Für ihr Fotoprojekt hat sie zunächst im Bekanntenkreis nach homosexuellen Muslimen gesucht, die sich porträtieren ließen. Über ihren Blog (queermuslimproject.tumblr.com)und die sozialen Medien erreichten Samra Habibs Bilder aus Just me and Allah junge Muslime in aller Welt, und sie bekam viel Zuspruch von Menschen, die aus ihrer Liebe ein Geheimnis machen müssen.
Der Freitag: Frau Habib, welche Motivation steckt hinter Ihrem Fotoprojekt?
Samra Habib: Mir geht es bei den Bildern vor allem um Sichtbarkeit. Homosexuelle Muslime sind in den Medien und in der Öffentlichkeit praktisch unsichtbar. Sobald es um den Islam geht, sieht man immer die gleichen stereotypen Bilder.
Inwiefern?
Oft ist die Darstellung des Islam mit Menschen verknüpft, die ihre Religiosität streng und traditionell ausleben. Vor allem die Auswahl der Bilder in den Medien ist davon dominiert. Aber es gibt auch einen vielschichtigen, jungen, modernen Islam. Viele meiner Freunde sind gute Beispiele dafür: Sie sind kreativ, weltoffen und säkular orientiert. In diesem Islam sind Homosexualität und Glaube kein Widerspruch. Das möchte ich mit meinen Bildern zeigen.
Sehen die von Ihnen Porträtierten das auch so?
Ich glaube schon. Ihnen geht es wie mir: Sie glauben an die Vereinbarkeit ihrer Homosexualität und ihres Glaubens. Was uns allen fehlt, ist Akzeptanz und Anerkennung – sowohl von unserem direkten Umfeld als auch von traditionellen Muslimen und Teilen der westlichen Gesellschaft.
Wer sind denn die Menschen auf Ihren Bildern?
Manche sind meine Freunde oder Freunde von Freunden. Ein paar der Leute habe ich über Facebook gefunden. Andere haben mich von sich aus angesprochen, als sie von dem Projekt erfahren haben. Was zeigt, dass der Wunsch nach Öffentlichkeit groß ist.
Nehmen Sie in Ihr Fotoprojekt jeden auf, der auf Sie zukommt, oder nach welchen Kriterien haben Sie da ausgewählt?
Ich habe von Anfang an gesagt: Ich fotografiere nur Menschen, die mit ihrer Sexualität total im Reinen sind. Es meldeten sich tatsächlich ein paar Leute, deren Eltern und Freunde noch nicht Bescheid wussten. Zu denen habe ich gesagt: Nein, das möchte ich nicht machen. Ich wusste, dass das Projekt viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Auch auf die Porträtierten. Ich wollte daher nur Leute, deren Sexualität kein Geheimnis mehr war.
Wie war das bei Ihnen? Wann haben Sie öffentlich gemacht, dass Sie Frauen lieben?
Relativ spät. Ich war damals Mitte 20. Ich komme aus einem sehr religiösen Elternhaus, und das macht es natürlich nicht einfach. Ich habe lange gebraucht, um meine eigene Sexualität zu akzeptieren.
Wie reagierte Ihr Umfeld auf Ihr Coming-out?
Meine zwei Schwestern haben es sehr gut aufgenommen und unterstützen mich. Wie meine Freunde. Ihnen ging es vor allem darum, dass ich glücklich bin und leben kann, wie ich möchte.
Und Ihre Eltern?
Leider habe ich kein enges Verhältnis zu meinen Eltern. Darüber möchte ich hier aber lieber nicht sprechen.
Samra Habib, geboren 1980 in Pakistan, arbeitet als freie Fotografin, Moderedakteurin und Autorin. Sie lebt in Toronto. Ihre Porträtserie Just me and Allah ist zurzeit auf einer Ausstellungstour unterwegs durch Kanada
Reden wir über Ihre eigene Beziehung zum Islam. Sind Sie gläubig?
Meine Beziehung zum Islam ist eher eine kulturelle. Ich feiere die islamischen Feste, und ich bete, wenn mir danach ist. Aber ich lese nicht jeden Tag den Koran. Ich würde mich selbst eher als säkular bezeichnen.
Der Koran verbietet Homosexualität explizit. Wie gehen Sie mit einer Religion um, die sagt: Dein Leben ist Sünde?
Ich glaube, jede Religion hat ihre Extreme. Es liegt an dir, wie du damit umgehst. Ob du sagst: Ich richte mein Leben völlig nach der Religion – oder ob du versuchst, deinen eigenen Umgang mit der Religion zu finden. Auch im Christentum gibt es Dinge, die man nicht unbedingt für voll nehmen muss. Homophobie ist ja kein muslimisches Alleinstellungsmerkmal. Ich glaube, es geht bei jeder Religion vor allem darum, deine eigene Interpretation zu finden und damit glücklich zu werden.
Mit welchen Problemen kämpfen homosexuelle Muslime?
Das variiert natürlich stark von Land zu Land, von Region zu Region. Ich lebe ja in Kanada, und hier sind die Probleme ganz klar: Es dreht sich um Akzeptanz und darum, einen Islam zu praktizieren, der in das eigene Leben passt. In Pakistan oder dem Iran ist das aber anders – da geht es um Leben und Tod.
Welche Rolle können Kunst und Fotografie dabei spielen?
Menschen aus dem Mittleren Osten, die die Bilder online gesehen hatten, haben mir geschrieben. Sie haben sich für das Projekt und das Sichtbarmachen bedankt. Zu sehen, dass ihre Beziehung zum Islam nicht von Schuld beladen sein muss, gibt ihnen Kraft. Es ist schön zu wissen, dass ich jene erreicht habe, die ich erreichen wollte.
Gab es denn auch negative Reaktionen?
Bisher nicht – und das überrascht mich selbst. Das Thema ist ja extrem kontrovers. Meine E-Mail-Adresse ist online auch leicht zu finden. Ich dachte, das nutzen bestimmt manche Leute, die mit gleichgeschlechtlicher Liebe unter Muslimen nicht klarkommen, um ihren Frust bei mir abzuladen. Oder um mir zu drohen und mich einzuschüchtern. Aber das ist bisher nicht passiert. Im Gegenteil: Ich habe viel Zuspruch bekommen, was mich selbstverständlich riesig freut.
Sie machen also weiter?
Ja, da draußen gibt es noch viele junge homosexuelle Muslime, die ihre Geschichten erzählen wollen. In Zukunft möchte ich noch mehr mit Video und Texten arbeiten. Mein großer Plan ist ein eigenes Online-Magazin zum Thema.
Das Gespräch führte Gesa Steeger
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