Wie wirkt sich der aktuelle Klimawandel auf Arktis und Antarktis aus? Und wie beeinflussen die Pole umgekehrt das Klima unseres Planeten? Wie hat sich das Klima der Erde über die Jahrtausende verändert? Welche Rolle spielen dabei tektonische Verschiebungen und Meeresströmungen, und wie wirken sie mit Eis und Atmosphäre zusammen? Diese und viele weitere Fragen gilt es im Rahmen des dritten Internationalen Polarjahres (IPY) zu entschlüsseln, das am 1. März 2007 in Paris eröffnet wurde und zwei Jahre dauern soll. Wissenschaftler aus über 60 Ländern beteiligen sich daran mit einer Vielzahl an Projekten.
Bereits seit Jahrhunderten erwecken Nord- und Südpol die Neugier von Forschern und Abenteuerlustigen: Im Jahre 1596 stieß der niederländische Seefahrer Willem Barents auf den damals noch unbekannten Archipel Spitzbergen, 1773 kreuzte der britische Entdecker James Cook mit seinem Schiff erstmals den südlichen Polarkreis, und während zweier Expeditionen, 1868 und 1869/70, erkundete der deutsche Polarforscher Carl Koldewey Grönland. Doch erst 1909, ein Vierteljahrhundert nachdem das erste Internationale Polarjahr gefeiert worden war, erreichten Robert Peary und Matthew Henson, begleitet von vier Inuits, als erste Menschen den Nordpol. Zwei Jahre später lieferten sich Robert Scott und Roald Amundsen das berühmte Kopf-an-Kopf-Rennen um die Entdeckung des Südpols.
Extreme Lebensbedingungen
Trotz ihrer großen Bedeutung für die Erde sind Arktis und Antarktis auch heute noch weitgehend unerforscht. Ein wesentlicher Grund dafür sind die extremen Lebensbedingungen in diesen Breitengraden, die ein wissenschaftliches Arbeiten nur unter größtem logistischem Aufwand erlauben. So herrschen in Nordsibirien bis zu 50 Grad unter Null, und im Osten der Antarktis sinken die Temperaturen im Winter sogar bis auf minus 90 Grad. Gigantische Eismassen von einer Höhe von bis zu 4.500 Metern türmen sich auf dem höchstgelegenen Kontinent der Erde. Stürme von bis zu 320 Stundenkilometern fegen über das Südpolarmeer hinweg und beeinträchtigen auch auf dem Festland die Forschungsarbeit. Im Winter, wenn sich die Sonne über Monate nicht über dem Horizont blicken lässt, sind die Seewege zudem nicht mehr befahrbar, da ein weiter Packeisgürtel das umliegende Meer bedeckt.
Nur wenige Tiere trotzen derartiger Witterung. Denn die Kälte, aber auch die extreme Trockenheit - in manchen Teilen des südlichsten Kontinents fällt im Jahresdurchschnitt weniger Niederschlag als auf die Sahara - erfordern eine maximale Anpassung. So findet man in den antarktischen Gewässern verschiedene Arten von Eisfischen, deren Blut weder Hämoglobin noch rote Blutkörperchen enthält. Auf diese Weise ist ihr Blut dünnflüssiger, und sie benötigen weniger Energie, um es durch den Körper zu pumpen.
Längere Sommer und weniger Eis
Von den Wirbeltieren haben sich die Kaiserpinguine am weitesten in die Antarktis hineingewagt. Zu Tausenden stehen die Männchen dicht aneinander gedrängt im Landesinnern und brüten, während die Weibchen oft wochenlang unterwegs auf Fischfang sind. Die übrigen hier vorkommenden Vogelarten halten sich vorwiegend an der Küste auf, wo das Klima angenehmer ist. Viele von ihnen sind Zugvögel, die noch vor Wintereinbruch wieder gen Norden ziehen. Robben, Delfine und Wale sind die einzigen Säugetiere, die an der Antarktis ausharren. In der arktischen Tundra, wo die Temperaturen milder sind, haben sich dagegen rund 40 verschiedene Arten angesiedelt, unter ihnen Polarhasen und -füchse, Lemminge, Wölfe und Elche.
Frühling und Sommer sind in diesen Breitengraden kurz. Während dieser Zeit schmelzen Teile des Packeisgürtels um Nord- und Südpol ab; im Herbst wächst er wieder an. Die arktischen Ureinwohner, Wissenschaftler und Umweltorganisationen beobachten jedoch bereits seit Jahren mit Sorge, wie sich das Meereseis auf der Nordhalbkugel immer weiter zurückzieht und jedes Jahr später gefriert. Als Seehundjäger trifft das die Eisbären und das Volk der Inuits gleichermaßen. Über Monate hinweg sind sie jetzt oft von den Robben abgeschnitten, die auf dem Eis leben und ihre Nahrungsgrundlage darstellen.
Die steigenden Temperaturen bedrohen auch die Sami in Lappland in ihren Lebensgewohnheiten: Durch das Schmelzen und Wiedergefrieren des Permafrostbodens kommen ihre Rentiere nicht mehr an Flechten und Moose heran, von denen sie sich ernähren. "In sensiblen Ökosystemen ist es sehr schwierig, Nahrung zu finden", erklärt Karsten Smid von Greenpeace Deutschland. Anders als etwa im tropischen Regenwald oder im Korallenriff leben im Eis nur wenige Arten und diese in großer Zahl. "Schon leichte Verschiebungen können zu gravierenden Folgen führen", so Smid.
Nach Prognosen des Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC), könnte eine Erwärmung der Erde um durchschnittlich zwei Grad zum vollständigen Abschmelzen des Eisschilds Grönlands führen und den Meeresspiegel bis zu sieben Meter anheben. Bis dahin können noch mehrere Jahrhunderte vergehen, doch Greenpeace warnt, dass die Weichen dafür, ob es soweit kommt, heute gestellt werden, denn jetzt schon liegt die Durchschnittstemperatur 0,7 Grad über der von vor 100 Jahren. Und wenn der Prozess einmal eingesetzt hat, ist es zu spät, ihn noch aufzuhalten. Deshalb plädiert die Umweltschutzorganisation an die Industrienationen, ihren CO2-Ausstoß bis 2050 um 80 Prozent zu verringern.
Zu Kontroversen unter Wissenschaftlern führt die Frage danach, ob das Eis der Antarktis schmilzt oder zunimmt. Zwar schirmt der mächtige Zirkumpolarstrom, der in den Tiefen des Südpolarmeeres um den siebten Kontinent strömt, diesen von dem wärmeren Wasser des Pazifiks ab. Er war seinerzeit, als die letzte Landbrücke zu Südamerika brach, auch maßgeblich verantwortlich für das Vereisen des Erdteils. Doch während die Eismassen im Osten des Kontinents heute weiter anwachsen, werden sie im tiefergelegenen Westen und der Antarktischen Halbinsel immer brüchiger. Eine besondere Rolle für das Abschmelzen des Schelfeises im Westen scheint das Ozonloch zu spielen, wie eine 2002 veröffentlichte Studie der US-amerikanischen Forscher David W. J. Thompson und Susan Salomon belegt.
Die Rolle der Meeresströmungen
Verschiedene europäische Wissenschaftler haben unlängst durch Untersuchungen an grönländischen und antarktischen Eiskernen herausgefunden, dass das Klima der beiden Pole während der letzten Eiszeit mittels Meeresströmungen unmittelbar miteinander verknüpft war. So begann sich die Antarktis immer dann zu erwärmen, wenn es im Norden kalt war und umgekehrt abzukühlen, wenn die Temperaturen in der Arktis stiegen. "Prinzipiell ist dieser Prozess noch immer gültig", erklärt der Paläoklimatologe Hubertus Fischer vom Albert Wegener Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. "Nur befinden wir uns seit 10.000 Jahren in einer Warmzeit, in der die Ozeanzirkulation im Atlantik sehr konstant war, und so können wir dieses Phänomen nicht beobachten."
Eine Schlüsselrolle für das Zusammenspiel der Pole übernimmt bis heute offensichtlich der Great Ocean Conveyer Belt, der im Nordatlantik entspringt. Wie ein gigantisches Förderband transportiert diese Meeresströmung, angetrieben vom Wind und der Differenz zwischen Temperatur und Salzgehalt, enorme Wassermassen rund um die Erde. Indem sie etwa im Nordatlantik den hohen Breiten warmes Wasser aus den Tropen zuführt, gleicht sie die gröbsten Temperaturschwankungen zwischen Polen und Äquator aus.
Die aktuelle Erwärmung der Arktis könnte jedoch, wie wissenschaftliche Modelle zeigen, durch eine vermehrte Süßwasserzufuhr den Golfstrom, der Teil des Great Ocean Conveyer Belt ist, bremsen; die Wärme würde sich im Südatlantik stauen und die Südhemisphäre auf lange Sicht erwärmen. Doch wie es damit genauer aussieht, ist ebenfalls eine der Fragen, deren Lösung die Wissenschaftler in den nächsten zwei Jahren näher zu kommen hoffen.
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