Nirgendwo ist die Angst, mit einer eigenen Firma zu scheitern, so groß, wie in Deutschland. Laut Global Entrepreneurship Monitor 2003 hindert diese Angst knapp die Hälfte der Menschen dieser Republik im erwerbsfähigen Alter an einer Existenzgründung. Die Finanzierungsmöglichkeiten für junge Unternehmen haben sich binnen Jahresfrist enorm verschlechtert. Von 1.000 Deutschen im Jahre 2002 wagten nur 35 eine Existenzgründung. Im Nachbarland Schweiz kamen auf 1.000 Schweizer 44 Gründer, in den USA 71. Und in Thailand, Indien und Chile über 100.
Als Reaktion auf den Crash der "New Economy" und die Krise an den Kapitalmärkten sind die meisten Geldgeber heute sehr kritisch und geizen mit Leih-Geld. Das gilt besonders für ehemalige Boombranchen, wie die Biotechnologie, den Informationstechnologie- und Internet-Sektor. Wirtschaftsprüfer von Ernst Young errechneten, dass das investierte Risikokapital innerhalb von zwei Jahren um 85 Prozent von drei Milliarden Euro im Jahr 2000 auf 500 Millionen Euro in 2002 zurückging. "Auch Gründer mit hervorragenden Ideen haben es schwer, Risikokapitalgeber zu überzeugen", sagt Alfred Müller, Vorstandsmitglied von Ernst Young.
Einen Ausweg aus der Finanzierungskrise könnte das "Microlending" bieten. So hat sich das Projekt "Siebte Säule" des Enigma Gründungszentrums in Hamburg auf die Vermittlung von Fremdgeldern für Gründer spezialisiert, die gute Erfolgsaussichten, aber wenig Eigenkapital zu bieten haben. Vermittelt werden gründeroptimierte Kreditformen: so zum Beispiel ein Mix aus einem üblichen Bankkredit und einem verbilligten Darlehen von der Deutschen Ausgleichsbank (DTA). Das Maximum liegt bei 12.500 Euro. "Durch diese Mischfinanzierung wird der Bankanteil auf 16 Prozent gedrückt und so das Ausfallrisiko für die Geldhäuser verringert", sagt Produktmanagerin Rebecca Stridde. Das Ziel: eine "menschenwürdige Kreditvergabe". So akzeptiert die "Siebte Säule" Sachmittel als Sicherheit, wenn diese ins Unternehmen gesteckt werden. "Banken schrecken oft vor Kleinstkrediten zurück, da die Verwaltungskosten ebenso hoch sind, wie bei einem großen Kredit", sagt Stridde.
Über das Microlending wurden in Hamburg bis heute 63 Klein-Kredite vergeben, die den finanziellen Start eines neuen Unternehmens ermöglichen. In der Hansestadt benötigt jeder dritte Gründer, der unter 30 Jahre alt ist, solche Startkredite. Währenddessen errichten Hamburgs Behörden neue Hürden: so bekommen Gründer ohne 1.000-Euro-Dispokredit bei der Hausbank seit Anfang des Jahres kein Übergangsgeld vom Arbeitsamt mehr. Einen Dispo räumen Banken Arbeitslosen aber in der Regel nicht ein. Trotzdem raten die Arbeitsämter Hamburger Erwerbslosen gern: "Mach doch mal ´ne Ich-AG auf". Die finanzielle Unterstützung ist im ersten Jahr auf 600 Euro im Monat begrenzt. Soll die Förderung nicht versagt werden, darf die Ich-AG nur 25.000 Euro verdienen. "Das ist nur für Schwarzarbeiter interessant, die zurück in die Legalität wollen", sagt Stridde.
Diese Erfahrung machte auch Daniel Sander, der im März 2003 wegen drohender Arbeitslosigkeit eine Ich-AG, die SDS-Agentur, in Hamburg gründete. Das Fördergeld reichte für die Firmengründung nicht aus. Und nach vier Bankgesprächen stellte er ernüchtert fest, das seine Idee, ergonomische Bürostühle aus Skandinavien zu vertreiben, auf Ablehnung stieß, obwohl zu seinen Kunden auch der NDR und Philips zählen. "Der Büromöbelmarkt ist tot", erklärte man ihm. Dabei tritt Sander in den boomenden Markt der Gesundheits- und Wellnessprodukte ein. "Man muss Geld haben, um Geld verdienen zu können", sagt er resigniert.
Junggründerin Claudia dos Santos hat es erst gar nicht bei einer Bank versucht. "Keine Bonität", sagt sie und zuckt mit den Schultern. Die Künstlerin und gelernte Tischlerin hatte nach zwei Jahren rund 7.000 Euro gespart, ein Auto als Sicherheit zu bieten und war obendrein schuldenfrei. Um Einzelstücke aus Holz herzustellen, fehlten ihr 5.000 Euro. Für das Geld bekommt man einen guten Gebrauchtwagen. Den Mini- Kredit für die nötigen Investitionen bekam sie schließlich von der "Siebten Säule", denen ihr Businessplan gefiel. Nach zehn Tagen hatte sie die Zusage. Von dem Geld mietete sie eine Werkstatt, besorgte Material und bedruckte Visitenkarten aus Holz mit Ihrem Firmenamen "Maria-José". Nächsten Monat muss sie mit der Tilgung in 200 Euro-Raten beginnen.
Die Ebbe auf dem Kreditmarkt trifft Neugründungen von Hotels und Gastronomiebetrieben besonders hart. Unternehmensberater Szilat Sarosi: "Ohne Kredit bekommen sie kein Objekt, ohne Objekt keinen Kredit". Kommt doch eine Zusage von der Bank - die Ausnahme, nicht die Regel - ist das angepeilte Gebäude oft schon vergeben. "Die Banken versuchen, ihr Risiko zu minimieren und wollen sehen, dass der Gründer auch selbst etwas einbringt", sagt Sarosi.
So wie Gründerin Linda Peters. Sie verkauft frische Pasta und Saucen auf norddeutschen Wochenmärkten. Zwar bekam sie als eine der Ersten eine Zusage für den Kombi-Kredit der DTA über 5.000 Euro. Doch bis August 2003 muss sie auf das Geld warten. Trotzdem startete sie jetzt mit dem Verkauf. Das Geld für ein Auto lieh ihr die Mutter, 1.000 Euro als Anzahlung für einen Verkaufswagen und 1.000 Euro für eine elektronische Waage steckte sie selbst in die Firma. Ihre Hausbank signalisierte, eine Zwischenfinanzierung zu sichern: Peters hatte als Sicherheit die Kreditzusage der DTA und einen Bausparvertrag zu bieten.
Die Beispiele zeigen: es ist volkswirtschaftlicher Unsinn, erst ehemals arbeitslose Gründer zu fördern, um sie dann finanziell am langen Arm verhungern zu lassen.
Fragt sich, ob man einen Motor zum Laufen bekommt, indem man ihn erst startet und dann den Benzinhahn abdreht.
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