Ins Trockene gebracht

Bequemer Alltag Der Wäschetrockner frisst Strom, doch wer Ende der 50er Jahre etwas auf sich hielt, beschaffte sich einen. Unsere Autorin mag lieber ein Bett, das nach Sonne riecht

Nein, „einen Tumbler haben wir nicht“, sagte meine Mutter und blickte mich unmissverständlich streng an. Meine Freundin Brigitte hatte mir stolz ein solches Gerät in der überdimensional großen Waschküche ihres Elternhauses vorgeführt.

Das war in den achtziger Jahren, ich war acht Jahre alt und schwer beeindruckt von dem kompakten Gerät. „Warum nicht?“, fragte ich hartnäckig bei meiner Mutter nach, die gerade hektisch unsere Wäsche sortierte. „So etwas brauchen wir nicht“, antwortete sie. Immer, wenn bei uns etwas anders war als bei den anderen, betonte sie das „wir“ besonders stark. „Das ist etwas Neumodisches, das braucht man nur, wenn’s pressiert, und es frisst außerdem viel Strom“, meinte sie knapp. Ich versuchte, sie zu verstehen.

Eigentlich wäre ein Tumbler das perfekte Gerät für uns. Im Gegensatz zu Brigittes Mutter arbeitete die meine nämlich und hatte eigentlich gar keine Zeit – geschweige denn Lust –, die Wäsche zu machen.

Rückblickend betrachtet hatte sie natürlich, wie so oft, recht: Zwar war das Grundprinzip des Wäschetrockners, wie es vermutlich ein Franzose um 1800 erfand, dass er handbetrieben wurde. Die Geräte aber, die in der Nachkriegszeit zuerst in den USA, später in Europa auf den Markt kamen wie der Tumbler, brauchten Strom. Viel Strom. Das passte zum Wohlstand jener Zeit, den man gerne zur Schau gestellt hat. Wer etwas auf sich hielt, ließ Maschinen für sich arbeiten. In Europa entwickelte Miele 1958 einen elektrischen Wäschetrockner.

Traum der Hausfrauen

Was sich die Vorgängergenerationen nicht zu erträumen wagten, wurde zum Traum jeder Hausfrau in den fünfziger Jahren. Ob Front- oder Toploader, die heutigen Wäschetrockner funktionieren noch immer nach dem gleichen Prinzip: Mit warmer Luft wird die Feuchtigkeit in der Wäsche kondensiert. Die mit Feuchtigkeit gesättigte Luft wird dabei je nach Modell durch Kondensation getrocknet oder ins Freie geblasen. Die heutigen Geräte sind zwar um einiges sparsamer geworden, dennoch sind die meisten in der Energieklasse C zu finden, nur ein paar wenige in der A-Kategorie. Besser schneiden Gastrockner ab, solche gibt es aktuell allerdings nur aus dem Ausland importiert: Miele hat die Produktion des einzigen im Sortiment eingestellt.

Mein Vater antwortete damals auf meine Frage nach dem neumodischen Tumbler mit einem Vortrag zu den physikalischen Gegebenheiten des Wäschetrocknens. Dass Wäsche eben auch in klirrender Kälte trocknen könne, dass es einzig auf die Luftfeuchtigkeit ankomme.

Es geht also nichts darüber, die Wäsche an der Sonne trocknen zu lassen.

Das sagte sich wohl auch Susan Taylor, die es 2007 gewagt hatte, in ihrem Garten eines besseren Quartiers im US-Bundesstaat Oregon die Wäsche an der Leine zu trocknen. Vielleicht aus einer romantischen Vorstellung heraus, vielleicht weil das Al Gore mit seinen Tipps, wie das Klima zu retten sei, empfahl. Nein, ihre Maschine sei nicht kaputt, antwortete Taylor ihren verdutzten Nachbarinnen, die Wäsche rieche besser, und sie wolle Strom sparen. Postwendend bekam sie darauf von ihrem Grundstücksverwalter einen Brief, der ihr untersagte, die Wäsche an der Leine zu trocknen.

Tatsächlich ist es noch immer in manchen Bundesstaaten in den USA verboten, die Wäsche im Freien trocknen zu lassen. Denn das passt nicht ins Stadtbild, gilt als ein Zeichen von Armut oder Asozialität. „It looks tacky“, es wirke schäbig und nachteilig für das Viertel, so sahen es Taylors feine Nachbarinnen.

Seither versuchen so genannte Clothesline-Aktivisten gegen solche Verbote vorzugehen. Einer von ihnen ist Alexander Lee, ein 36-jähriger Anwalt. Er gründete 1995 die „Project Laundry List“ (laundrylist.org), eine Art Nachschlagewerk, das zeigt, wie man mit einer Wäscheleine Energie sparen kann. Zudem soll mit Aktionen das Recht erkämpft werden, die Wäsche im Freien trocknen zu dürfen. 1998 gelang das in Vermont, 2008 und 2009 in Connecticut, Oregon, North Carolina, Maryland, Virginia, Nebraska und New Hampshire. Auf einer Karte veröffentlicht die Community der Laundry List stolz Fotos ihrer Wäsche auf allerhand Wäscheständern und Leinen.

Der größte Stromfresser

In den USA ist der Wäschetrockner noch verbreiteter als in Europa. Die Energie-Informationsagentur der US-Regierung hat berechnet, dass Wäschetrockner für sechs Prozent des Stromverbrauchs amerikanischer Privathaushalte verantwortlich sind. Doch auch hierzulande gehören Wäschetrockner nach wie vor zu den größten Stromfressern im Haushalt.

Und doch: Wäsche in einem beheizten Raum zu trocknen, könne unter Umständen mehr Energie verbrauchen als das Benutzen eines guten Wäschetrockners, erklärt Carl-Otto Gensch vom Freiburger Öko-Institut. Er untersuchte in einer Studie den Energieaufwand für Herstellung, Vertrieb und Entsorgung der weißen Ware und berücksichtigte dabei den Umstand, dass in Deutschland nur an der Hälfte aller Tage geheizt werden muss.

Wer keinen Garten hat, die Wäsche also im Raum trocknen muss, verbraucht zu viel Heizungsluft. Denn die Feuchtigkeit muss durch vermehrtes Lüften nach draußen gelassen werden. Und unter ungünstigen Umständen kann sich Schimmel bilden. Es ist also besser, einen guten Wäschetrockner zu haben. Susan Taylor zumindest hat es gerichtlich erreicht, dass sie ihre Wäsche in der Sonne trocknen darf. Und mir ist es noch immer eine meiner liebsten Kindheitserinnerungen, mich in ein frischbezogenes Bett zu legen, das nach Sonne riecht. Meinen altmodischen Eltern sei dank.

≫Dies ist der erste Teil einer losen Reihe, konzipiert von Gina Bucher, in der die Autorin erzählt, wie sich unser Alltag durch Haushaltsgeräte verändert meist revolutioniert, selten ver-kompliziert hat. In kleinen Essays erfahren wir, was wir mit diesen Geräten tun oder was wir lassen sollten. In der nächsten Folge geht es um Flotte Lotte die Küchen-Minna. Alle Teile der Serie finden Sie unter freitag.de/bequemeralltag

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