Weltgeld fürs Weltklima

Nord-Süd-Transfer Da der Weltklima-Gipfel von Kopenhagen den Entwicklungsländern nur wenig gebracht hat, sollte die EU alte Pfade verlassen und über eine Soforthilfe hinaus einspringen

Der Klimawandel trifft die Entwicklungsländer bekanntlich am härtesten. Sie brauchen Hilfe, um die Folgen zu bewältigen. Und sie müssen unterstützt werden, um ihre wirtschaftliche Entwicklung, ihre Industrialisierung auf den richtigen Pfad zu bringen, also umweltgerecht zu produzieren. Dies gilt vor allem für die Energieversorgung.

Bei der Kopenhagener Klima-Konferenz hat die EU den Entwicklungsländern eine Soforthilfe von 7,2 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren versprochen, pro Jahr also 2,4 Milliarden, wovon Deutschland 420 Millionen übernehmen will. Ungewiss ist aber, ob diese Hilfe am Ende nicht doch mit der laufenden Entwicklungshilfe verrechnet wird. In der Praxis also zum Beispiel mehr Sonnenenergie, dafür aber weniger Krankenhäuser. Diese 2,4 Milliarden Euro jährlich sind bei weitem zu wenig. Entsprechend war die Reaktion des Blocks der 135 Entwicklungsländer in Kopenhagen: Das Geld reiche gerade aus, „um genug Särge für die Menschen in den Entwicklungsländern zu kaufen“, so der Vorsitzende des Blocks, der Sudaner Lumumba Di-Aping.

Produktionskapazitäten ungenutzt

Wie hoch ist der Aufwand, um die Zwei-Grad-Grenze einzuhalten? Im Stern-Report von 2006 wird geschätzt, dass hierzu neue Technik notwendig ist, die bis 2050 zusätzliche Kosten von jährlich rund einem Prozent des Weltproduktes verursachen würde. Mit anderen Worten: Die Investitionsgüter, die zusätzlich produziert werden müssen, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen, machen ein Prozent der Summe aller Bruttoinlandsprodukte aus. Für das Jahr 2008 bewegt sich das in einer Größenordnung von 600 Milliarden US-Dollar.

Wer kann diese Investitionsgüter produzieren, wer hat genügend technisches Wissen und die erforderlichen Kapazitäten? Die Antwort ist einfach: die Schwellenländer, vor allem aber die Industrieländer. Sie sind nicht zuletzt deshalb lieferfähig, weil in der gegenwärtigen Krise Produktionskapazitäten ungenutzt sind. Das Weltsozialprodukt ist im Jahr 2009 um 1,1 Prozent, die Wirtschaftsleistung der entwickelten Länder sogar um 3,4 Prozent gesunken. Für die Industrieländer ist es demnach nicht allzu schwierig, die nötigen Produkte für den Klimaschutz zu produzieren und damit auch die Entwicklungsländer zu versorgen. Allemal bedeutet der Rückgang des Bruttoinlandsproduktes allein in den EU-Staaten, in Japan und in den USA, dass im Vorjahr von diesen Ländern insgesamt Produkte mit einem Wert von rund 1.300 Milliarden US-Dollar weniger hergestellt worden sind. Das liegt erheblich über dem Wert der erforderlichen Klimainvestitionen von 600 Milliarden US-Dollar. Sicherlich ist eine Veränderung der Produktpalette notwendig. Aber die Zahlen zeigen, dass die produktionstechnischen Möglichkeiten grundsätzlich vorhanden sind.

In der Tat könnten Klimainvestitionen ein klassisches Ausgabenprogramm sein, um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Das wäre nichts weiter als traditionelle, klassische Konjunkturpolitik. Als keynesianisches Programm aber muss es den Widerstand konservativer Ökonomen hervorrufen. Mit Keynes gegen den Klimawandel? Niemals! Entsprechend kritisch kommentiert diese Idee beispielsweise Artur Runge-Metzger, Leiter des Klimawandel-Referats in der EU-Kommission und Chef-Unterhändler der Europäischen Union. Er meint, solche Vorschläge hörten sich an wie ein Perpetuum Mobile. Woher solle das Geld kommen. Es gebe keinen Weg, einfach Geld zu drucken und sicherzustellen, dass die Finanzen auf dem Tisch seien, schreibt Runge-Metzger am 10. Dezember in der britischen Financial Times.

Das ist eine – ideologisch motivierte – Ausrede. Denn die USA zeigen: Geld drucken und damit Ausgaben finanzieren, das ist eine sehr unkomplizierte Sache. Warum also diese ­Bedenken? Schließlich wäre eine solche Konjunkturpolitik nicht einfach ein reines Ausgabenprogramm: Es wäre überdies ein Innovationsprogramm im Sinne von Joseph Schumpeter. Es wäre – in der Sprache des österreichisch-amerikanischen Ökonomen – eine wahrhaft schöpferische Zerstörung. Alte Anlagen und alte Methoden der Produktion, die den Anforderungen der Zeit nicht mehr gerecht werden, machen neuen Verfahren Platz. Dass dieser Wandel durch Kredit- und damit Geldschaffung zu finanzieren ist, hat Schumpeter sehr eingehend untersucht. Nicht das ist also die neue Frage.

Was offensichtlich stört – dass über den technischen Fortschritt politisch entschieden werden soll. Eine andere Energieproduktion ließe den großen Energiemonopolen nicht die Zeit, die sie wünschen, um ihre alten Anlagen bis zum restlosen Verschleiß zu nutzen. Vielmehr würde Kapital vorzeitig entwertet. Das senkt den Gewinn – und dies auch dann, wenn die Energiehersteller bereits an neuen Verfahren arbeiten. Aber nicht nur in diesem Bereich stört staatliche, politische Einmischung. Sie stört auch deswegen, weil eine sachgerechte Finanzierung von Importen der Entwicklungsländer die Großbanken um Geschäfte bringt.

Ziel einer sachgerechten Finanzierung muss es jedoch sein, dass die Entwicklungsländer mehr Investitionsgüter für den Klimaschutz importieren, als sie mit ihren Exporten finanzieren können. Es muss ihnen also ein Handelsbilanzdefizit ermöglicht werden. Das freilich sollte nicht mit Bankkrediten finanziert werden, weil die Zinslast zu groß wäre. Zwei alternative Varianten sind denkbar.

Bei der einen handelt der Internationale Währungsfonds (IWF) wie eine Zentralbank. Das importierende Entwicklungsland bezahlt seine Einfuhren in Landeswährung. Der IWF garantiert, dass diese Zahlungen in Landeswährung jederzeit in US-Dollar, Euro oder eine andere Leitwährung zu einem festen Kurs eingetauscht werden können. Damit wird ein bestimmter Teil der Landeswährung des Entwicklungslandes zu Weltgeld, und zwar exakt so viel, wie dem Land an Importen von Klima-Investitionsgütern zugestanden wird.

Dies ist grundsätzlich das gleiche Verfahren, das gegenwärtig für die Finanzierung der US-Handelsbilanzdefizite sorgt. Denn verzeichnen die USA beispielsweise im Handel mit Japan ein Defizit, dann werden die US-Importe finanziert, indem die japanische Zentralbank Dollar als Zahlung akzeptiert und im Gegenzug Yen herausgibt, mit dem der japanische Exporteur seine Verbindlichkeiten (Lohn, Zulieferer) bezahlt. Hier entfällt die Garantie durch den Währungsfonds, weil der Dollar als Weltgeld anerkannt ist. Auf diese Weise wird gegenwärtig die Welt mit internationalem Geld versorgt. Dieses Verfahren ist irrational. Denn wie viel internationales Geld umläuft, hängt nicht vom Bedarf ab, sondern von der Handelsbilanz der USA. Rational wäre es dagegen, mit einem solchen Verfahren der Kredit- und Geldschaffung die Importfähigkeit der Entwicklungsländer zu stärken.

IWF-Kredite wünschenswert

Eine zweite Methode, die Entwicklungsländer mit Kredit zu versorgen, funktioniert etwas anders. Die Länder mit hohen Devisenreserven (als Folge anhaltender Handelsüberschüsse) halten einen Teil dieser Überschüsse beim Internationalen Währungsfonds als Einlagen. Im Gegenzug gibt der Kredite an die Entwicklungsländer. Die Einlagen der Überschussländer und damit auch die Kredite müssen nicht verzinst werden, wenn die Überschussländer darauf verzichten. Das lohnt sich für sie, denn der Kredit finanziert Aufträge, hilft der Konjunktur und der Beschäftigung voran. Dieses Verfahren entspricht der Schaffung der so genannten Sonderziehungsrechte durch den IWF. George Soros – als Spekulant ebenso bekannt wie als entschiedener Kritiker des Weltfinanzsystems – hat unlängst die Sonderziehungsrechte in die Debatte vor dem Kopenhagener Klima-Gipfel eingebracht.

Diese Methoden der Finanzierung von Entwicklung sind seit den fünfziger Jahren ­bekannt. Ursprünglich ging es nicht um Umweltfragen. Im Mittelpunkt stand damals vielmehr die allgemeine wirtschaftliche Ent­wicklung der ärmeren Länder. Aber was spricht dagegen, ehrgeizige Pläne und bewährte Instrumente für die Klimapolitik wieder aufzugreifen und zu aktualisieren?

Der Klimawandel bedroht die Grundelemente des menschlichen Lebens in der Welt – Zugang zu Wasser, Produktion von Lebensmitteln, Gesundheit, die Nutzung von Land und Umwelt schlechthin. Deshalb geht es um mehr als die 7,2 Milliarden Euro der EU, die vielleicht für Särge reichen, die Klimafrage aber nicht lösen. Es geht darum, die technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Nordens zu nutzen, um den Bedarf des Südens an Klimainvestitionen zu decken. Mit dem hier geschilderten Projekt wäre beiden Seiten geholfen. Industrie- und Entwicklungsländer könnten es gleichberechtigt verfolgen.

Herbert Schui ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Bundestagsabgeordneter der Linkspartei und Autor des Buches Gerechtere Verteilung wagen! Mit Demokratie gegen Wirtschaftsliberalismus. VSA, Hamburg 2009, 179 S., 14,80

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Die Vielfalt feiern – den Freitag schenken. Bewegte Zeiten fordern weise Geschenke. Mit dem Freitag schenken Sie Ihren Liebsten kluge Stimmen, neue Perspektiven und offene Debatten. Und sparen dabei 30%.

Print

Für 6 oder 12 Monate
inkl. hochwertiger Weihnachtsprämie

Jetzt sichern

Digital

Mit Gutscheinen für
1, 6 oder 12 Monate

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden