Täglich über 200 Millionen Suchanfragen, 30.000 dezentral vernetzte Rechner, ein Archiv mit einer Milliarde Bilder, acht Milliarden indexierte Webseiten, 3.000 Mitarbeiter weltweit. Nur noch vom eigenen Nimbus werden die beeindruckenden Zahlen der populärsten Internet-Suchmaschine Google übertroffen. Sie wird immerhin von 75 Prozent aller Internet-Surfer benutzt. Was immer man im Netz zu entdecken hofft - Google kennt die Antwort und weiß, wo die Information zu finden ist. Die Suchmaschine ist zum Synonym für die Internetsuche geworden und steht bereits als Verbum im Duden. "Ich google, also finde ich."
Der Name Google ist der Mathematik entlehnt, wo "Googol" von Milton Sirotta als Begriff für eine Zahl mit hundert Nullen eingeführt wurde. Wen wundert also die Hybris, mit der die beiden Gründer Sergey Brin und Larry Page gelegentlich auftreten: "Unsere Mission ist, die Informationen der ganzen Welt zu organisieren und sie universell zugänglich und nutzbar zu machen"? Darin klingt nicht weniger als der Anspruch auf ein absolutes Informationsmonopol an, das die beiden Kalifornier mit ihrem Unternehmen aus dem Silicon Valley errichten wollen. Weil sich mit Hilfe von Google scheinbar alles ausfindig machen lässt, was es nur gibt, sind in ihren Augen das Internet und Google identisch: Google ist das Netz und vielleicht auch Gott. Um diesen Anspruch aufrecht zu erhalten, setzen die findigen Tüftler im Silicon Valley und in der europäischen Entwicklungszentrale in Zürich ihren ganzen Ehrgeiz daran, unablässig neue Applikationen zu entwickeln, um die Suche im Netz komfortabler und vor allem treffsicherer zu machen.
Bisweilen gewinnt man gar den Eindruck, dass dem Surfer damit erst nahe gelegt wird, wonach er eigentlich suchen könnte. Denn neben der normalen Webseitensuche verfügt Google längst auch über eine Bildsuchfunktion, hat sich die gesamten Newsgroups einverleibt, gibt mit dem Nachrichtendienst Google News die Schlagzeilen an und bietet mit GMail ein Mail-Konto mit zwei Gigabyte Speichervolumen, das allerdings aufgrund mangelnder Privacy in Verruf geraten ist. Letzten November ist hierzulande Froogle hinzugekommen, eine Suchmaschine für Produktinformationen. Darüber hinaus befinden sich einige Spezialabfragen im Testlauf, beispielsweise Zugverbindungen, Wertpapier-Informationen, Stadtpläne, ein Wörterbuch und eine Übersetzungsfunktion.
In Googles Heimatland existieren noch mehr Anwendungen, die in einem eigens eingerichteten Labor, den Google Labs, entwickelt und erprobt werden. Schon lange haben in den USA etwa die lokale und mobile Suche Einzug gehalten, mit denen es möglich wird, Geschäfte oder Restaurants ausfindig zu machen und sich auf einer Karte des Dienstes Google Maps anzeigen zu lassen - selbst auf dem Handy. Mittels Google Personalized kann man individuelle Interessensprofile anlegen, die die vielen Suchresultate einschränken. Google Alert informiert den Nutzer per E-Mail über Veränderungen auf einer Website, die er im Augen behalten möchte. Google Video listet ihm das tägliche Fernsehprogramm auf und Google Scholar ist bei wissenschaftlichen Publikationen behilflich. Selbst ein manueller Suchdienst, Google Ask, ist eingerichtet worden, wo 500 Mitarbeiter für 2,50 Dollar an sie gestellte Anfragen persönlich beantworten.
Wohin die Reise gehen soll, liegt damit auf der Hand: Google will sich als zentrale Anlaufstelle für alle nur denkbaren Suchanfragen positionieren; eine Art zeitgenössisches Orakel, wie "Dr. Know" aus dem Spielberg-Film Artificial Intelligence, das alle Antworten auf alle nur möglichen Fragen parat hält. Eben Gott! Einige der Anwendungen, wie die ortsbezogene Suche Google Local sollen noch dieses Jahr nach Deutschland kommen. "2005 ist das Jahr der Internationalisierung von Google", sagt Sprecher Stefan Keuchel. Erfolg und Misserfolg in der Internet-Wirtschaft haben erwiesen, dass zur Erfolgsstrategie in der Online-Welt unbedingt eine übermächtige Markenbildung dazugehört. Dieses Etappenziel hat Google längst erreicht und verfolgt gegenwärtig eine so genannte vertikale Integration mittels diverser Spezialdienste.
Wie bei jedem Monopol lässt Kritik nicht lange auf sich warten. Bereits vor Jahren wurde der "undemokratische Algorithmus" von Googles Page-Ranking im Online-Magazin Slate attackiert. Denn nur jene Webseiten belegen die vordersten Ränge der Suchergebnisse, auf die am häufigsten von anderen Webseiten aus verwiesen wird. Weil dies vor allem kommerzielle Seiten sind, mehrten sich auch Klagen von Nutzern, denen es zu lästig war, sich durch ellenlange Suchresultate zu wühlen. Inzwischen zeigen sich auch die deutschen Grünen über das Informationsmonopol von Google besorgt und fordern in einer Broschüre den verantwortungsvollen Umgang mit Suchresultaten: "Suchmaschinenanbieter müssen das Zustandekommen ihrer Ergebnisse so transparent wie möglich halten und Ergebnisse, die auf kommerziellen Vereinbarungen beruhen, kennzeichnen."
Die Kritik: Suchmaschinen lenken die Aufmerksamkeit von Surfern. Nur was von ihnen angezeigt wird, ist anscheinend existent. Suchmaschinen erlangen somit eine außerordentliche kulturelle und insbesondere auch wirtschaftliche Macht. Einer Umfrage der Computerzeitschrift Chip zu Folge beachten drei Viertel aller Surfer lediglich die erste Seite der Trefferliste. Dass kommerzielle Anbieter genau dort auftauchen wollen, sollte also nicht verwundern. Für einen Reiseveranstalter oder Autoversicherer hängt der Geschäftserfolg im Internet einfach vom Ranking ab. Im Gegensatz zu anderen Suchmaschinen ist bei Google allerdings der Kauf einer Rangfolge möglich. Weiterhin stehen die Anzeigen, deutlich markiert, am rechten Rand.
Inzwischen beklagen auch Wissenschaftler und Journalisten das blinde Vertrauen, das in Internet-Suchmaschinen gesetzt wird. Als an der Hamburger Journalistenschule einmal der Netzzugang ausfiel und die Studenten auf konventionelle Weise in anderen Datenbanken recherchieren mussten, war das für viele Teilnehmer ungewohnt. Auch Studenten, so klagen ihre Professoren, seien immer seltener in der Bibliothek anzutreffen. Aus Bequemlichkeit "googeln" sie lieber zu Hause. Dabei ist nur ein Bruchteil des wissenschaftlichen und journalistischen Wissens im Internet aufzufinden.
Gegenwind bekommen Suchmaschinen wie Google auch vom Datenschutz, dem die Lokalisierungs- und Personalisierungsfunktionen naturgemäß ein Dorn im Auge sein müssen. Google macht sich einen Jux daraus, wenn in einer "Zeitgeist"-Rubrik mit dem Untertitel: "Suchmuster, Suchtrends und Überraschungen bei Google" eine Hitliste der monatlich meistverlangten Anfragen auftaucht. (Im Februar befand sich auf Platz 6 der deutschen Top-10 der Suchbegriff "Arbeitsamt".) Natürlich wären mit den Datenbeständen weitaus differenzierte "Zeitgeist-Profile" zu erstellen, an denen Marktforscher wie Sozialwissenschaftler ihre helle Freude hätten. Indessen ließen sich auch ganz andere Szenarien ausmalen, die wiederum Polizei und Geheimdienste brennend interessierten. Als Bayerns Innenminister Beckstein unlängst ein "polizeiliches Google" für die Verbrechensbekämpfung ankündigte, konnte man bereits bestens auf die Begehrlichkeiten rückschließen.
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