Seele zeigen

Urteilskraft In »31 Songs» zeigt sich Nick Hornby als Sprachrohr einer lautlosen Generation

In dem neuen Buch des britischen Autors Nick Hornby, bekannt durch seine Kultbücher Fever Pitch und High Fidelity geht es um Popmusik, nach Fußball Hornbys zweite Passion. Er benutzt 31 Songs, um seine Ansichten zur Popmusik in 31 kleinen Essays zu präsentieren. Auf den ersten Blick erscheint es, dass dieser Liste seine Erinnerungen zugrunde liegen und er das eine Lied mit dem ersten Kuss und das andere mit den Sommerferien 1973 assoziiert. Das Auswahlkriterium dieser dennoch subjektiven Liste ist aber, dass er diese Songs immer wieder gern hört; sie erinnern ihn einfach an ebendiese Songs und weisen selbst beim tausendsten Auflegen keine Abnutzungserscheinungen auf. Von den 31 Künstlern kennt man Aimee Mann, Santana, Van Morrison, Patti Smith, The Velvelettes, aber nicht The Bible, Butch Hancock and Marce La Couture. Das spielt aber auch keine Rolle.

Hornby betont gleich am Anfang, dass die Bezeichnung »Pop« in dem Buch auch Rock, Soul und Reggae umfasst. Diese Vielfalt zeigen auch die besagten Songs. Dass wiederum die Lieblingsstücke eines 46-jährigen Popfans nicht nur Bob Dylans Can You Please Crawl Out Your Window oder Led Zeppelins Heartbreaker sind, sondern in 31 Songs auch ganz neue Künstler - wie D´Angelo oder Nelly Furtado - Beachtung finden, macht das Buch alles andere als nostalgisch. Hornby kritisiert die statische Sicht von nicht wenigen Ignoranten, die die Dialektik, die der Musik innewohnt, nicht erkennen und immerwährend der goldenen alten Zeit nachtrauern. Sie warten - so Hornby - auf weitere Lennon/McCartneys, die der Popmusik die nächste Revolution verpassen sollen. Man gebe dadurch den besten Songwritern zu verstehen, es sei wertlos, was sie momentan tun und marginalisiere sie. Ein richtiger Fan brauche neue Impulse.

Über Bob Dylan schreibt er, dass er es bedauere, dessen bedeutende Stücke nicht im richtigen Alter und im richtigen Jahr gehört zu haben. Und überhaupt sei ihm der Wirbel um Dylan unverständlich; nach seiner Auffassung spricht die beste Musik nämlich die Seele und nicht den Verstand an. In der ganzen Dylan-Verehrung erkennt er den Versuch, genau das Gegenteil zu suggerieren. Hier scheut Hornby sich nicht, auf Rod Stewart oder Bruce Springsteen zu setzen, was in der Pop-Szene sehr wahrscheinlich als peinlich gelten würde. Beeindruckend ist seine souveräne Urteilskraft, was Geschmack betrifft.

Hornby findet, die Songtexte zu Liebe nutzen sich nie ab, die Liebesgeschichten seien einfach als Metapher für Musik geeignet. Dagegen klingen die Songs, die zum Beispiel die missliche Lage der Eskimos thematisieren, wie Zeitungsartikel. Sie können nicht so oft gehört werden wie die über romantische Gefühle und leben daher nicht lange. Er schreibt: »Musik ist wie Farbe oder eine Wolke - weder intelligent noch unintelligent - sie ist einfach.« Wenn ein Song das Geheimnisvolle, Ironische und Nachdenkliche in sich birgt, lasse ihn sagen: »das bin ich«, genauso wie dies einige Schriftsteller über ihre Figuren erreichen. Dieses unerklärliche Phänomen charakterisiert er als eine der tröstlichen Eigenschaften der Kunst. Hier setzt er sich mit jenen Feuilletonisten auseinander, für die nur die Kunstwerke zählen, die »provozierend«, »verstörend« oder »bedrohlich« sind. Wer schon einmal in Hornbys ganz und gar nicht unintellektuelles Universum eingetaucht ist, dem wird die Courage klar, die in dieser souveränen Kritik steckt.

Nick Hornby ist ein versierter Kritiker, der für eine Reihe von Zeitschriften über Popmusik schreibt. Dennoch ist damit zu rechnen, dass einige seiner Kollegen auch im Falle von 31 Songs »die Welt, die er porträtiert, so furchtbar gewöhnlich« finden, wie er sie in seinem Buch zitiert. Genau dieser prunklose angelsächsische Stil entspricht jedoch seiner Generation, nämlich der »78er«, die im Gegensatz zu ihrer Vorgänger- und Nachfolgergeneration etwas weniger marktschreierisch daherkommt.

Nick Hornby: 31 Songs. Aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann. Kiepenheuer Witsch, Köln 2003, 160 S., 14,90 EUR

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