Bahn frei

Transport Flixbus ist auf dem Weg zur Alleinherrschaft im Fernverkehr. Der Politik sind die Hände gebunden
Ausgabe 44/2016
Der Anteil grüner Busse steigt und steigt: ZOB in München
Der Anteil grüner Busse steigt und steigt: ZOB in München

Foto: Ralph Peters/Imago

Am Zentralen Flixbus-Bahnhof Berlins herrscht Hochbetrieb. Alle paar Minuten rollt einer der grünen Fernbusse auf den Platz am Messegelände. Offiziell heißt die Station Zentraler Omnibusbahnhof (ZOB) und ist Anlaufstation für viele Busunternehmer. In gewisser Weise spiegelt der ZOB für alle nicht mehr wider, was dort passiert.

Denn das Unternehmen Flixbus-MeinFernbus hat den Verkehr vom Berliner Funkturm in hunderte deutsche und europäische Städte in der Hand. Von Zeit zu Zeit kommen auch Busse mit anderen Aufschriften an. Doch dabei handelt es sich oft nicht mehr um selbstständige Firmen.

Da sind zum Beispiel die gelben Postbusse. Flixbus hat die Gelben inzwischen gekauft. Auch ein paar BerlinLinienBusse (BLB) sieht man. Dazu muss man wissen: Die Deutsche Bahn AG hat unlängst verkündet, den Verkehr ihrer Tochter im Wesentlichen einzustellen. Die beiden Verkäufer im BLB-Kiosk am ZOB schieben schon Langeweile. Ihre Tickets will kaum noch jemand haben. Im Fenster hängt ein Pappschild: „Keine Flixbus-Auskunft“ ist darauf zu lesen. Dann gibt es am Omnibusbahnhof noch einige Fahrzeuge von Polskibus, die etwa nach Szczecin und Warschau fahren. Mit diesem Unternehmen hat Flixbus bereits eine Vertriebskooperation geschlossen. Und hin und wieder kommt mal ein Bus von Eurolines.

Zu Lasten der Kunden

Wie konnte das passieren – und welche Folgen hat es? Das Unternehmen hat einen rasanten und erstaunlichen Aufstieg hingelegt. Zusammen mit Postbus erreichen die giftgrünen Busse jetzt etwa 80 Prozent Marktanteil bei den Fernbusfahrten in Deutschland. Fällt BLB weg, dürfte der Anteil in Richtung 90 Prozent steigen. Konkurrenten wie Eurolines und DeinBus kommen nur noch auf niedrige einstellige Zahlen. Flixbus hat beinahe ein Monopol errichtet – einen Zustand, den es in der sozialen Marktwirtschaft eigentlich nicht geben darf. Denn wegen Mangel an Konkurrenz neigen Monopole dazu, ihre Macht auszunutzen und die Preise zu Lasten der Kunden über Gebühr zu erhöhen.

Erst drei Jahre ist es her, dass der erste Flixbus fuhr. Die drei Gründer André Schwämmlein, Daniel Krauss und Jochen Engert sind da Anfang 30. Noch heute stellen sie sich wie Kumpel auf der Webseite mit Vornamen vor. Doch sie gingen knallhart zu Werke. 2015 fusionierten sie mit MeinFernbus, einem wichtigen Konkurrenten. Plötzlich beherrschten sie zwei Drittel des Marktes. Dann gaben die Post und die Bahn auf. Während 2013 noch sieben größere Busfirmen um Kunden konkurrierten, ist Flixbus heute fast alleine übrig geblieben. Diese Erfolgsstory hat zwei Ursachen. Erstens war den Wettbewerbern der Kampf gegen Flixbus zu teuer. Zweitens nutzten die Gründer aus München die Vorteile ihres Geschäftsmodells konsequent aus.

Wie Flixbus funktioniert, erkennt, wer einen genaueren Blick auf die Fahrzeuge wirft. Außen in der Nähe der Fahrertüre sind meist Namen und Adresse des tatsächlichen Busbetreibers angegeben. Vom Berliner ZOB fährt beispielsweise ein grüner Bus der Firma Fritz Wellhöfer GmbH, beheimatet im sächsischen Alberndorf, nach Ludwigshafen. Nebenan startet ein Wagen der Schneider Reisen GmbH aus Mechernich, Nordrhein-Westfalen, in Richtung Koblenz. Und Schröder Reisen aus dem baden-württembergischen Langenau fährt weiter nach Kiel. 150 selbstständige Busbetreiber hat Flixbus in Deutschland und Österreich unter seiner Marke versammelt, in Europa sind es bisher 250.

Das grüne Unternehmen ist gar kein eigener Busbetreiber, sondern eine Vermittlungsplattform, die Reisende und Busse zueinander bringt. Die Busse sind zwar auch mit WLAN ausgestattet, aber der entscheidende Kniff ist ein anderer: die Nutzung des Digitalen als Vermittlungsrelais. Bei Flixbus bucht und storniert man mühelos via Netz. Das Modell hat mehrere Vorteile – etwa den relativ niedrigen Investitions- und Kapitalbedarf. Flixbus muss keine Busse kaufen und keine Fahrer anstellen. Das machen die Betreiber. Gleichzeitig kann das Netzwerk schnell wachsen. Die Münchner Zentrale braucht nur immer neue Kooperationspartner einzubinden. Wenn sie expandieren will, kann sie es tun, indem sie neue Linien unter ihrem Label eröffnet.

Ein weiteres Merkmal ist das günstige Finanzierungsmodell. Bis heute fährt das Unternehmen nur Verluste ein. Es wird allerdings getragen von geduldigen Investoren. Dazu gehört etwa General Atlantic (GA), eine Investmentfirma aus den USA, die das Kapital reicher Familien verwaltet. GA stellt Flixbus einen dreistelligen Millionenbetrag zur Verfügung und hält im Gegenzug 30 Prozent der Besitzanteile. Das Kapital dient dazu, schnelles Wachstum zu ermöglichen und Konkurrenten unter die Wasserlinie zu drücken. Wenn die Busfirma dann den Markt dominiert, die Preise bestimmt und Gewinn einfährt, dürfen die Geldgeber mit der Verzinsung ihres eingesetzten Geldes rechnen.

In mancher Hinsicht funktioniert Flixbus ähnlich wie der Wohnungsvermittler Airbnb. Die Internetökonomie begünstigt schnelles Wachstum und Monopolisierung auf neuen Märkten. Die Wettbewerber von Flixbus hätten das auch schaffen können. Sie waren aber nicht konsequent genug. Nun winken den jungen Busunternehmern bald Monopolgewinne. Werden sie auch Monopolpreise verlangen?

Die Gefahr besteht. Informationen des Reisevergleichsportals GoEuro zufolge sind die Bustickets in Deutschland seit 2014 um durchschnittlich 40 Prozent teurer geworden. Diese Entwicklung dürfte auch eine Folge der Übernahmen durch Flixbus sein.

Möglich wurde die Firmengeschichte von Flixbus, weil Kanzlerin Angela Merkels zweite Koalition (Union und FDP 2009 bis 2013) mehr Wettbewerb beim Reisen schaffen wollte. Deshalb ermöglichte man überregionalen Fernbusverkehr, der bis 2013, von wenigen Ausnahmen abgesehen, verboten war. „Man darf den Fernbusmarkt nicht isoliert betrachten“, sagt Daniel Zimmer, der ehemalige Chef der Monopolkommission.

Bisher nur Verluste

Es herrsche intermodaler Wettbewerb – Busse konkurrieren nicht nur untereinander, sondern auch mit diversen Bahnbetreibern. Diese Konkurrenz scheine zu funktionieren, argumentiert Zimmer. „Die Bahn hat ja auf die Konkurrenz der Fernbusse reagiert und ihr Angebot verbessert.“ Das Schienenunternehmen senkte zum Beispiel einige Preise für Fahrkarten. Bis 2030 will die Bahn AG ihr Angebot um 25 Prozent ausweiten und 50 Millionen zusätzliche Reisende gewinnen. Derzeit benutzen etwa 140 Millionen Kunden pro Jahr die Bahn, mit dem Fernbus fahren 23 Millionen Passagiere.

Katharina Dröge, die Sprecherin für Wettbewerbspolitik der Grünen im Bundestag, macht sich trotzdem Sorgen. Sie meint, dass das deutsche Kartellrecht von der modernen Internetökonomie überholt worden sei. So kann das Bundeskartellamt in Bonn einen Zusammenschluss von zwei Firmen nur dann prüfen und wegen monopolistischer Tendenzen eventuell untersagen, wenn diese zusammen mehr als 500 Millionen Euro Umsatz machen. Beispielsweise Flixbus und Postbus bleiben jedoch unter dieser Grenze, wodurch der Wettbewerbshörde die Hände gebunden sind. Dröge will das ändern: „Das Kartellamt soll Firmenzusammenschlüsse auch unter 500 Millionen Euro prüfen dürfen, wenn eine sehr hohe Marktkonzentration vorliegt.“

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