Vergangene Woche leisteten sich Schmidt Pocher den kleinen Scherz, das Saalpublikum per Applaus über Fernsehsendungen abstimmen zu lassen. Lindenstraße und Wetten, dass... fielen dabei durch, während CSI, Dr. House und weitere Serien im Privatfernsehen heftig beklatscht wurden. Bisweilen liegt der private Rundfunk nicht nur in der Gunst des Publikums vorn, was die Quoten belegen. Auch das Feuilleton findet an ihm vermehrt Gefallen, wenn die Qualität stimmt. Die alten Antipoden, Qualität und Quote, alias öffentlich-rechtlich und privat, sind durcheinander geraten.
Bei der Diskussion über Programmqualität im Fernsehen finden sie allerdings schnell zur alten Ordnung zurück. Noch immer unterliegen die Privatsender einem moralischen Legitimierungszwang, angesichts von Trash-TV á la Dschungelcamp nicht ganz unberechtigt. Zu behaupten jedoch, die öffentlich-rechtlichen Anstalten stünden in jedem Fall auf der Seite des Schönen, Guten und Wahren, erscheint ebenso unbegründet. Wie sehr diese oberflächliche Qualitätsdiskussion ökonomische Hintergründe hat, das zeigte ein Symposium der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten letzte Woche in Berlin. Unter dem Motto Die Ökonomisierung des Rundfunks wurde das zunehmende und misstrauisch beäugte Engagement von Finanzinvestoren auf dem deutschen Medienmarkt behandelt. Die Heuschrecken-Debatte.
Man kann es sich so einfach machen wie Günther Oettinger. Wenn es nach dem baden-württembergischen Ministerpräsident ginge, dürfte der Privatfunk operieren, wie er wollte. "Weil es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland gibt, ist beim privaten Rundfunk mehr Liberalität und wirtschaftliche Gelassenheit angezeigt", glaubt Oettinger. Mit anderen Worten: Für Qualität und Grundversorgung dürfen ARD und ZDF sorgen, während für die Rendite die Privaten zuständig sind. In den Ohren von Finanzinvestoren muss das traumhaft klingen. Die fühlen sich ohnehin in Deutschland sehr wohl, schon weil es keine kartellrechtliche Maximalbeteiligung an Unternehmen gibt.
Auch wenn jedes Mal, sobald sich Private Equity einen Teil des deutschen Medienkuchens sichert, eine Qualitätsdebatte vom Zaum gebrochen wird - zuletzt etwa bei der Übernahme von ProSiebenSat.1 durch die Finanzinvestoren KKR Permira -, haben die Investoren wenig Mühe den Spieß einfach umzukehren. "Es ist gefährlich anzunehmen, das Fernsehprogramm in anderen Ländern sei qualitativ schlechter als in Deutschland", antwortete Harry Hampson auf die Frage, ob Qualitätsüberlegungen aus Investorensicht eine Rolle spielten. Jeder Markt habe seine Besonderheiten. Der Medienanalyst bei der US-Bank J.P. Morgan war als Berater beim ProSiebenSat.1-Deal für die am Kartellamt gescheiterte Axel Springer Gruppe tätig. Auch der Frage nach dem Wesen von Qualität konnte Hampson gut mit dem Hinweis auf den Erfolg von Programmen begegnen.
Dass dann Quantität zu einer Qualität wird, ist ein konsensfähiges Modell, insofern sich auch die Gegenseite, der öffentlich-rechtliche Rundfunk, dem Quotendiktat längst gebeugt hat und seinerseits Programmerfolg vor allem an den Einschaltzahlen bemisst. Tatsächlich gibt es ja - altes Bonmot von Karl Lagerfeld - wenig gute Argumente gegen den Erfolg. Fraglich ist nur, wie er sich herbeiführen lässt. Beim Fernsehen kann bekanntlich alles und nichts funktionieren. Sowohl die Motto-Shows der Privaten kommen beim Publikum an als etwa auch die ARD-Telenovela Sturm der Liebe. Der Grund also, warum man sich beim Fernsehen auf die quantitative Bemessung von Qualität geeinigt hat, liegt darin, dass die Quote der einzig neutrale Parameter ist. Sie ist, wenn man so will, vernünftig. Über Qualität im Sinne von Geschmack lässt sich dagegen nur streiten.
"Die Qualitätsdebatte heißt unterm Strich", erklärte Götz Mäuser, Leiter des Mediensektors bei der Beteiligungsgesellschaft Permira, "wie manipuliere ich mein Programm am Zuschauer vorbei." Dieses Argument war auf Martin Stadelmaier gemünzt. Der Chef der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz hatte erklärt, dass "die Dividende des privaten Rundfunks, die er an die Gesellschaft ausschüttet, zu gering" und die Unterhaltung "ihrem Kern nach ziellos" sei. Einem Finanzinvestor kann das nicht gefallen, zumal sich mit Unterhaltung die besten Quoten erzielen lassen. Nicht gesagt ist allerdings, dass dies nur beim Fischen im Seichten gelingt. Auch Trash-Fernsehen ist kein Garant für hohe Quoten. Sich Qualitätsansprüchen zu entziehen, wäre deshalb auch für Investoren riskant.
Ein Gutachten über die "Rolle von Finanzinvestoren im Medienbereich", das die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten in Auftrag gegeben hat, kommt zu dem vorläufigen Ergebnis, dass es keine qualitativen Unterschiede gäbe zwischen börsennotierten Unternehmen und solchen, die mit Private Equity operieren. Als fragwürdiger Beleg wird angeführt, die Zahl der Mitarbeiter bei ProSiebenSat.1 sei nicht geschrumpft. Zudem ließe sich einwenden, dass sie trotz wirtschaftlicher Prosperität eben auch nicht gestiegen ist. Finanzinvestoren scheinen zu ahnen, dass sie gewisse Standards einhalten müssen. Ihr Rendite-Ziel wollen sie ohnehin auf anderem Weg erreichen: durch mehr Werbung. Gemessen am täglichen Fernsehkonsum von durchschnittlich 208 Minuten, führte Harry Hampson aus, sei der Anteil der Fernsehwerbung am Gesamtmarkt mit 24 Prozent noch sehr gering. Zeitungen, die im Vergleich deutlich weniger lang genutzt würden, hätten mit 62 Prozent viel größeren Anteil am Gesamtwerbekuchen. Viel Spielraum fürs künftige Fernsehprogramm.
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