Von der Dachterrasse des Tel Aviver Hochhauses, in dem wir während der siebziger Jahre wohnten, hatte man einen Rundblick auf die Stadt und das Meer. Landeinwärts, von wo der Wind den schweren Blütenduft aus den Orangenplantagen herüber trug, lagen irgendwo die Westbank und Jerusalem. Eine ständige Dunstglocke verhüllte diesen Teil der Welt und schien Tel Aviv zu einer Insel zu machen.
Jede Fahrt über die grüne Grenze glich der Reise in ein anderes Land mit fremder Bevölkerung, von deren Lebensbedingungen meine Nachbarn weder viel wussten noch wissen wollten. Wenn ich aus Jerusalem zurückkehrte und etwa vom Streik der Ladenbesitzer in der arabischen Altstadt erzählte, den verschlossenen Jalousien der Geschäfte, die unter Androhung
Androhung des Lizenzentzugs von israelischer Militärpolizei wieder aufgeschweißt wurden, stieß ich auf ungläubige Gesichter. Noch größer war das Erstaunen, wenn ich als Beweis die neueste Ausgabe der an jedem Kiosk käuflichen Jerusalem Post präsentierte, die das Ereignis als Aufmacher auf die Titelseite brachte.An der hier zu Tage tretenden Mentalität hat sich offenbar bis heute nicht viel geändert. Anders sind das allgemeine Erstaunen und die zornige Enttäuschung über die "undankbaren" Palästinenser nicht zu erklären. Die Mehrheit der Israelis hat seit jeher die Augen vor der hässlichen Realität der Besatzung fest verschlossen. Die Kunst des Wegsehens - in Deutschland nicht unbekannt - scheint ein grenzüberschreitendes Phänomen.Junge Palästinenser besaßen offenbar die erstaunliche Fähigkeit zu fliegenSchon damals, lange vor Ausbruch der ersten Intifada, spottete man in europäischen Diplomatenkreisen, die junge Generation der Palästinenser besitze offenbar die erstaunliche Fähigkeit zu fliegen. Obwohl die israelischen Behörden versicherten, es werde bei Unruhen grundsätzlich nur in die Luft geschossen, wurden immer wieder Schulkinder getroffen. Schon damals führten die Begräbnisse zu neuen Demonstrationen, die zu neuen Begräbnissen führten. Und schon damals war zu hören, die Araber schickten perfider Weise (ihre eigenen) Kinder vor. Machte man darauf aufmerksam, dass die Bevölkerung Palästinas wie vieler Länder der Erde zur Hälfte aus Halbwüchsigen bestehe, hieß es gleich, auch das sei eine versteckte Waffe der Gegenseite: Die Steigerung der Geburtenrate zu demografischen Zwecken.Während der Intifada, die sich damals bereits ankündigte, stellten palästinensische Ärzte anhand von Untersuchungen zahlloser Verletzter fest, dass ihnen mit gezielten Stockschlägen, die von anatomischer Sachkunde zeugten, systematisch die Knochen gebrochen oder Verletzungen der inneren Organe beigebracht worden waren. Als Folge der inzwischen eingetretenen Eskalation fällt heute auch der israelischen Presse die große Zahl der Schusswunden in Kopf, Brust und Nacken auf, die sich in dieser Häufung als unglückliche Zufälle nicht mehr erklären lassen. Scharfschützen, Panzer und mit Raketen bestückte Hubschrauber werden gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt. Man stelle sich die Kommentare aus dem Weißen Haus vor, wären die Schreckensbilder aus Belgrad gekommen.Heute ist der Friedensprozesse so gut wie tot - es herrscht Kriegszustand. Der Auftritt Sharons auf dem Tempelberg, der die Empörung der Palästinenser entzündete, war nur der sprichwörtliche letzte Tropfen, der das mehr als volle Glas zum Überlaufen brachte. Aufgebrochen sind die Demütigungen von Jahrzehnten und die enttäuschten Hoffnungen der vergangenen sieben Jahre, in denen man vergeblich auf die Einhaltung der Vereinbarungen von Oslo wartete, während sich die Situation trotz Einrichtung der Autonomiebehörde in mancher Hinsicht sogar noch verschlechterte.Man muss schon ein unerschütterlicher Anhänger der Verschwörungstheorie sein, um ernstlich zu glauben, Arafat oder sein politischer Rivale Barghouti (oder die von Israel einst geförderte Hamas) könnten einen Volksaufstand nach Belieben entfachen. Der Nährboden für den anhaltenden allgemeinen Protest sind die herrschenden Verhältnisse und die wachsende Ungeduld, sie noch länger zu ertragen. Menschen, die eine reale Perspektive für sich und ihre Kinder sehen, setzen nicht mutwillig Haus, Gesundheit und Leben aufs Spiel, nur weil militante Fanatiker sie dazu auffordern.Natürlich profitieren die Scharfmacher beider Seiten von der gegenwärtigen Lage, nicht nur die Falken innerhalb des israelischen Militärs, der rabiate Flügel der Siedler und die extreme Rechte in der Knesseth. Es profitieren auch die fundamentalistischen Gegner Arafats und jedes Friedensprozesses auf palästinensischer Seite, die sich die berechtigte Kritik am real existierenden Friedensprozesse zunutze machen können.Zweifellos gibt es neben dem spontanen inzwischen auch organisierten Aufruhr. Aber kann man die Ursachen außer acht lassen, die zur Zweiten Intifada geführt haben?Wer die zerstörten Häuser gesehen hat, von mühsam erspartem Geld mit Hilfe der Nachbarn erbaut, aber ohne eine Baugenehmigung, die man nicht erhalten kann; wer weiß, welche alltäglichen Probleme die Einschränkung der Bewegungsfreiheit zwischen den drei Zonen hervorruft, in die man die Westbank eingeteilt hat, und welche menschlichen Dramen, wenn ein Schwerverwundeter oder eine Gebärende nicht rechtzeitig in das nächste Hospital transportiert werden können; wer das Heer der jugendlichen Arbeitslosen kennt, die bis zu ihrem 35. Lebensjahr keine Zulassung als Tagelöhner in Israel erhalten, und die Warteschlangen ihrer Väter in den Laufkäfigen der Grenzanlagen gesehen hat, der kann sich über den erneuten Ausbruch von Aggression wirklich nicht mehr wundern.Welche psychischen Deformationen Bewacher und Bewachte heute schon davontragen, lässt sich nur ahnen. Auch die jüngste Generation ist vor ihnen nicht sicher. Wer offenen Auges durch den Gazastreifen fährt - die trügerische Idylle der schmucken Einfamilienhäuser mit ihren roten Ziegeldächern und den verschwenderisch gewässerten Vorgärten hinter Wachturm und Stacheldraht auf der einen, die trostlose Wüstenei der riesigen Slums, in denen eine Million Menschen vegetieren, auf der anderen Seite, dem wird bildhaft klar, dass die Kinder zu beiden Seiten des Zauns nur zu Psychopathen heranwachsen können.Wenn ein Siedlerkind zum Zahnarzt muss, wird militärischer Begleitschutz gestelltIm Dasein eines jeden Menschen gibt es einen Zeitpunkt, zu dem er sich von den Illusionen seiner Jugend verabschieden und den Tatsachen ins Auge sehen muss. Mit 18 Jahren denkt man noch, man sei keinen Begrenzungen in Raum und Zeit unterworfen. Ein endlos langes Leben scheint vor einem zu liegen und eine ganze Welt von Optionen, unter denen man nur zu wählen braucht. Im Laufe der Jahre lernt man dann, wie begrenzt die zur Verfügung stehende Zeit ist und dass auch die Optionen sich langsam verringern. Der Bevölkerung junger Staaten scheint es ähnlich zu gehen.Nach dem Sieg im "Sechs-Tage-Krieg" glaubte man in Israel an eine Zukunft der im wahrsten Sinne unbegrenzten Möglichkeiten, hielt die Entwicklung für offen und jedes Ziel - besonders ein Groß-Israel unter Einbeziehung des Golan, der Westbank und Gaza - für erreichbar. Die von ausnahmslos allen israelischen Regierungen betriebene Siedlungspolitik war ein Ausdruck dieses Denkens. Das einzige Problem schien die ansässige palästinensische Bevölkerung. Sie zu vertreiben, wie es die Rechtsradikalen forderten, war unmöglich. Sie zu Bürgern Israels zu machen, war ebenso undenkbar, weil es die zionistischen Idee eines jüdischen Staates gefährdet hätte, der in absehbarer Zeit mit einer arabischen Bevölkerungsmehrheit innerhalb seiner Grenzen hätte rechnen müssen.Nach dem überstandenen "Yom-Kippur-Krieg" 1973, der für Israel, das sich bis dahin für unbesiegbar gehalten hatte, ein tiefer Schock war, schien es für kurze Zeit eine Bereitschaft zum Umdenken zu geben. Aber schon bald tröstete man sich mit der auch heute populären Erklärung, die zunehmende Isolation in der Welt, deren ungeteilte Sympathien man solange genießen konnte, habe ihre Ursachen nur in mangelhafter PR-Arbeit, der es nicht gelungen sei, dem Ausland die eigenen Positionen überzeugend zu vermitteln. Der Allon-Plan (benannt nach dem damaligen Außenminister), der schon früh eine dritte Lösung jenseits der beiden undurchführbaren Alternativen versucht hatte, gewann an Aktualität. Er antizipierte eine begrenzte Autonomie der Palästinenser als auf Dauer unvermeidlich, sah aber Siedlungen, besonders entlang der Grenze zu Jordanien, als cordon sanitaire an. Die Entwicklung im seither vergangenen Vierteljahrhundert hat solche Überlegungen in jeder Hinsicht weit hinter sich gelassen.Die damalige strategische Prämisse ist inzwischen politisch gegenstandslos geworden. Aber die Siedlungen wurden weiter errichtet, eine nach der anderen, nicht nur am westlichen Ufer des Jordan, sondern in der ganzen Westbank. Ihre Funktion bestand nicht im Schutz des israelischen Kernlandes, sondern darin, die Annexion des besetzten Territoriums durch Schaffung vollendeter Tatsachen vorwegzunehmen. Auch nach Oslo wurde der Ausbau der Siedlungen planmäßig fortgesetzt - die Zahl der Siedler ist seither von 140.000 auf 200.000 gewachsen.Um den bestehenden Zustand zu erhalten, muss ein Aufwand getrieben werden, der beispiellos ist. Wenn ein Siedlerkind zum Zahnarzt muss, wird militärischer Begleitschutz gestellt. Wenn bewaffnete Siedler ihre arabischen Nachbarn zur Gegenwehr provozieren, greift die Armee ein. Sie schützt die Siedler in jedem Falle vor der einheimischen palästinensischen Bevölkerung. Aber wer schützt die Palästinenser vor den Siedlern und der israelischen Armee? Um den bestehenden Zustand zu beenden, brauchte es eine Regierung, die nicht nur Weitsicht und Entschlossenheit besitzt, sondern auch die nötige Zustimmung in Parlament und Öffentlichkeit gewinnen kann. Beide Voraussetzungen fehlen zur Zeit.Freilich, die Erinnerung an die verlassenen Häuser in Haifa und JaffaDie Redeweise, Israelis und Palästinenser müssten ihre Ansprüche reduzieren, um einen Kompromiss zu erreichen, verdeckt die Tatsache, dass die eine Seite ihren eigenen Grund und Boden zurückfordert, der ihr nach 1967 genommen wurde, während die andere wenigstens einen Teil ihrer Eroberungen behalten will. Dass die eine ein Ende des mehr als 30jährigen Besatzungsregimes verlangt, während die andere es nur partiell aufzugeben bereit ist. Wenn die Palästinenser betonen, dass sie sich mit 20 Prozent des historischen Palästinas zufrieden geben, sollte man verstehen, dass sie damit nur weitere Abstriche ablehnen und nicht etwa indirekt erneut die Existenz des Staates Israel in Frage stellen wollen. Freilich, die Erinnerung an die verlassenen Häuser in Haifa und Jaffa, die 430 geschleiften arabischen Dörfer, auf deren Platz heute Kibbuzzim stehen, an die zerstörten Moscheen, die verschwundenen Friedhöfe mit den Gräbern der Vorfahren, an die Olivenhaine und Orangenplantagen bleibt in den Erzählungen der Alten lebendig und wird von Jahr zu Jahr schöner. Aber auch sie wissen, dass eine Rückkehr der Flüchtlinge in die alte Heimat nicht mehr durchsetzbar ist. Dem Status ihrer Landsleute, die dort als Bürger dritter Klasse leben, fehlt im Übrigen auch jede Attraktivität.Das Bestehen der Palästinenser auf dem von der UNO sanktionierten Rückkehrrecht, das jetzt soviel Furore macht, darf in seinen praktischen Konsequenzen nicht überschätzt werden. Es ist weder ein Anlass für Horrorszenarien noch ein Beweis fehlender Verständigungsbereitschaft, sondern die Inanspruchnahme eines Rechtstitels, mit dem man der Forderung nach unbürokratischer Familienzusammenführung und Entschädigung Nachdruck verleihen kann.Wenn die Israelis von ihrer Bereitschaft sprechen, 90 Prozent der besetzten Gebiete, die im offiziellen Sprachgebrauch stets die "befreiten" hießen, unter gewissen Konditionen aufzugeben, muss man hinzufügen, dass sie nur eine Reihe geografisch isolierter Siedlungen auf der Westbank und ein weiteres Dutzend im Gaza-Streifen räumen, 80 Prozent von ihnen aber behalten und dem eigenen Staatsgebiet zuschlagen wollen. Auf diese Weise würden vier tiefe Keile in die Westbank getrieben. Schon jetzt zerschneiden die israelischen Enklaven mit ihrem eigenen Straßennetz, das quer durch arabische Äcker und Gärten gelegt wurde, das Territorium zu einem Flickenteppich, aus dem ein kohärentes Staatsgebiet schwerlich entstehen kann. Die israelischen Pläne für ein Groß-Jerusalem, die schon heute in den festungsartigen riesigen Wohnblocks außerhalb der Stadtgrenzen ihren erschreckenden architektonischen Ausdruck finden, würden die Westbank darüber hinaus noch einmal in zwei Teile spalten. Hier und in der arabischen Altstadt wohnen inzwischen weitere 186.000 Israelis. Der im Ausland vermittelte Eindruck, Jerusalem sei der letzte verbliebene Streitpunkt und eher psychologischer Natur, ist also durchaus falsch.Hinzu kommt die Kontrolle Israels über die Boden- und Wasserrechte, die Außengrenzen und die Außenpolitik. Angesichts dieses Mangels an Souveränität wäre die Bezeichnung "Staat Palästina" ein Etikettenschwindel - Protektorat wäre weit passender. Selbst wenn Arafat seine Unterschrift dazu gäbe, könnte er doch niemals die Zustimmung seines Volkes gewinnen.Nicht Mendes-France, sondern nur ein de Gaulle konnte Algerien aufgebenIsrael hat - von den USA in der UNO stets gedeckt - jahrzehntelang unter permanenter Verletzung des internationalen und des Völkerrechts wie der Menschenrechte seine Besatzungs- und Annexionspolitik betrieben. Wo immer möglich, haben seine Regierungen sich bemüht, ihr Vorgehen zu legalisieren, egal auf welche Gesetze aus welcher Epoche Palästinas man sich gerade berufen musste. Notfalls wurden militärische Sicherheitsbedürfnisse als Grund für illegale Konfiszierungen von Land angeführt. Aber aus der Summe dieser Maßnahmen, selbst wenn jede einzelne juristisch begründet wäre, entsteht noch kein Recht. So hat man sich Schritt für Schritt in eine Situation manövriert, in der es nichts nützt, nur schlau, sondern nur noch hilft, mutig zu sein.Nun weiß man ja, dass nicht Mendes-France, sondern nur ein de Gaulle Algerien aufgeben konnte. Leider kann man nicht darauf hoffen, dass Sharon mehr Bereitschaft zeigen wird als Barak, über den eigenen Schatten zu springen. Politiker wagen es nicht, bittere politische Wahrheiten auszusprechen, selbst wenn die sprichwörtlichen Spatzen sie bereits von den Dächern pfeifen. So war es mit der Unabänderlichkeit der Oder-Neiße-Grenze, und so ist es mit der Unvermeidbarkeit eines palästinensischen Staates. Aber wenn die Politik die falschen Signale setzt, kann es auch zu Rückschlagen in der öffentlichen Meinung kommen, die vernünftige Lösungen auf Jahre blockieren. Genau das scheint jetzt in Israel geschehen zu sein.Ein erfahrener politischer Beobachter, dessen Leitartikel in der angesehensten Zeitung des Landes erschienen, erklärte mir schon vor Jahr und Tag, dass massiver politischer Druck, wie ihn Washington in anderen Weltregionen mehr als einmal ausgeübt hat, um seinen Willen durchzusetzen, geradezu willkommen wäre: Nur so könne eine israelische Regierung die Aufgabe der besetzten Gebiete akzeptieren und gegenüber der eigenen Bevölkerung rechtfertigen. Aber die USA, die Israel mehr Hilfsgelder geben als dem gesamten afrikanischen Kontinent, beließen es auch nach dem Ende des Kalten Krieges bei gelegentlichen Ermahnungen, die in Tel Aviv zu Recht niemand Ernst nahm. Auch die Vorschläge Clintons, die über Baraks bisherige Angebote hinausgingen, stellten keine prinzipielle Kursänderung dar, da sie eben an der Suprematie Israels und der Zerstückelung der Westbank festhalten.Der israelische Staat scheitert an einem Problem, das er selbst geschaffen hatEin erster Schritt zur Entspannung wäre der Rückzug der israelischen Armee aus den Städten der Westbank. Es ist ihre militärische Präsenz, die eine Fortsetzung der Straßendemonstrationen bewirkt, die zu unterdrücken sie versucht. Um dem Aufstand auf Dauer seinen Gegenstand zu entziehen, müsste sich Israel allerdings, wie Uri Avnery es fordert, endgültig auf die grüne Grenze zurückziehen, die man auf israelischen Landkarten vergeblich sucht. Das einzig nennbare Argument für einen weiteren Verbleib der israelischen Armee sind die jüdischen Siedler. Sie sind gemeint, wenn vom Schutz der Bürger Israels gesprochen wird, denn weder die Bürger in Israel noch ihr Staat sind von der Intifada bedroht. Wird allerdings die jetzige Strategie mit massivem Einsatz von Kampftruppen fortgesetzt, besteht die große Gefahr, dass es nach dem Gesetz der selfful-filling prophecy erneut zu Terroranschlägen arabischer Extremisten in Israel kommt, die man mit Vergeltungsschlägen nicht eindämmen, sondern nur vermehren kann.Mit anderen Worten: der israelische Staat scheitert an der Lösung eines Problems, das er selbst geschaffen hat. Zu einem Zeitpunkt, als die jugendlichen Steinewerfer und die nur wenige Jahre älteren Soldaten, die heute auf sie schießen, noch nicht geboren waren, gab es bereits das geflügelte Wort: "Alles, was vernünftig wäre, ist nicht machbar. Alles, was machbar wäre, ist nicht vernünftig."Ich weiß nicht, warum das Existenzrecht Israels bedroht sein sollte, wenn die Palästinenser nach über 30 Jahren Besetzung ihr eigene Land in Besitz nehmen wollen. Ich weiß nur, dass die astronomischen Summen, die Israels Regierungen dank der Finanzhilfe des Auslands für die Siedlungspolitik und deren militärischen Schutz ausgeben konnten, in die Zementierung eines Konflikts investiert wurden, an dem beide Völker Palästinas eines Tages zugrunde gehen können. Sie haben nur die Wahl, als Nachbarn zusammen zu leben oder zusammen zu sterben. In Frieden miteinander leben aber können sie nur, wenn der Stärkere dem Schwächeren die gleichen Rechte zubilligt. Dazu ist Israel nicht bereit. Das ist die eigentliche Tragödie.In memoriam Professor Walter Grab, Tel Aviv (1919 - 2000)Gerhard Schoenberner ...... Autor von Büchern und Filmen zur Judenverfolgung des Nazi-Regimes (u.a. Der gelbe Stern) und 1992 Gründungsdirektor der Berliner Gedenkstätte "Haus der Wannsee-Konferenz", war 1973 bis 1978 im diplomatischen Dienst als Direktor des Kulturzentrums der bundesdeutschen Botschaft in Tel Aviv tätig.
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