Moderne Sklaverei

VERKAUFTE FRAUEN Das Ausländerrecht wirkt als effektiver Schutz der Händler

Achtundachtzig Prozent der Opfer von Frauenhandel in Deutschland, schätzt das Bundeskriminalamt, kommen heute aus osteuropäischen Staaten, den Ländern des ehemaligen Warschauer Paktes. "Seit dem Fall der Mauer und des Sow jetreiches erleben der Frauenhandel und die Zwangsprostitution in vielen Ländern der Europäischen Union einen dramatischen Aufschwung. Das Angebot auf dem Markt für Frauen ist um einen "neuen Frauentyp" angereichert worden, der billig, reichlich und schnell beschafft werden kann." So skizziert Anne Seyfferth, Friedrich-Ebert-Stiftung, die Situation des "Marktes".

Armut, Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit sind Auswirkungen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen in Rußland, Polen und anderen osteuropäischen Ländern. War es in den realsozialistischen Ländern üblich gewesen, dass Frauen arbeiteten, auch wenn die Hausarbeit weiterhin ungeteilt zu ihren Lasten ging, sind sie heute - wenn sie überhaupt Arbeit gefunden haben - deutlich unterbezahlt und fast immer die ersten, die gekündigt werden. Untermauert wird diese fatale Entwicklung von der wiederauferstandenen Ideologie, dass die eigentliche Bestimmung der Frau doch das Hausfrauen- und Mutterdasein sei. Unabhängig davon, ob die Frauen nur einen Ausweg aus ihrer finanziellen Misere suchten, einem "pretty-woman-Traum" oder der Vorstellung partnerschaftlicher, freierer Formen von Beziehung folgten: Für viele endet der Traum in organisierten Händlerringen, von denen sie zur Prostitution gezwungen und ihrer Menschen- und Persönlichkeitsrechte beraubt werden. Und manche Frauen werden tatsächlich von ihren Angehörigen an die Händlerringe verkauft.

Da die Frauen ohne Papiere, illegal hier arbeiten, werden sie bei Razzien meist gleich abgeschoben - wegen Verstosses gegen das Ausländerrecht, das sich als effektiver Schutz für die Händler erweist: Potentielle Zeuginnen werden vom "Arm des Gesetzes" selbst beiseite geschafft. Für eine sinnvolle Bekämpfung von Frauenhandel sind daher neben der reinen Strafverfolgung diverse Maßnahmen notwendig, wie Sensibilisierung, Betreuung, bessere Kooperation.

Mittlerweile fordert auch das Europäische Parlament ein koordiniertes Vorgehen gegen diese internationale Form organisierten Verbrechens mit einer "Europäischen Kampag ne gegen Gewalt an Frauen": Informations- und Aufklärungsaktionen in den Herkunftsländern der Frauen, Beteilung von Nichtregierungsorganisationen bei der Forschung, Vorbeugung und beim Opferschutz. Frauenhandel soll vor allem aus der Perspektive der Opfer betrachtet werden, dem stehen aber oft nationale Straf- und Ausländergesetze entgegen. Das Europäische Parlament fordert außerdem drakonische Strafen für die Mitglieder von Händlerringen und Zuhälter. Allerdings sind die einzelnen Nationalstaaten nicht verpflichtet, diesen Maßnahmenkatalog zu unterzeichnen. In der Bundesrepublik gelingt die Umsetzung der europäischen Zielvorstellung vor allem auf der Ebene der lokalen Behörden oft nicht: Dem Vergehen, das darin besteht, dass eine Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis fehlt, wird Vorrang vor der Frage eingeräumt, ob man möglicherweise einem Opfer von Frauenhandel gegenübersteht - dem eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung gewährt werden müßte.

Nach Ansicht von Nichtregierungsorgansationen muß die Kooperation der verschiedenen beteiligten Kräfte und Gremien, zwischen staatlicher und nichtstaatlicher Ebene, intensiviert werden, was auch in den EU-Programmen gefordert wird. Den NRO geht es in erster Linie darum, die Sichtweise durchzusetzen, dass die Frauen vor allem anderen Opfer eines Verbrechens sind und nicht als Gesetzesbrecherinnen behandelt werden dürfen. Nur so können die Opfer auch in die Lage versetzt werden, eventuell als Zeuginnen aufzutreten.

Um die Vorgaben umsetzen zu können, sind allerdings auch die entsprechenden Mittel notwendig Gewalt gegen Frauen und dann auch noch gegen Migrantinnen hat bei allseits leeren Kassen und der bekannten Ausländerpolitik aber kaum Priorität. Vor allem der Arbeit der Nichtregierungsorganisationen ist es daher zu verdanken, dass in diesem Bereich in den letzten Jahren zumindest manches in Bewegung gekommen ist.

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