"Euch geb' ich Aua!"

Werbekritik Media Markt will weg von den Rabatt-Schlachten und ruft mit seiner neuen Werbekampagne das "Ende des Preis-Irrsinns" aus. Und das mit einem, nun ja, irrsinnigen Spot

Ausgerechnet Media Markt! Jahrelang hat der Elektronik-Markt seinen Kunden eingehämmert: Wer nicht nach den größten Schnäppchen Ausschau hält, sei geistig minderbemittelt. Mario Barth wiederholte nach Verkündung aktueller Sonderangebote in unglaublich stumpfen Spots bis weit über die Schmerzgrenze hinaus immer wieder den Satz: "Ich bin doch nicht blöd!" Der Aufruf zur Schnäppchenjagd hat sich seit einiger Zeit aber gegen Media Markt gedreht. Die meisten Kunden vergleichen die Preise im Netz und kaufen lieber bei Online-Anbietern, die viele Produkte billiger anbieten. Die Verkaufszahlen sind bei Media Markt – wie auch beim zum selben Konzern gehörenden Saturn – eingebrochen.

Eine neue Strategie muss her. Und eine neue Kampagne. Den Abschied vom "Preis-Irrsinn" läutet die Elektronik-Kette dabei mit einem Werbe-Spot ein, der in seiner surrealen Durchgeknalltheit schon fast Fellini’sche Qualitäten offenbart. Von der heimischen Badewanne ausgehend unternimmt ein junger Normalo einen Rundgang durch die verstörend-phantastische Welt der Preisdrücker. Dabei begegnen ihm unter anderem: Trüffi, das Preis-Trüffelschwein; der Pi-Pa-Preisbär; Little Sweetie und McTippi, der geizige Schotte mit seinem Spruch "Schwi-schwa-schweinegeiler Preis". Am Ende sprengt der Normalo, von so viel Preisauswahl restlos überfordert, mit dem Gaga-Satz "Euch geb' ich Aua" alle Phantasie-Figuren in die Luft.

Die Begeisterung für grotesken Unsinn, die aus dem 2-Minuten-Clip spricht, ist bemerkenswert. Im Netz werden jedoch kübelweise Häme und Kritik über Media Markt und die verantwortliche Agentur Ogilvy ausgekippt. Der Spot sei verwirrend, unverständlich, der Bruch mit dem bisherigen Image zu abrupt und außerdem lasse sich der Kunde ja nicht für blöd verkaufen, sondern sei durchaus in der Lage im Netz den Preis zu vergleichen, ohne sich gleich überfordert zu fühlen – so die Kritiker.

Was dabei verkannt wird: Diese Werbe-Clip riskiert mal wirklich was. Denn die Logik des Spots ist im Kern kapitalismuskritisch. Das verbissene Rennen um den niedrigsten Preis, das billigste Produkt, die paar Cent weniger, das bisschen mehr Effizienz – es wird als grotesk und sinnlos dargestellt. Dass am Ende Media Markt als Reich des Guten dargestellt wird, geschenkt. Es geht nach zwei Minuten Irrsinn praktisch unter und ist angesichts der Tatsache, dass der Elektronik-Markt nun auf tagesaktuelle Preisanpassungen im Vergleich zu seinen Wettbewerbern setzt, auch völlig absurd. Wirklich radikal wäre es natürlich gewesen, einfach mit den Explosions-Bildern und somit mit Weltuntergangs-Assoziationen zu enden. Aber Lars von Trier dreht ja keine Werbung.

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