Ohne Dänemark kann man leben

EURO Nur an einer Rezession in den USA könnte das Experiment noch scheitern

Der Euro ist ein Experiment ohne historisches Vorbild - in diesem einen Punkt waren sich Befürworter, Kritiker und die unentschiedenen Stimmen in der Mitte immer einig. So bezeichnete der später zum Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) ernannte Wim Duisenberg die Währungsunion bereits im März 1997 als »ein gemeinsames europäisches Abenteuer«. Und Ex-Bundesbankchef Hans Tietmeyer sah das ähnlich: Mit dem Euro begebe man sich »auf jungfräulichen Boden.« Seit 21 Monaten läuft nun das Experiment, das bislang vor allem ein Ergebnis gezeitigt hat: Gegenüber dem Dollar kann sich der Euro nicht behaupten. Die Dänen haben nun für weitere Aufregung gesorgt, und ihrem negativen Votum werden möglicherweise bald die Briten und die Schweden folgen. Aus dem Nebel der Ungewissheiten taucht allmählich eine unheimliche Frage auf: Hat die letzte Stufe der Währungsunion bereits begonnen? Eine Stufe, die nicht vorgesehen ist, für die es kein Drehbuch gibt, die für alle eine Katastrophe wäre: das Scheitern, die Rückabwicklung.

»Nichts sagt so deutlich, aus welchem Holz ein Volk geschnitzt ist, wie das, was es währungspolitisch tut.« So lautet ein berühmter Spruch des österreichischen Ökonomen Joseph Alois Schumpeter. Was haben die Dänen getan? Haben sie nüchtern die Vor- und Nachteile der neuen Währung abgewogen und daraus ihren Schluss gezogen? Wohl kaum. Die Euro-Ablehnung der Dänen war keine ökonomische, sondern eine politische Entscheidung, eine vom Gefühl bestimmte Abwehr anonymer Mächte, von denen man annahm, dass sie die nationale Eigenständigkeit bedrohen. Dänemark ist gewissermaßen zu demokratisch, um an dem supra-nationalen Projekt Euro unmittelbar teilzunehmen. Mit dieser Besonderheit eines kleinen Landes kann die Europäische Union ohne weiteres leben, zumal die dänische Krone auch weiterhin an den Euro gebunden bleibt.

Von einer ernsthaften Gefährdung der neuen Währung könnte man erst sprechen, wenn es innerhalb der Mitgliedsländer zu Diskussionen über den Verbleib im Euro-System käme. Die aber gibt es nicht. Das wichtigste Argument der Euro-Kritiker, eine einheitliche Geldpolitik könne den real sehr unterschiedlichen Volkswirtschaften nicht gerecht werden, hat bislang keinerlei Bestätigung gefunden. Allerdings gab es in dieser entscheidenden Frage auch noch keinen wirklichen Test.

Bislang profitierte das Experiment Euro von zwei glücklichen Umständen: einem weltweit niedrigen Zinsniveau und ebenso von einem überraschend starken Wachstum der Weltwirtschaft. Im Anschluss an die russische Währungskrise gab es noch im Herbst 1998 die Befürchtung, dass eine allgemeine Krediteinschränkung zu einer Rezession auch in den Industrieländern führen könne. In dieser Situation senkte die US-Notenbank bis Ende 1998 dreimal die Zinsen. In diesem Umfeld sah sich auch die Europäische Zentralbank veranlasst, mit einem eher niedrigen Notenbankzinssatz von 3,0 Prozent die Währungsunion zu beginnen und diesen Zinssatz im April 1999 dann nochmals auf 2,5 Prozent zu senken. Erst ab November 1999 folgte die EZB den Vorgaben der US-Notenbank und erhöhte die Leitzinsen in mehreren Teilschritten. Im historischen Vergleich ist das Zinsniveau allerdings immer noch niedrig.

Zu den glücklichen Umständen für die neue Währung zählt auch der nach wie vor anhaltende Boom der US-Wirtschaft. Entgegen allen Erwartungen hat der längste Konjunkturaufschwung seit 1945 noch immer kein Ende gefunden (s. Seite 9). Sowohl der private Konsum als auch die Investitionstätigkeit der Unternehmen bewegen sich auf einem Niveau, das schon längst nicht mehr allein mit inländischen Ressourcen bedient werden kann. Finanziert vom Rest der Welt haben die USA einen historisch bei spiel losen Import-Sog entwickelt, mit dem vor allem die EU auf symbiotische Weise verbunden ist. Zum einen profitiert sie vom steilen Anstieg der Exporte in die USA. Andererseits aber ist europäisches Kapital in erheblichem Umfang in die USA gewandert und hat so zu der Finanzierung des im vergangenen Jahr auf 339 Milliarden Dollar angestiegenen US-Leistungsbilanzdefizits beigetragen.

Der US-Boom auf Pump kann nicht ewig währen. Weder die Auslandsverschuldung des Landes noch die stetig gestiegenen Verschuldungsquoten der privaten Haushalte und der Unternehmen können auf Dauer bestehen. Ob es den amerikanischen Entscheidungsträgern gelingt, eine plötzliche, panikartige Korrektur der verschiedenen Ungleichgewichte zu verhindern und stattdessen die immer wieder zitierte sanfte Landung zu inszenieren, könnte für das Experiment Euro in den kommenden 15 Monaten - also bis zum endgültigen Verschwinden der Vorgängerwährungen - zu der entscheidenden Herausforderung werden. Denn eine Rezession in den USA würde sich angesichts der Exportströme und wegen der nach wie vor eher schwachen Binnenkonjunktur wohl unmittelbar auf Euroland übertragen. Dann hätte die Gemeinschaftswährung den Beweis anzutreten, dass sie krisentauglich ist.

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