Eine fast identische Szene deutet auf eine Parallele beider Filme hin: Im ersten Fall sitzt der afroamerikanische Schriftsteller einem weißen Verleger gegenüber, der von ihm nichts als "bedrohliche Negro"-Romane verlangt. Im zweiten Fall sitzt der afroamerikanische Filmemacher einem weißen Filmboss gegenüber, der dessen Werk nur finanzieren will, wenn er über seine Leute eine Komödie dreht. Die Kompromisslosigkeit der jeweiligen Protagonisten bildet einen roten Faden in beiden Handlungen.
Beide Regisseure sind schwarz, Rodney Evans und Mario van Peebles. Ihre Filme wurden auf der diesjährigen Berlinale in der Panorama-Sektion gezeigt und schildern vollkommen unterschiedliche Epochen der Diskriminierung schwarzer Künstler in der US-amerikanischen Gesch
chen Geschichte. Dennoch berühren Evans und van Peebles nicht nur Themen und Zeitabschnitte, die von Hollywood konsequent ignoriert werden, sie haben auch dieselbe Message: die Zugeständnisse, zu denen schwarze Künstler gezwungen werden, bleiben sich gleich, seien es die zwanziger oder die siebziger Jahre, seien es die neunziger oder der Beginn des 21. Jahrhunderts; allenfalls die Motive haben sich verschoben.In Brother to Brother wird aus der Perspektive des exzentrischen Schriftstellers Bruce Nugent die Ära der Harlem Renaissance erzählt. Nugent, der 1926 als erster Schwarzer in der linken Literaturzeitschrift Fire! eine Kurzgeschichte über Schwule veröffentlicht hatte, macht im Film die Bekanntschaft des 18-jährigen Studenten Perry. Einerseits wird in Rückblenden und vor dem Hintergrund der Erzählungen des alten Mannes ein Einblick in die Harlem Renaissance vermittelt, jene elitäre Periode der zwanziger beziehungsweise dreißiger Jahre, in der die Schwarzen der Mittelklasse eine Hoch-Zeit und neue Maßstäbe setzende Libertinage in allen künstlerischen Bereichen erlebten. In schwarz-weiß-Aufnahmen werden die wilden Parties gezeigt, an denen Weiße und Schwarze, Hetero- und Homosexuelle unterschiedlichster sozialer Herkunft feiern. Im Kreis um Langston Hughes, Zora Neale Hurston und Wallace Thurman werden nicht nur literarische Themen sondern auch das historische Grundthema "Back To the Roots", "Back to Africa", ein stolzes Rassenbewusstsein, und das eigene kulturelle Vermächtnis reflektiert.Perry, selbst schwarz und schwul, der diese Geschichten hört, fallen die biografischen Parallelen seines eigenen Lebens im heutigen Amerika mit der damaligen Zeit auf. Die Homophobie herrscht noch immer in weiten Teilen des Landes und der Gesellschaft. Er wird von seinen Eltern verstoßen; seine schwarzen Kommilitonen reagieren gereizt, wenn er im Literatur-Seminar die Seelenqualen thematisiert, die der afroamerikanische Schriftsteller James Baldwin wegen seiner sexuellen Neigung erdulden musste. Die Komplimente seines weißen Freundes über seinen Körper empfindet er als rassistisch und beendet die Beziehung. Als Maler ist Basquiat sein Idol. Beim Verkauf seiner Bilder macht Perry keine Zugeständnisse.Der 32-jährige Rodney Evans, dessen sehr persönlich gestalteter Film erst vor einigen Wochen auf dem Festival in Sundance Weltpremiere hatte, konnte seine Arbeit wegen Geldmangels erst 2003 abschließen, mit den Dreharbeiten hatte er bereits 2001 angefangen. In den USA selbst hat er für Brother To Brother noch immer keinen Verleih.Mario van Peebles´ How to get the Man´s Foot Outta Your Ass ist nicht nur ein neuer Beitrag zum Black Film, sondern auch eine Hommage an das kreative Feuer des Independent Film und an seinen Vater Melvin van Peebles. Mario van Peeble beschreibt im Film die Hindernisse, die sein Vater überwinden musste, als er 1971 seinen Film Sweet Sweetback´s Baadassss Song drehte, und zwar als Regisseur, Produzent, Schauspieler, Drehbuchautor und Komponist der Filmmusik. Der Sohn stellt den eigenen Vater dar, in dessen Film er damals selbst als noch 13-jähriger agiert hatte. Sweetback war zudem der erste Independent Film eines afroamerikanischen Regisseurs. Van Peebles senior gilt als der Filmemacher, der den Blaxploitation Movies der siebziger Jahre sein politisches Rückgrat gab und damit schwarzen Schauspielern und Regisseuren zu einem neuen Bewusstsein verhalf; und das noch vor Superfly und Shaft.Bis dato hatten die schwarzen Schauspieler im amerikanischen Kino die stummen Haushälter oder analphabetische primitive Wesen zu spielen. Sweetback war der erste amerikanische Film mit einem schwarzen Helden, der sich gegen die alltäglichen Demütigungen des Rassismus wehrte. Sowohl sein Inhalt als auch sein eigentlicher Produktionsprozess gelten als umstritten. Mario van Peebles schildert die Besessenheit seines Vaters, vor allem dessen Hartnäckigkeit und Kompromisslosigkeit, die er gegenüber den weißen Produzenten an den Tag legte. Noch während der Dreharbeiten erhielt sein Vater damals Morddrohungen, zudem war er streckenweise völlig pleite und obendrein schon fast erblindet. Um die Restriktionen der berüchtigten Filmgewerkschaften zu umgehen musste er einen Pornofilm vortäuschen, so dass er einige Szenen tatsächlich in einem Bordell drehte. In Ermangelung von Festivals wie Tribeca oder Sundance, die heute den zeitgenössischen Independent Filmemachern eine Plattform anbieten und zum "Business" verhelfen, gelang Melvin van Peebles der Eigenvertrieb damals unter anderem mit Hilfe von Black Panthers, mit denen er ohnehin sympathisierte.Mario van Peebles beklagt in Interviews, dass die schwarzen Schauspieler noch immer die Rollen des besten Freundes der Hauptfigur oder den Komödianten à la Will Smith übernehmen müssten. Einige - wie Denzel Washington, Laurence Fishburne oder Wesley Snipes - ergatterten sich mittlerweile die Rolle des "real guys", allerdings erst nachdem sie sich in den lowbudget Filmen von schwarzen Regisseuren schauspielerisch durchgesetzt hatten. Obwohl er selber relativ gut im Geschäft ist, sucht er noch immer nach einer Finanzierung eines Films über Martin Luther King. Bislang vergebens.