Es ist wieder soweit. Im Juli schlüpfen die Käfer des Westlichen Maiswurzelbohrers (Diabroctica virgifera). Ihnen bleiben nur wenige Wochen zum Leben, Paaren und Eier ablegen. Ihre Larven verursachen große Schäden, indem sie zunächst die Wurzelhaare der Maispflanzen auffressen und sich anschließend in die Wurzeln selbst hineinbohren. In den USA betragen die Ernteausfälle jährlich rund eine Milliarde Dollar.
Mit der Globalisierung der Wirtschaft und des Güterverkehrs hat sich das kleine Insekt neue Lebensräume erschlossen. Vor zwei Jahren wurden in Bayern und Baden-Württemberg erste Exemplare gesichtet. „Wir wissen aufgrund von genetischen Untersuchungen, dass die Population, die wir in Deutschland haben, aus Südosteuropa kommt“, berichtet der Agraringenieur Peter Baufeld vom Julius Kühn Institut (JKI) in Braunschweig.
Obschon nach Einschätzung des Leiters des Instituts für Pflanzenschutz in der Bayrischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), Helmut Tischler, ein paar hundert Käfer noch kein Anlass zu größerer Sorge sind – der Bekämpfungsrichtwert liegt bei einem Käfer pro Pflanze –, unterliegt ihre Behandlung rigiden Auflagen der EU, denn der Westliche Maiswurzelbohrer fällt unter die Rubrik der „Quarantäneschädlinge“, die wenn möglich ausgerottet oder deren Ausbreitung zumindest begrenzt werden soll.
Dasselbe gilt für Forstschädlinge, wie den Asiatischen Laubholzbockkäfer. Versteckt in Verpackungsmaterial schleuste er sich nach Frankreich, Österreich, Italien und nach Deutschland ein. 2004 wurden in Neukirchen (Inn), 2005 auch in Bornheim bei Bonn erste befallene Bäume gemeldet. Besonders gefährlich macht ihn, dass er gesunde Bäume wählt.
Doch mittels einer konsequenten Überwachung und intensiver Rodungsarbeiten im Umkreis der Fundorte konnte der Käfer zumindest in Bornheim vermutlich vernichtet werden. In Neukirchen haben Experten seit Anfang 2007 keine neuen Fraßspuren mehr gefunden. Der Preis dafür war hoch: Denn das JKI empfiehlt nicht nur, alle befallenen Bäume zu vernichten und alle möglichen Wirtspflanzen in einem Radius von 500 Metern intensiv zu inspizieren, sondern für den Fall, dass das nicht möglich ist, alle möglicherweise befallenen Bäume 200 Meter um den Fundbaum zu entfernen. In Bonn fielen so ein Hektar Wald und eine Obstplantage. Aber selbst im Studiengang Ökologische Agrarwissenschaften an der Universität Kassel-Witzenhausen sieht man zu so drastischen Maßnahmen derzeit keine Alternative: „Die ökologische Sichtweise relativiert sich angesichts des Schadenpotenzials“, meint der Insektenforscher Helmut Saucke.
Natürliche Feinde
Schon seit Jahren forschen Wissenschaftler über die unerwünschten Eindringlinge und über Schädlinge, deren Einfall für die nächste Zeit zu erwarten ist. Über die meisten von ihnen wissen wir nur wenig: „Es ist nicht bekannt, wie sie sich hier verhalten, welche Wirtspflanzen sie vorfinden und wie sie sich hier ausbreiten können“, resümiert die Agraringenieurin Katrin Kaminski am JKI.
Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Westlichen Maiswurzelbohrer. Im Rahmen eines dreijährigen nationalen Forschungsprogramms, das dieses Jahr angelaufen ist, untersucht das JKI unter anderem mechanische Verfahren: „Wir schauen zum Beispiel, welchen Einfluss es auf die Sterblichkeit der Larven hat, wenn wir tiefer pflügen, wodurch die Eier in sehr tiefe Bodenschichten gelangen“, erzählt Baufeld. „Möglicherweise kann sich so der Käfer gerade im Norden Deutschlands, wo die Wetterbedingungen nicht so optimal sind, nicht mehr zu Ende entwickeln.“
Dabei ist die Lösung beim Westlichen Maiswurzelbohrer eigentlich offensichtlich: Man kann ihm die Existenzgrundlage entziehen, indem man einfach nur jedes zweite Jahr Mais anbaut: „Der erwachsene Käfer legt seine Eier in die Maisfelder in der Erwartung, dass die Larven dort, wenn sie im Frühjahr schlüpfen, Mais vorfinden“, erklärt Baufeld. „Wenn sie jedoch keine Wirtspflanzen finden, verhungern sie.“
Doch trotz einer Erfolgsquote von 95 bis 98 Prozent ist diese Maßnahme bei vielen bayerischen Landwirten denkbar unpopulär. Einige von ihnen bauen bereits seit 40 Jahren jedes Jahr Mais an. „Ihr Problem besteht darin, dass Mais in Bayern mit Abstand die ertragreichste Kultur ist“, so Tischler. Auch haben sie ihre Geräte gänzlich auf diese Pflanze ausgerichtet. Ähnlich verhält es sich in Baden-Württemberg.
Die Einhaltung der Fruchtfolge ließe sich gesetzlich erzwingen. Damit erübrigten sich die Nebenwirkungen der Pestizide für Mensch und Umwelt sowie die Ausgaben für die Erforschung weiterer Bekämpfungsmethoden. Doch soweit geht die EU nicht: Nach ihrer Quarantänerichtlinie dürfen die Bauern in zwei von drei Jahren Mais anbauen, wenn sie jeweils in dem Jahr, in dem sie in Folge Mais kultivieren, Schädlingsbekämpfung betreiben. Die billigste Variante entpuppte sich dabei als die gefährlichste: Der Einsatz von mit Clothianidin gebeiztem Saatgut führte 2008 in Süddeutschland zu einem Massenbienensterben und ist seither verboten. Alternativ verwenden die Landwirte nun ein Boden-Granulat oder ein Spritzmittel gegen die ausgewachsenen Käfer.
Viel zu forschen gibt es auch bei den Forstschädlingen. „In Frankreich versucht man, in Zusammenarbeit mit einem US-Institut natürliche Gegenspieler zu finden, etwa Parasiten, die die Schadorganismen im Schach halten“, berichtet der Forstwissenschaftler Thomas Schröder, ebenfalls vom JKI. In Deutschland suchen die Forscher nach Duftsubstanzen, um die Laubholzbockkäfer in Fallen zu locken. Dabei tauschen sie ihre Erkenntnisse mit italienischen und chinesischen Kollegen aus.
Insgesamt ist mehr internationale Kooperation gewünscht. „Damit können Doppelarbeit vermieden und Synergieeffekte in der Forschung genutzt werden“, so Kaminski. Als erster Schritt einer Vernetzung fand Ende Mai erstmals ein internationaler Workshop des EU-Projektes EUPHRESCO in Braunschweig statt, an dem mehr als 18 europäische Länder, Russland und die USA teilnahmen. Darin wurde an einer gemeinsamen Forschungsagenda für den Pflanzenschutz gearbeitet, die im nächsten Jahr verabschiedet werden soll.
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