte sich, aus dem Regierungspalast auszuziehen, er will bei Staatspräsident Fernando Henrique Cardoso Beschwerde einlegen. Die Lage ist vorerst gespannt.Zunächst hatte Landesparlamentspräsident Fran Júnior von der rechten PMDB eine 180-tägige Amtsenthebung des Gouverneurs durch das Landesparlament durchgesetzt. Als ihm dazu die notwendige Zweidrittelmehrheit fehlte, änderte er kurzerhand die Verfassung. Nach Parlamentsentscheidung soll nun eine Untersuchungskommission binnen sechs Monaten die Sachlage klären und über "Capis" endgültiges Schicksal entscheiden. Dass die besagte Untersuchungskommission im Vorfeld schon vom Bundesgerichtshof als nicht verfassungskonform eingestuft und abgelehnt wurde, ist nur eine der Ungereimtheiten des ganzen Aktion. Die nächste: Júniors Vorwurf fußt auf einem Zwischenbericht der Vorsitzenden des Landesrechnungshofs, Margarete Santana. "Capi" habe Gelder des staatlichen Erziehungsfonds FUNDEF zweckentfremdet, behauptete sie. Der Vorwurf war allerdings im August bereits von Prüfern mit fünf zu zwei Richterstimmen entkräftet und Margarete Santana ihrerseits wegen Korruptionsverdachts zeitweise abgesetzt worden.Der Krieg zwischen dem Establishment Amapás und "Capi" entbrannte mit der Wahl des Ex-Guerrillero und politischen Exilierten zum Gouverneur des brasilianischen Amazonas-Anrainerstaates im Jahre 1994. Seine umwelt- und sozialgerechte Politik ist den Reichen des Landes nicht nur ideologisch ein Dorn im Auge, sie verlieren seither auch zunehmend den Zugriff auf traditionelle Pfründe. Capiberibe durchforstete den Staatshaushalt und förderte zahlreiche Löcher, mangelnde Buchführung und persönliche Bereicherungen zutage.1998 gelang es der in Parlament und Landesrechnungshof fest im Sattel sitzenden Opposition um ein Haar, die Wiederwahl des beliebten Gouverneurs zu verhindern. Abgeordnete, die selbst in skrupelloser Manier öffentliche Gelder einsacken, tönten lauthals, "Capi" habe aus dem Landeshaushalt Wahlkampfpropaganda bezahlt und müsse von der Kandidatur ausgeschlossen werden. Doch wer im Glashaus sitzt, sollte bekanntlich nicht mit Steinen werfen. Brasilia wies die Klage ab, wohlwissend, dass bei einem anderen Beschluss kaum einer der Kandidat landesweit im Rennen geblieben wäre, an erster Stelle nicht Staatschef Cardoso, der sich gerade um eine zweite Amtszeit bewarb.Wiedergewählt bohrte "Capi" weiter. Anfang dieses Jahres lud er die parlamentarische Untersuchungskommission (CPI) aus Brasilia ein. In Amapá habe der Drogenhandel die Wirtschaft und höchste Stellen im Staatsapparat durchsetzt, warnte er. Nach den ersten Zeugenvernehmungen befanden sich unter den Hauptverdächtigen: Parlamentspräsident Fran Júnior, sechs weitere Abgeordnete der rechten Opposition, die Rechnungshofvorsitzende Margarete Santana und Sílvio Assis, Besitzer der Tageszeitung Amapá Estado. Assis tauchte noch am selben Tag unter, an dem die CPI in Amapá eintraf - und ist bis heute flüchtig.Die mutmaßlichen Täter schlugen zurück. Capiberibe sei der eigentliche Drahtzieher im Drogenhandel, erklärten sie der Untersuchungskommission. Mit zwischenzeitlichem Erfolg. Erst bei ihrem zweiten Besuch in Macapá, wiederum auf Einladung des Gouverneurs, ließ sie sich im Mai von dessen Unschuld überzeugen. Fran Júnior wurde zunächst von seinen eigenen Abgeordneten gedrängt, sein Amt niederzulegen, brachte dann aber wieder eine Unterstützergruppe hinter sich. Margarete Santana kehrte nach ihrer zeitweiligen Entfernung ungerührt auf ihren Posten im Rechnungshof zurück und spielt die Unschuldige. Im Juni erhielt "Capi" Morddrohungen.Auf vermutlich mehr als 200 Millionen Reais (etwa 200 Millionen Dollar) beziffert "Capi" die Summe, sie seit 1995 illegal in Amapá bewegt wurde. Nur ein Teil davon, rechnet er nach, kann überhaupt durch Korruption abgezweigt worden sein. Der Rest stamme aus dem Kokainhandel. Aber schon die ans Licht gekommenen Korruptionsfälle sind beachtlich. Inzwischen wurde bekannt, dass Fran Júnior mit Schecks des Abgeordnetenhauses für 144.000 Reais Rechnungen zum Bau einer Zugangsstrasse in eine seiner Fazendas beglichen hat. Die Straße, heißt es, führe zu einer Anlegestelle für Kokaintransportboote. Die CPI besitzt auch Nachweise, dass über 1,3 Millionen Reais aus dem Haushalt des Landesrechnungshofes in die Kassen des Zeitungsunternehmers Assis geflossen sind. Da dort nur 500.000 Reais ankamen, geht die CPI von einer Geldwaschaktion aus.Vor kurzem hat die Drogenkommission ihren Abschlussbericht vorlegt. Der entlastet "Capi" und bestätigt den Verdacht gegen einige Parlamentabgeordnete. Allein der Druck auf den Gouverneur bleibt, Morddrohungen inklusive. Während man an brasilianischen Universitäten, in Umweltschützerkreisen, und im Ausland voll des Lobes ist für den von "Capi" beschrittenen nachhaltigen Entwicklungspfad, wären die Herrschenden im eigenen Land ihn lieber heute als morgen los. Um so populärer ist er in der armen Bevölkerung: Bis zu 70 Prozent der Bewohner Amapás befürworten seine Politik. Bei den Kommunalwahlen am 1. Oktober gewann Parteifreund Joao Henrique Pimentel das Bürgermeisteramt der Hauptstadt Macapá. Dem bisherigen Bürgermeister und Kandidaten der Rechten, Anibal Barcellos, trug der Hinweis auf die Leistungen in seiner bisherigen Amtführung gerade mal den dritten Platz ein. Das bringt Capiberibes Opposition zweifellos noch mehr auf die in Amapá reichlich vorhandenen Palmen. In den kommenden Wochen dürfte es dort noch heißer werden, als es ohnehin schon ist.Zur Unterzeichnung von Unterstützungserklärungen siehe: www.socioambiental.org