Das Gebot der Stunde

Iran Der deutsche Spitzendiplomat Jens Plötner soll in Teheran zum Erhalt des Atomabkommenens sondieren. Ein Signal für mehr Initiative, um zu retten, was noch zu retten ist?
Der iranische Außenminister Zarif gilt als Vertrauter von Präsident Rohani und keineswegs als Hardliner
Der iranische Außenminister Zarif gilt als Vertrauter von Präsident Rohani und keineswegs als Hardliner

Foto: Ozan Kose / AFP

Die Islamische Republik hat lange eine gewisse Geduld aufgebracht mit dem destruktiven Gebaren der Trump-Regierung. Ungeachtet dessen schreitet die ökonomische Blockade des Landes weiter voran. Insofern konnte es nicht überraschen, wenn Präsident Rohani angekündigt, den Bau des umzurüstenden Arak-Reaktors ebenso wieder aufzunehmen wie eine höhere Anreicherung des bisher kleinen Uran-Inventars.

Prompt reagierte Donald Trump mit neuen und erweiterten Sanktionen, die sich gegen Metallimporte des Iran richten. Auch sind die Ausnahmegenehmigungen der Amerikaner für den Ölkauf im Iran ausgelaufen. Um so mehr fällt nun ins Gewicht, dass die europäischen Anstrengungen, die iranische Ökonomie vor den US-Repressionen zu schützen, bisher nicht erfolgreich genug waren. Was an Gegenmaßnahmen ergriffen wurde, reicht nicht aus, um die Sanktionsfolgen für den Iran zu kompensieren. Viele große Unternehmen möchten ihr USA-Geschäft nicht riskieren. Mit sogenannten Sekundärsanktionen muss rechnen, wer seinen kommerziellen Beziehungen mit Firmen im Iran nicht storniert. Da Eskalation statt Deeskalation zur US-Devise geworden ist und eine Politik des „maximalen Drucks“ verfolgt wird, sollte die Suche nach einer ernsthaften diplomatischen Lösunge die Alternative zu sein. Diese anzuberaumen, darin besteht die Aufgabe der EU gerade jetzt, aber auch Russlands und Chinas, deren Verhalten bisher eher halbherzig wirkt.

Dies ist um so bedauerlicher, weil so dem Iran schwerlich zu vermitteln ist, weshalb er sich weiter an das Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) genannte Abkommen halten sollte. Als der Vertrag am 14. Juli 2015 unterzeichnet wurde, versprachen die seinerzeit sechs Vertragsparteien – USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland – einen Abbau der Sanktionen sowie normalisierte Wirtschaftskontakte mit dem Vertragsstaat Iran. Es war gelungen, nach langen Verhandlungen eine internationale Krise zu entschärfen, indem das iranische Nuklearprogramm begrenzt wurde, eine strikte Verifikation vereinbart war und Hoffnung bestand, einen neuen Rüstungswettlauf im Mittleren Osten zu vermeiden. Die Europäer sprachen von einer „Sternstunde der Diplomatie“.

All dies steht jetzt auf dem Spiel, nicht allein wegen der sich aufbauenden Kriegsgefahr. Was sollte den Iran nach den seit 2015 gemachten Erfahrungen noch an das Nichtverbreitungsregime des Nuklearwaffensperrvertrages (NPT) halten, wenn das Abkommen entfällt?

Es dauert zu lange

Bisher haben es vor allem die EU-Staaten nicht vermocht, durch die Gründung der Auffanggesellschaft INSTEX die Konsequenzen der US-Sanktionen zumindest teilweise zu kompensieren. Durch diese Vermittlungsstelle sollen der durch den Atomvertrag erlaubte Handel mit dem Iran sowie der Zahlungsverkehr für gegenseitige Wirtschaftskooperation ermöglicht werden, wenn private Banken dies wegen der US-Drohungen nicht übernehmen wollen. Nur leider dauert es zu lange, bis INSTEX implementiert ist, sodass die Auffanggesellschaft den ökonomischen Druck auf den Iran nicht wirklich kompensiert.

Das Ultimatum der iranischen Regierung, die Lage innerhalb von zwei Monaten zu ändern, wurde von den Europäern sogleich zurückgewiesen. Gleichzeitig unterstreichen sie, dass sie dem Abkommen „uneingeschränkt verpflichtet“ bleiben. Präsident Macron hatte vor dem jüngsten EU-Gipfel „Europas Rolle in der Welt“ erklärt: „Iran muss im Abkommen bleiben, und wir müssen alles tun, um dies sicherzustellen“. Gut formuliert, aber was können die Europäer wirklich tun? Kanzlerin Merkel erklärte: „Unsere Hand bleibt an dieser Stelle ausgestreckt. Wir wollen weiter auf die diplomatische Lösung setzen.“ Ausgestreckte Hände und das Pochen auf das Einhalten von Verträgen allein reichen in dieser Situation aber nicht mehr aus.

Zunächst muss festgestellt werden, dass die angekündigten Schritte des Iran eine Vertragsverletzung wären, aber noch kein entscheidender Schritt hin zur Bombe. Natürlich will Iran die Verantwortung für einen möglichen Bruch des Abkommens dem Westen und den ausbleibenden Wirtschaftserleichterungen zuschieben. Insofern müsste die EU ihre Anstrengungen verdoppeln, um der Islamischen Republik statt des wirtschaftlichen Abstieg wenigstens eine Erholung zu ermöglichen.

Signal an Trump

Denkbar war ein Gipfel der fünf Vertragsparteien mit Iran, um den Handel insbesondere beim Öl und den Metallimporten, inklusive der dafür nötigen Finanztransaktionen, zu verstärken. Dies wäre auch ein Signal an Donald Trump, dass multilaterale Diplomatie und das Einhalten von Verträgen ernstzunehmen sind und konsequent umgesetzt gehören.

Die US-Regierung muß nachdrücklich zum Wiedereintritt in den JCPOA aufgefordert werden. Zugleich müssen zusätzliche Schritte zur Deeskalation erarbeitet werden, an denen sich auch die USA beteiligen müssen. Denn was wäre die Alternative? Wenn die Eskalation der Trump-Regierung in einen bewaffneten Konflikt mündet, hätten deren Folgen in erster Linie die Europäer zu tragen hätten. Daher müssen sie ihre Rolle als „honest broker“ ernst nehmen und auch materiell das Iran-Abkommen schützen, während die Amerikaner aufzufordern wären, eigenen Vorschläge auf den Tisch zu legen.

Dazu beitragen können Zurückhaltung des Iran bei seinem Nuklearprogramm, die Bereitschaft weiter mit der IAEO zu kooperieren und maximale Transparenz bei seinen nuklearen Aktivitäten. Jegliche kriegerischen Vorbereitungen sind kontraproduktiv, das heiße ja gerade, den Kriegstreibern in Washington auf den Leim gehen.

Die Europäer dürfen hier nicht hilflos zusehen. Angesichts dieser gefährlichen Eskalationsmöglichkeiten müssen auch die Anstrengungen verdoppelt werden, alternative Wege auszuloten: Eine europäisch-amerikanische Arbeitsgruppe unter Leitung der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini sollte gebildet werden, um die Eckpunkte eines Nachfolgeabkommens für den JCPOA zu diskutieren. Trump hat vollmundig erklärt: „Wir können einen Deal machen, einen fairen Deal. Wir wollen nur nicht, dass sie Atomwaffen haben.“ Man sollte ihn beim Wort nehmen, auf eine alternative Strategie oder ernsthafte Verhandlungen drängen. Zumindest das sollten die Europäer auf jeden Fall anbieten: als Vermittler zwischen dem Iran und den USA aufzutreten und eigene vertrauensbildende Maßnahmen vorzuschlagen.

Die Vermeidung einer weiteren militärischen Konfrontation im Mittleren Osten, die Stärkung des globalen Non-Proliferationsregimes und die Rückkehr von Frieden und Stabilität in der Region wären eine wirkliche Sternstunde der Diplomatie, für die allerdings hart gearbeitet werden muss.

Götz Neuneck ist stellvertretender Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH)

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