Aufrüstung mit Euro-Filz

SÜDAFRIKA Die Korruptionsaffären rings um ein militärisches Beschaffungsprogramm reichen bis in die Umgebung von Präsident Thabo Mbeki

Am Kap bahnt sich ein Skandal um Rüstungsverträge mit europäischen Waffenproduzenten an, der all die hehren Erklärungen zu good governance konterkariert. Ein deutsches Werften-Konsortium soll für den Verkauf von U-Booten zehn Millionen Rand (etwa drei Millionen DM) Schmiergelder an den Bruder des früheren Verteidigungsministers Modise gezahlt haben, der britische Konzern BAeSystems umgerechnet vier Millionen DM an Parlamentarier des ANC und Gewerkschaftsfunktionäre in südafrikanischen Rüstungsfirmen. Und der Elektronik-Unternehmer Thomson-CSF - Ausrüster der von deutschen Werften zu liefernden vier Fregatten - etablierte für seine Geschäfte ein eigenes Subunternehmen in Südafrika. Dort wiederum sitzt ein Schwager von Modise, der den Zufluss staatlicher Rüstungsgelder ohne jede Kontrolle in die gewünschten Kanäle leiten kann. Schließlich: Moeletsi Mbeki - einem Bruder von Präsident Thabo Mbeki - wird die Beteiligung seiner Privatfirma Paramount Logistics an Geschäften mit Panzerfahrzeugen des britischen Vickers-Konzerns nachgesagt, wozu er sich Partner mit bester Empfehlung in den Vorstand holte, unter anderem den Waffenhändler Mark Rich, wohnhaft im schweizerischen Zug, bestens bekannt als einstiger Parteigänger des Apartheid-Regimes in Pretoria.

Der Bericht einer hochkarätigen Gruppe von Wirtschaftsfachleuten und Menschenrechtlern (ECAAR) mit Sitz in New York und Kapstadt hatte Ende September Ross und Reiter offen benannt, aber weder in Südafrika noch in Europa ein öffentliches Echo gefunden. Dem Report zufolge stellt das südafrikanische Rüstungsprogramm mit den Beteiligten in Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien und Schweden einige der größten Skandale der vergangenen Jahrzehnte noch in den Schatten, ob es sich nun um das britische »Irakgate« oder die belgisch-französisch-italienische Bruchlandung von Dassault und Augusta handelt. Das Kapitel Südafrika komplettiert gewissermaßen die Korruptionsgeschichte der europäischen Rüstungswirtschaft.

ECAAR reflektiert vor allem die Praxis eines undurchschaubaren Vertragssystems im Abnehmerland, das durch die vorgebliche Notwendigkeit zur militärischen Geheimhaltung abgeschottet wird. So sind direkt gezahlte »Kommissionen« nur das Kleingeld in einem Filz von Subunternehmern, Briefkastenfirmen und Konsultantenbüros, mit dem Staatsausgaben für die Waffengeschäfte absorbiert werden. »Es ist außerordentlich, dass derartige Amtsvergehen nun zur gängigen Praxis der Regierung Südafrikas erhoben werden«, heißt es im ECAAR-Report. Von EU-Seite freilich ist bis heute kein Kommentar über die Affäre zu hören. Die britische Justiz hat Ermittlungen zu den Schmiergeldzahlungen von BAe sang- und klanglos eingestellt: Dies sei kein Vorgang, der nach britischem Recht verfolgt werden könne. Ende Oktober aber beschloss der südafrikanische Haushaltprüfungs-Ausschuss eine Untersuchung des Beschaffungsprogramms. Der Bericht soll im Januar dem Parlament vorliegen. Womöglich dann ein Anlass, der auch in Europa die Beule anstechen lässt. Parallel dazu wurde durch den Ausschuss auch eine gerichtliche Untersuchung der »Sondereinheit gegen Korruption« unter Richter Willem Heath zu einigen bisher bekannt gewordenen Korruptionsvorgängen in Auftrag gegeben. Noch ein eher zaghafter Befreiungsschlag angesichts zäher Kontroversen um gigantische Rüstungsvorhaben, die seit 1995 angelaufen sind. In der ersten Regierung des »neuen Südafrika« hatte Verteidigungsminister Joe Modise ein ehrgeiziges Beschaffungsprogramm aufgelegt und schon über einen ersten Fregatten-Vertrag mit Spanien verhandelt, der zunächst noch an massiver öffentlicher Empörung scheiterte. Doch an Modises Plänen änderte das wenig. Die dafür veranschlagten Ausgaben stiegen bis 1998 auf umgerechnet 16 Milliarden DM.

Seit November 1999 lagen den Parlamentariern mehrerer Parteien - selbstverständlich auch des ANC - dazu erstmals Unterlagen vor, aus denen hervorging, dass bei diversen Rüstungskäufen auch Schmiergelder flossen. Man habe seinerzeit - so Richter Heath im Oktober - »nur informell ermitteln können«, weil die Regierung entscheidende Dokumente blockierte, obwohl im Januar 2000 erste parlamentarische Anfragen handfeste Auskünfte dazu verlangt hätten. Südafrikanische NGO waren von Anfang an gegen Modises Rüstungsprojekte Sturm gelaufen, weil sie sahen, wie das weltweit gelobte »Wiederaufbauprogramm« Mandelas von Jahr zu Jahr schrumpfte. Es ist kein unbedeutender Nebenaspekt, auf wie wenig Echo diese Kritik in der Welt der europäischen Entwicklungs-NGO stieß. Eine ANC-Fraktion wie auch Teile des Kabinetts Mandela argumentierten hingegen, die Projekte seien wichtig für das Black Empowerment, sprich: den Einfluss der nicht-weißen Mehrheit auf die nationale Wirtschaft. So behauptete die »Beschaffungs-Fraktion«, die Kompensationsgeschäfte mit europäischen Lieferanten würden mehr als das Doppelte der nach auswärts zu zahlenden Kosten an inländischen Investitionen bringen und etwa 65.000 Arbeitsplätze schaffen. Im Parlament ließen sich anhand der dort zugänglichen Daten jedoch allenfalls drei Prozent des versprochenen Segens als vertraglich dingfest ausmachen. Der ECAAR-Report schließt kurz und bündig: »Die Offsets, die als Hebel des Regierungsprogramms zur industriellen Entwicklung ausgegeben werden, sind nichts anderes als ein Schwindel - von der Rüstungsindustrie inszeniert, um Steuergelder in Empfänger- wie in Lieferländern abzusahnen.«

Inzwischen hat sich die »Wirtschafts-Ertüchtigung« zu einem Filz verwoben. Das Nachrichtenblatt SouthScan machte das im November - gestützt auf den ECAAR-Report und die bisher zugänglichen parlamentarischen Unterlagen - erschreckend anschaulich: Posten-Diagramme von Mitgliedern der Familien und der Führungsgruppe um Präsident Mbeki ergeben eine Verflechtung von Positionen in Ministerien und Privatfirmen, bei der eine Abgrenzung von Regieren und Privatgeschäft kaum noch möglich scheint. Finanzminister Trevor Manual hatte im Januar 2000 Staatsgarantien über 32 Milliarden Rand (zehn Milliarden DM) unterschrieben, die den verschiedenen Rüstungslieferanten als Unterlage für ihre Export-Rückversicherung dienen - in Deutschland beispielsweise die »Hermes«-Garantien, die vom Bundeskabinett zu genehmigen sind. Derartige Bürgschaften sind hinfällig, wenn sich die zugrunde liegenden Geschäfte als »offensichtlich betrügerisch« erweisen. Sollte im Januar das Parlament in Kapstadt dies feststellen, gibt es wohl eine letzte Chance für jede der beteiligten EU-Regierungen, auf Dis tanz zu gehen.

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