Habana Blues ist der zweite Spielfilm des 1965 in der Nähe von Sevilla geborenen Benito Zambrano. Der Regisseur und Drehbuchautor hatte bereits beim spanischen Fernsehen als Kameramann gearbeitet, bevor er 1992 zu einer 3-jährigen Ausbildung an die renommierte internationale Filmschule von San Antonio de los Baños in der Nähe von Havanna ging. Nach seiner Rückkehr ins heimische Spanien und nach einigen Kurzfilmen drehte Zambrano 1999 Solas, einen illusionslosen Film über die Konflikte zwischen Stadt und Land, zwischen patriarchalisch geprägten Eltern und einer nach Befeiung strebenden Tochter. Der Film gehört zu den erfolgreichsten und auch von der Kritik höchst gelobten spanischen Produktionen der letzten zehn Jahre.
Mit Habana Blues hat sich Benito Zambrano einen Traum erfüllt, den er bereits in seiner Ausbildungszeit hegte: Einen Film in Kuba zu drehen mit kubanischen Darstellern und für das kubanische Publikum. Und er sollte etwas von dem dortigen Lebensgefühl vermitteln und den Menschen in Kuba etwas von dem zurückgeben, was Zambrano von dem Land erhalten hat, das er als seine zweite Heimat bezeichnet. Habana Blues erzählt die Geschichte der beiden Musiker Ruy (Alberto Joel García) und Tito (Roberto Sanmartín), die seit Kindertagen eng befreundet sind, und die nun, längst erwachsen geworden, immer noch darauf hoffen, mit ihrer Rockband eines Tages den Durchbruch zu schaffen. Ruy ist mit Caridad (Yailen Sierra) verheiratet und hat mit ihr zwei Kinder, doch sie schlafen in getrennten Betten - die Scheidung ist nur noch eine Frage der Zeit und des Findens einer neuen Wohnung. Tito dagegen lebt bei seiner energischen Großmutter (Zenia Marabal), einer erfahrenen Musikerin, die trotz ihres hohen Alters noch Unterricht gibt. In ihrem Haus probt deshalb auch die Band von Tito und Ruy mangels anderer Möglichkeiten. Eines Tages taucht in Havanna ein spanisches Produzentenduo auf, das nach neuen Talenten Ausschau hält und die Stimmen von Kubas Rock-Rebellion international vermarkten will. Ruy und Tito sehen ihre große Chance gekommen, ihre Träume zu verwirklichen: zu Geld zu kommen mit ihrer Musik und ins Ausland reisen zu können. Doch bald sehen sie sich vor eine Wahl gestellt, die sie so nie treffen wollten ...
Habana Blues ist ein Film, der schmerzlich die Zerrissenheit vermittelt, der Kuba ausgesetzt ist: Weggehen erscheint oft als einzige Möglichkeit - und ist doch keine Lösung. Darüber hinaus funktioniert Habana Blues aber auch als ungeheuer informativer Streifzug durch Havannas aufmüpfige Musikszene. Bruchlos fügt sich die eigens für den Film geschaffene "Habana Blues Band" ein in die Welt real existierender Rock-, Funk- und Hip-Hop-Bands. Als Musikfilm ist Habana Blues eine Art Buena Vista Social Club der Gegenwart, doch er kippt niemals in die nostalgische und touristische Optik, der Wim Wenders in seinem Film letztlich nicht widerstehen konnte. Zambranos Film steht vielmehr ästhetisch und inhaltlich in einer Reihe mit Meilensteinen des kubanischen Kinos wie Suite Habana von Fernando Pérez oder Fresa y chocolate von Tomás Gutiérrez Alea und Juan Carlos Tabío. Mit ihnen hat Habana Blues gemeinsam die so ungeschminkte wie unendlich liebevolle Darstellung des mühseligen Alltags der Leute in Kuba in Verbindung mit einem stets vitalen Sinn für Humor selbst noch verzweifelter Lage.
FREITAG: Ich habe gehört, dass die Entstehung von "Habana Blues" habe auch mit der Schweiz zu tun gehabt. Wie kam das ?
Benito Zambrano: Nun, ich habe zwischen 1992 und 1994 an der Filmschule in San Antonio de los Baños bei Havanna meine Ausbildung gemacht, und meine Abschlussarbeit war ein halbstündiger Kurzfilm El encanto de la luna llena (Der Zauber des Vollmondes). Der Film fand einige Beachtung, und so wurde ich zu diversen Festivals eingeladen, darunter auch nach Fribourg. Das war im März 1995, und ich erhielt dort den Preis für den besten Kurzfilm. Damit konnte ich mir eine weitere Reise nach Kuba finanzieren und schrieb dort dann während einiger Monate die erste Version des Drehbuches für Habana Blues. Die Idee für diese Story hatte ich bereits am Ende meines Studiums, doch ich hatte damals überhaupt kein Geld mehr, um noch länger in Kuba zu bleiben. Man kann also sagen, dass es ohne die Schweiz den Film so vielleicht nicht gegeben hätte.
Warum dauerte es dann so lange, bis Sie den Film realisieren konnten?
Nun, ich hatte zuvor bereits das Drehbuch zu Solas geschrieben, und das war eine einfachere Geschichte, einfacher zu realisieren. Und sie war auch besser geschrieben als das Drehbuch von Habana Blues, wie mein Produzent, Antonio Pérez, fand. Und ich war damals noch ein Anfänger und somit auch noch abhängiger von meinem Produzenten als heute (lacht). Rückblickend muss ich eingestehen, dass diese erste Version auch nicht gut war, sondern bestenfalls als Entwurf taugte.
Jahre später haben Sie ja dann eine zweiten Drehbuchautor beigezogen, Ernesto Chao. Wer ist das ?
Ernesto ist ein Kubaner, den ich 1993 an der Filmschule kennen gelernt hatte, seit damals sind wir Freunde. Er hatte zu Studienzeiten bereits mit mir zusammen das Drehbuch für einen meiner Kurzfilme geschrieben. Er verstand, was ich wollte, und ich hatte bei ihm sogar das Gefühl, er kannte die Geschichte, die ich erzählen wollte. Es gab niemanden sonst, der diese Eigenschaft hatte - dabei hat Ernesto in den vergangenen zehn Jahren gar nicht als Drehbuchautor, sondern meistens als Produzent gearbeitet. Längere Zeit hatte ich aber überhaupt Zweifel, ob ich die richtige Person bin, um diese Geschichte zu erzählen. Denn ich bin der erste, der findet, die Kubaner und Kubanerinnen sollen selber über ihre Probleme reflektieren und dies dann künstlerisch oder medial umsetzen. Denn es gibt ja weiß Gott genug Ausländer, die meinen, den Kubanern sagen zu müssen, was gut und was schlecht ist für sie.
Ein Ausländer hat aber möglicherweise mehr Freiheiten, sich Dinge zu erlauben, die einem Kubaner Schwierigkeiten einbringen würden. Ich denke da etwa an den massiven und ungefilterten Gebrauch von Gassenslang und Schimpfwörtern im Film.
(lacht laut heraus) Wie kommen Sie denn darauf?
Mehrere kubanische Freunde haben mich darauf aufmerksam gemacht, und gleichzeitig anerkennend festgestellt, dass es keinen einzigen kubanischen Spielfilm gebe, der so offen die Alltagssprache mit all den vielen ´wüsten´ Wörtern spreche wie "Habana Blues".
Ja, das habe ich so ähnlich auch schon gehört. Eine meiner liebsten Freundinnen hier, eine ältere Dame, pensionierte Literaturprofessorin, sagte, die Geschichte sei ihr zwar sehr nahe gegangen, aber ob das denn nötig sei, dass die Protagonisten sich derart vulgär und obszön ausdrückten. Aber ich erlebe das so: Wenn ein Kubaner sich aufregt, dann kennt die Flut von Schimpfworten keine Grenzen, das gehört hier einfach dazu.
Was halten Sie davon, dass "Habana Blues" bereits in Tausenden von Raubkopien zirkuliert?
Das einzige, was mich daran schmerzt, ist der Umstand, dass es meistens schlechte Kopien sind - dabei möchte ich doch, dass die Leute hier meinen Film in guter Qualität sehen können. Aber viele Kubaner sind verrückt danach, meinen Film zu sehen, weil sie - durch Mund-zu-Mund-Propaganda - davon gehört haben. Natürlich rührt mich das, und es erfüllt mich auch mit Stolz.
Das Gespräch führte Geri Krebs
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