Das Scherflein ins Trockene gebracht

Eine "Kommunalwahl" mit Signal Nicht nur die CDU, auch die SPD-Linke hat verloren

Bremen ist das einzige Bundesland, in dem die SPD nach 1945 ununterbrochen den Regierungschef stellt. Es ist also etwas sehr Besonderes. Statt einen Vergleich mit Skandinavien zu ziehen - aber selbst da gab und gibt es ja immer wieder einmal bürgerliche Kabinette -, sollten wir an das Näherliegende denken: Vergangenen Sonntag hat im Grunde eine Kommunalwahl stattgefunden. In Südhessen und Nordrhein-Westfalen gibt es ebenfalls die eine oder andere Gemeinde, die seit Olims Zeiten ununterbrochen gelinde rot regiert wird.

Auch dass es einen Rathauskönig gibt, weist auf den kommunalen Charakter dieses Votums hin. So haben wir es in vielen Städten und Gemeinden. Das Bürgermeisteramt ist in Deutschland fast die einzige politische Position, in der man, wenn man keine Fehler macht, über viele Jahre hin unangefochten bleiben kann. Das führt dann dazu, dass die betreffende Person nach einiger Zeit von ihrer Partei unabhängig wird - umgekehrt gilt das nicht.

Henning Scherf hat im Wahlkampf alles getan, um sich in dieser Weise zu stilisieren. Wiederum typisch kommunal ist auch die Vertracktheit des Ergebnisses: CDU-Wähler, die die Große Koalition wollten, mussten für die SPD stimmen (und taten es dann auch), weil der Bürgermeister angekündigt hatte, er werde zurücktreten, wenn seine Partei nicht die Nummer Eins bleibt. Damit hätte er den Weg für Rot-Grün freigemacht.

Nun ist aber der Stadtstaat Bremen doch ein Bundesland, und deshalb wird das Ergebnis für allgemeinere Zwecke ausgeschlachtet, soweit es geht. Zum Beispiel fällt auf, dass die SPD selbst unter diesen äußerst guten Bedingungen nicht zulegte, sondern gerade mal ihr Ergebnis von 1999 hielt. Es lässt sich einwenden, dass bei 40 Prozent Ausgangsmarke die Steigerungsmöglichkeiten Grenzen haben und dass der Zuwachs für die Grünen wohl auch von linken Sozialdemokraten kam, die Scherfs Kurs korrigieren wollten. Diese SPD-Linken, teilweise repräsentiert durch den Landesvorsitzenden Detlev Albers, haben verloren.

Henning Scherf steht für eine Sanierungspolitik mit Hilfe der CDU. Die Staatsschulden sind in Bremen jetzt noch höher als bei Beginn seiner Koalition. Das ist im Bund auch so und könnte die SPD parteipolitisch eher ermutigen: Es wird offenbar verziehen, zumindest dann, wenn die CDU mit in der Regierung ist und nicht dagegen opponieren kann.

Dies ist der Grund dafür, dass Merkel und Stoiber ganz gewiss keine Große Koalition auf nationaler Ebene wollen. Perschaus Niederlage ist deutlich genug.

Die bremische SPD hielt Schröder im Wahlkampf für ein Risiko und stellte ihn in den Schatten von Scherf. Dennoch kann der Kanzler vom Ergebnis profitieren, nämlich innerparteilich. Er wird seinen linken Kritikern zumindest andeuten, ein bisschen habe auch die Agenda 2010 gewonnen, denn der Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen stehe irgendwie auch für diesen Kurs.

Eine Niederlage kommt aber nie von einem einzigen Ereignis. Für das absehbar schlechte Abschneiden der Schröder-Kritiker auf dem Sonderparteitag am 1. Juni hat das Bremer Wahlergebnis keine ursächliche, sondern nur symptomatische Bedeutung. Aus dem Mitgliederbegehren wird wohl ohnehin nichts werden. Dass die "Gestaltungslinke" sehr früh ziemlich viel Konsens suchte, der Kanzler aber die Konfrontation, war nicht das Aufeinanderprallen zweier Taktiken, sondern Ausdruck eines Kräfteverhältnisses. Schröder könnte seinen innerparteilichen Gegnern sogar dankbar sein: die lange Diskussion verschafft dem von ihm gewünschten Ergebnis Legitimation durch Verfahren. Das bremische Wahlergebnis gehört dazu.

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