Das US-Unternehmen Monsanto hat angekündigt, auf die Vermarktung der umstrittenen Terminator-Technologie vorerst zu verzichten. Zwar wurde damit ein einflussreiches Gentech-Unternehmen durch Verbraucher- und Bauernproteste zunächst gebremst, doch die rechtlichen Rahmenbedingungen für den grenzenlosen Handel mit genmanipulierten Lebensmitteln und Saatgut werden nichtsdestotrotz weiter ausgebaut. Mit der WTO-Millennium-Runde soll bekanntlich auch das Teil-Abkommen TRIPs erweitert werden, das international die Rechte am geistigen Eigentum regelt.
Seit Anfang September ist eine entsprechende Patentierung nun auch in Europa möglich, das bedeutet, gentechnisch veränderte oder auch nur genetisch entschlüsselte Lebewesen können registriert und geschützt werde
eschützt werden wie Solarzellen oder Airbags. Doch dagegen regt sich Widerstand. Die strittige Frage lautet: Dürfen Personen oder Konzerne die Rechte über Lebewesen erwerben, nur weil sie deren genetisches Muster erkannt oder verändert haben? Beispiele für die Fragwürdigkeit des neuen Rechts gibt es zur Genüge: Der asiatische Neembaum wird in vielen Ländern traditionell und vielfältig genutzt. Extrakte seiner Blätter und Rinde leisten wertvollen biologischen Pflanzenschutz, werden als Wasch- und Putzmittel verwendet und medizinisch eingesetzt. Durch die Isolierung eines Neembaum-Gens, das die Produktion von Schädlings-Abwehrstoffen in Gang setzt, sind die Patent-Rechte auf den Pflanzenwirkstoff nun in privaten Händen. Die eigentlichen "Entdecker" aus Indien, Pakistan und Banglasdesh gehen leer aus. Mit dem Patent erwirbt das Unternehmen gleichzeitig die Vermarktungsrechte. So auch ein US-Pharmakonzern, der sich die Rechte an einem Immergrün-Gewächs aus Madagaskar sicherte, das seit jeher als Heilpflanze genutzt wurde und inzwischen erfolgreich in der Krebstherapie eingesetzt wird. Das Unternehmen verdient damit mehr als 100 Millionen Dollar pro Jahr, während der afrikanische Inselstaat allenfalls als Exporteuer des Rohstoffs profitiert.Das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) stellte kürzlich in einer Studie fest, dass 97 Prozent aller Saatgut-Patente bei Unternehmen aus Industriestaaten liegen, während 90 Prozent der biologischen Ressourcen aus den Ländern des Südens kommen. Für diese gehen nicht nur erhebliche Einnahmequellen verloren, sie müssen auch noch teuer bezahlen.Gerade die Chemie- und Saatgut-Industrie - meist ohnehin unter dem Dach eines Konzerns vereint - stellt die Patente zu geschickt aufeinander abgestimmten Kombi-Packungen zusammen. Genveränderter Mais etwa ist in der Regel nur in Verbindung mit einem passenden Pflanzenschutzmittel nutzbar. Er ist gegen das Pestizid resistent, das alle anderen Pflanzen tötet und dem Mais unbedrängtes Wachstum ermöglicht. Nur: Wenn Saatgut und Pestizid von ein und demselben Unternehmen vermarktet werden, erhalten die Landwirte zwar eine ertragreiche und schädlingsresistente Saat, begeben sich dabei jedoch in zunehmende Abhängigkeit.Wie sehr die Saatgut-Multis die Landwirte zu Vasallen machen können, verdeutlicht das Beispiel der "Terminator"-Technologie: Für viele Bauern - vor allem in Entwicklungsländern - ist der so genannte Nachbau unverzichtbar. Das heißt, sie nehmen einen Teil ihrer Ernte, lagern ihn ein und säen ihn im nächsten Jahr wieder aus. Die Terminator-Technik indes schließt diese Möglichkeit aus. Durch genetische Manipulation wird verhindert, dass nachgebautes Saatgut keimt. Im März 1998 erhielten das US-Department of Agriculture (USDA)und die Baumwollsaatfirma Delta Pine ein Patent auf diese Technologie. Für die Unternehmen bedeutet dies die Aussicht auf hohen Absatz, für die Landwirte jedoch den Verlust ihrer Unabhängigkeit.Der US-Konzern Monsanto, der Delta Pine und damit das Terminator-Patent übernommen hat, verlässt sich dabei nicht ausschließlich auf die neue Technik. Die Firma verpflichtete beispielsweise Bauern vertraglich, kein Saatgut aus der Sojabohnenernte der gentechnisch veränderten, aber noch ohne Terminator-Technik ausgerüsteten Monsanto-Sorten zurückzubehalten. Privatdetektive überwachen die Einhaltung der Lizenzverträge, gegen mehr als 100 Landwirte hat die Firma gerichtliche Schritte wegen Vertragsbruchs eingeleitet. Viele der Farmer fühlen sich inzwischen von den Saatgutfirmen hintergangen, fielen doch Mehreinnahmen durch höhere Erträge und Einsparungen bei den Pestizidkosten geringer aus als angekündigt. Nicht selten blieb der Bedarf an Pestiziden konstant, die Erträge fielen zuweilen sogar um bis zu acht Prozent. Vor allem aber sehen die Farmer einen zunehmenden Imageverlust. Die genmanipulierte Ernte gefährdet inzwischen den Absatz im Ausland. Japan etwa importierte noch 1998 fast seine kompletten Bedarf an Sojabohnen und Mais aus den USA - inzwischen aber weichen die Importeure auf andere Länder aus, weil gentechnikfreie Ware gefragt ist.Und nicht nur der Verbraucherboykott beeinträchtig den Absatz der Gentech-Unternehmen. Die Skepsis hat auch die Gerichte erfasst. Beim Versuch, seiner Sojabohne bald quasi eine Monopolstellung zu verschaffen, ist Monsanto daher vorläufig gescheitert. Brasilianische Richter verpflichteten den Konzern dazu, eine einjährige Umweltverträglichkeitsstudie durchzuführen, bevor die veränderte Sojabohne angebaut werden darf. Zwar wurden nur kurze Zeit nach diesem Schiedsspruch die ersten der manipulierten Sojasamen illegal aus dem Nachbarland Argentinien importiert, doch gilt das Urteil als gewaltiger Rückschritt für die Expansionspläne der Saatgutmultis. Denn auch andernorts wächst der Druck: Australien, Neuseeland und Südkorea beschlossen zwischenzeitlich eine Kennzeichnungspflicht für genmanipulierte Produkte, Japan kündigte kürzlich eine für 2001 an, ähnlich verfahren Südafrika und Thailand. Der in den WTO-Verträgen festgelegte freie Handel scheint zumindest bei gentechnisch veränderten Produkte gefährdet. "Wir wissen genau, dass gentechnisch veränderte Organismen Teile der Umwelt zerstören können", erklärte etwa Frankreichs Präsident Chirac. "Es gibt keine Sicherheit, dass Gentech-Nahrung gesundheitsverträglich ist. Jedes Land muss daher das Recht haben, die Einfuhr zu verweigern."Umweltverbänden reicht es nicht aus, die Entscheidung pro oder contra Gentech-Waren mittels Kennzeichnungspflicht lediglich den Verbrauchern und dem Gesetz von Angebot und Nachfrage anzuvertrauen. Denn die Skepsis von Verbrauchern und Umweltschützern ist weit mehr als Technikfeindlichkeit und Konservatismus. Die Nebenwirkungen des Einsatzes gentechnisch veränderter Pflanzen sind noch kaum abzuschätzen.Außerdem ist durch die Züchtung nur noch weniger, besonders ertragreicher Pflanzen die Artenvielfalt schon dramatisch reduziert worden. In China gibt es nur noch 1.000 Weizenarten, vor 50 Jahren waren es noch zehnmal so viele. Von den Anfang des Jahrhunderts in Indien registrierten 30.000 Reissorten existieren heute noch ganze 15. Durch die Gentechnik wird es möglich sein, die günstigen Eigenschaften verschiedener Arten in einer Pflanze zu kombinieren.Deshalb wurde 1992 während des UN-Umweltgipfels in Rio de Janeiro eine "Biodiversitätskonvention" unterschrieben, deren Ziele "der Erhalt der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung ihrer einzelnen Elemente und die gerechte Aufteilung der aus der Nutzung genetischer Ressourcen resultierenden Vorteile" sind. Mit der Interpretation, wie denn eine solche gerechte Aufteilung auszusehen hat, werden sich die Verhandlungspartner auch in Seattle befassen. - Der Streit um Patente und Profite, aber auch Bauernproteste und Verbraucherskepsis, könnten das Tempo der Vermarktung natürlicher Ressourcen und des Handels mit genetisch manipulierten Waren bremsen, das hat der jüngste Verzicht Monsantos auf die Terminator-Vermarktung gezeigt. Doch aufhalten werden sie beides indes kaum.