Man stelle sich vor, hiesige Politiker müssten ihre kompletten Vermögensverhältnisse offen legen. Der Bundestag müsste für jedes Projekt, das Geld kostet, zunächst bei internationalen Organisationen das Einverständnis einholen. Staatsbetriebe müssten unter Wert an ausländische Investoren verkauft werden, weil sich keine zahlungskräftigen Interessenten finden. Was hierzulande als unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten abgelehnt würde, sind Auflagen, die der Internationale Währungsfonds (IWF) im August Kenia oktroyierte, damit das ostafrikanische Land neue Kredite bekam, um seinen Staatshaushalt und dringende Infrastrukturmaßnahmen finanzieren zu können.
Die Auflagen und Strukturanpassungsprogramme von IWF u
programme von IWF und Weltbank sind seit Jahren Gegenstand der Kritik. Wenn die beiden Finanzinstitutionen vom 26. bis 28. September ihre gemeinsame Jahrestagung in Prag abhalten, werden Vertreter von Entwicklungsländern und Demonstranten auf den Straßen vor allem dagegen protestieren. Denn die verordneten Maßnahmen versetzen die verschuldeten Staaten in eine immer größere Abhängigkeit von den Washingtoner Institutionen.Tatsächlich ähneln sich die Auflagen, die IWF und Weltbank den verschiedenen Schuldnerstaaten aufbürden, teilweise bis ins Detail. Kurzfristig wird von den Regierungen die Abwertung der nationalen Währung ebenso gefordert wie eine Preisliberalisierung oder rigide Sparpolitik. Maßnahmen, die zur wirtschaftlichen Stabilisierung beitragen sollen, zugleich jedoch einen Großteil der Bevölkerung verarmen lassen. Mit einer Abwertung wachsen kurzfristig die Exportmöglichkeiten, werden aber auch importierte Waren verteuert, so dass sie für viele nicht mehr bezahlbar sind. Ähnlich wirkt sich die Preisliberalisierung aus. Korrespondiert sie zusätzlich mit annullierten Subventionen für Lebensmittel, trifft das besonders die Ärmsten.So konzediert der »Weltbankbericht 2000« immerhin, dass die Liberalisierungs-, Privatisierungs- und Fiskalpolitik in Verbindung mit den Strukturanpassungsprogrammen die soziale Auszehrung der betreffenden Staaten noch verstärkt habe. Nachdem schon beim Weltwirtschaftsgipfel 1999 in Köln ein Schuldenerlass für die ärmsten Länder vereinbart wurde, offeriert der IWF jetzt ein Konzept, wie dadurch frei werdende Gelder re-investiert werden sollen. Das bedeutet, die wirtschaftspolitischen Auflagen werden ab sofort durch »Armutsstrategie-Papiere« ergänzt, die Kreditnehmer dazu verpflichten, die Gelder »armutsorientiert« einzusetzen. Wie das zu verstehen ist, bleibt weitgehend Geheimnis der Banker.Studien sollen überdies die Ursachen und Folgen von Verelendung ergründen, die doch größtenteils gerade durch die Organisationen verursacht wird, die sie nun - mit anderen Mitteln bekämpfen - wollen. Dieses Dilemma scheint indes für den IWF keines zu sein. Der neue Chef Horst Köhler - seit vier Monaten im Amt - sieht seine Mission streng traditionell: »Im Mittelpunkt« - so der frühere Finanzstaatssekretär - »muss eindeutig die Pflege von makroökonomischer Stabilität und Wachstum stehen.« Gleichzeitig sei dafür zu sorgen, dass die Globalisierung allen zugute komme. Armutsbekämpfung neoliberal getönt.Es scheint wenig glaubwürdig, wenn der IWF in seinen »Armutsprogrammen« einerseits mehr soziale Sicherungssysteme in der Verantwortung der Staaten Afrikas oder Lateinamerikas fordert, andererseits an »Anpassungsprogrammen« festhält, die ersteres konterkarieren. Lediglich im Bildungssektor zieht man an einem Strang, denn gut ausgebildetes Personal ist im Standortwettbewerb ein Argument. Gesundheits- und Rentensysteme oder Sozialhilfe und Mindestlöhne gelten hingegen als Ausgeburt einer verschwendungssüchtigen Politik.Allerdings konnte sich seit Köln durch eine partielle Schuldenstreichung die finanzielle Lage für einige Staaten entspannen. Bolivien etwa erwartet den Erlass von einer Milliarde Dollar - also von einem Drittel seiner Gesamtschulden. Dazu könnten noch einige hundert Millionen Schulden aus bilateral vermittelten Krediten kommen - unter anderem aus Deutschland. Paradoxerweise steht einer grundlegenden Verbesserung die Auflage zur Senkung der Staatsquote entgegen, die an neue Kredite gebunden ist. Und hierfür stehen wiederum zuallererst IWF und Weltbank zur Verfügung.Diese Widersprüchlichkeit scheint kaum durch ökonomische Inkompetenz verursacht als vielmehr durch ein »ideologisches« Beharren auf einer stringent neoliberalen Wirtschaftsdoktrin. Denn, so formuliert es die entwicklungspolitische NGO Weed im Schuldenreport 2000, »mittlerweile ist deutlich geworden, dass die Strukturanpassungsprogramme, auch gemessen an ihren eigenen, eng gefassten Kriterien, gescheitert sind.« Wachstumserfolge blieben aus, die soziale Ungleichheit nahm zu und durch die Ausrichtung auf Exportsteigerung wurden einseitig nur sehr wenige Industriesektoren gefördert. Insofern haben Weltbank und IWF mit ihrer neuen Rhetorik zur Armutsbekämpfung bislang allenfalls in der Öffentlichkeit Punkte gesammelt. Als kürzlich eine Studie der UN-Unterkommission für Menschenrechte die neoliberale Politik als »Albtraum für Menschenrechte« geißelte, war damit nicht der IWF gemeint, sondern die Welthandelsorganisation WTO. Möglicherweise hat der IWF sein Hardliner-Image tatsächlich an eine andere multilaterale Organisation weitergereicht. An seiner Politik hat sich dagegen nur Unwesentliches geändert. Sie ergänzt sich mit der von WTO und Weltbank hervorragend.