Jedes Jahr im Frühjahr vollzieht sich vor der spanischen Küste in der Meeresenge von Gibraltar dasselbe Schauspiel: Riesige Thunfischschwärme pflügen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 50 Stundenkilometern durch das Wasser. Sie befinden sich auf dem Weg aus dem kalten Atlantik in das warme Mittelmeer zu ihren Laichplätzen an den Balearen, Korsika und Sizilien. Nur ein kleiner Teil von ihnen verfängt sich in den sorgsam angebrachten Netzen der Almadraba, einer traditionellen Fischfangmethode, die noch auf die Phönizier zurückreicht.
Doch seit seit einigen Jahren weisen die Fischer der Almadraba auf einen eklatanten Rückgang ihrer Fänge hin. Dieses Jahr waren es nur 1.200 Tonnen, vor acht Jahren dagegen noch 5.000. Auch werden die gefangenen
gefangenen Exemplare zunehmend kleiner. Ein ausgewachsener Thunfisch kann bis zu 700 Kilogramm wiegen, die hier gefangenen Fische erreichten ein Gewicht von 170 Kilogramm.Wissenschaftler und Umweltverbände ziehen daraus Schlüsse über den Gesamtbestand der Population im Ostatlantik und warnen vor einem Kollaps dieser Art. Dabei gehe die Gefahr von den industriellen Flotten aus, die die Bestände völlig überfischten. Vereinbarte Fangquoten würden mittels illegaler Fischerei unterlaufen. Ihre letzte Hoffnung setzten sie auf die Konferenz der Internationalen Kommission für die Erhaltung der Thunfischbestände des Atlantiks (ICCAT) in Marokko, die am 24. November zu Ende ging. Denn sonst drohe, dem Roten Thun dasselbe Schicksal wie dem Kabeljau vor Neufundland vor knapp 16 Jahren: "Die kommerzielle Fischerei ist kollabiert und die Bestände haben sich trotz Fangmoratorium bis heute nicht erholt", so die Fischereiexpertin Karoline Schacht vom WWF.Enttäuschende ErgebnisseWissenschaftler, die für die ICCAT arbeiten, hatten gemahnt, den Thunfischfang vorübergehend zu stoppen. Um den Roten Thun noch zu retten, dürften keinesfalls mehr als 15.000 Tonnen im Mittelmeer gefangen werden. Auch ein Lager um die USA, Kanada und Mexiko sprach sich für stärkere Schutzmaßnahmen aus. Vor ihren Küsten war vor knapp 20 Jahren die westatlantische Population des Roten Thunfischs verschwunden, nachdem diese ebenfalls massiv überfischt worden war. Doch auf der Konferenz setzte sich nach zähem Ringen das gegnerische Lager um die Europäische Kommission durch: Man einigte sich auf eine maximale Fangquote von 22.000 Tonnen für 2009 und ließ erneut den Fischfang während der Laichzeit bis Mitte Juni zu. "Damit hat die ICCAT das Todesurteil über diese Art gesprochen", so die Meeresforscherin María José Cornax der internationalen Organisation für Meeresschutz Oceana. Auch Diego Crespo, der Vorsitzende der Organisation der Fischer der Almadraba in Südspanien, wertet die Ergebnisse der Konferenz als "Desaster": "Die einzigen Schutzmaßnahmen, die die Kommission ergriffen hat, beziehen sich auf die Fangmengen. Doch die werden jedes Jahr wieder neu überschritten. Für das Jahr 2007 waren sie auf 29.000 Tonnen festgelegt, die tatsächlichen Fänge lagen jedoch bei schätzungsweise 61.000 Tonnen."Da die Mitgliedsstaaten nicht in der Lage seien, ihre Firmen auf hoher See zu kontrollieren, müsse man zu wirksameren Auflagen greifen, etwa den Fang während der Laichsaison zu verbieten und die Flotten stark zu reduzieren. Denn diese seien völlig überdimensioniert. Nach Angaben des WWF sind von 2000 bis 2006 über 850 Millionen Euro in Ausbau und Erneuerung europäischer Schiffe sowie deren Ausrüstung geflossen. Für die vereinbarten Quoten gäbe es rund 300 Fischtrawler zu viel im Mittelmeer, so Umweltorganisation.Die Interessen der Industrie sind groß, denn das zarte Thunfischfleisch gehört weltweit zu den großen Delikatessen - auch in Europa sind seit einigen Jahren die mit rohem Fisch gefüllten Sushirollen in Mode gekommen - und wird auf dem japanischen Markt je nach Qualität für umgerechnet 20 bis 50 Euro das Kilo gehandelt. Knapp 80 Prozent des weltweit gefangenen Thunfischs gehen dorthin. Dabei schien die Nachricht, wie es um den "König der Meere" steht, dort zunächst durchaus angekommen zu sein: Auf der diesjährigen Weltnaturschutzkonferenz in Barcelona hatte sich Japan noch für einen Fangstopp ausgesprochen. Erst im Verlaufe der Verhandlungen in Marrakesch wechselte das Land die Lager."Nachdem wir gesehen haben, dass wir auf die ICCAT zum Schutz des Roten Thunfischs nicht rechnen können, werden wir uns nun andere Allianzen suchen müssen", erklärt Karoline Schacht. Deshalb ruft der WWF Händler, Restaurants und Verbraucher zum Boykott auf. Eine der großen Lebensmittel-Lieferfirmen in Japan, SEIYU, hat den Kauf des Mittelmeer-Thunfischs bereits eingestellt. Auch die japanische Restaurantkette Moshi Moshi in Großbritannien und mehrere europäische Supermärkte haben sich dem angeschlossen. So liegt das Schicksal des Roten Thuns, nach dem Politiker und Schutzverband versagt haben, nun bei den Konsumenten.